Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Michelstadt

Stadtteil · 206 m über NN
Gemeinde Michelstadt, Odenwaldkreis 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Stadt

Lagebezug:

2,8 km nördlich von Erbach

Lage und Verkehrslage:

Geschlossene Stadt mit komplexem Grundriss im Tal der Mümling (linker Nebenfluss des Mains) im Buntsandsteingebiet des Odenwaldes.

Bahnhof der Eisenbahnlinie Hanau – Eberbach ("Odenwaldbahn I";"Mümlingtalbahn") (Inbetriebnahme der Strecke 24.12.1871).

Ersterwähnung:

741/742

Historische Namensformen:

  • Michilstat (741/742) [Kop. XII. Jahrhundert]
  • Michlinstat (795)
  • Michlinstat in silva Odonewalt (815)
  • Michlenstat (819)
  • Michlenstat (1095)
  • Michelstadt (1113)
  • Michlinstat (1119-1124)
  • Michlenstat (1135)
  • Michelstat (1179)
  • Michlenstatt (1267)
  • Michelstat (1311)
  • Michilnstad (1321)
  • Michelstad (1415)
  • Michelstadt (1501)

Bezeichnung der Siedlung:

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

  • Um 960 errichtete Abt Gerbodo von Lorsch ein steinernes Haus in castello Michelnstat, das 1307 zerstört wurde. Im südlichen Bereich der Altstadt erfolgte zwischen 1323-1344 die (Neu-) Errichtung der Burg. Um die Mitte des 15 Jahrhunderts: Bau des Torturmes der Kernburg.
  • Mit dem Bau der Michelstädter Stadtmauer ab 1390 wurde die Burg in die Stadtbefestigung einbezogen. Das Tor der Kernburg wurde um die Mitte des 15. Jahrhunderts durch den Bau eines Torturmes verstärkt. Der rechteckige Torturm von 10,20 x 8,10 m Seitenlänge war mit Graben und Zugbrücke versehen.

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3500516, 5504653
UTM: 32 U 500441 5502891
WGS84: 49.678543° N, 9.006108° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

437011010

Flächennutzungsstatistik:

  • 1854 (Morgen): 5028, davon 1813 Acker, 565 Wiesen, 2650 Wald
  • 1961 (Hektar): 1417, davon 840 Wald (= 59.28 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1507: 37 steuerpflichtige Haushaltsvorstände einschließlich Witwen
  • 1523: 63 wehrfähige Männer
  • 1550: 61 Familien
  • 1666: 60 Anwesen mit ca. 300 Personen
  • 1701: 470 Einwohner
  • 1703: 88 Anwesen mit 467 Einwohnern
  • 1731: 130 Bürger, 12 begüterte Witwen, 15 Beisassen, 8 Juden
  • 1750: 1096 Einwohner
  • 1752: 1130 Einwohner, darunter 2 Reformierte, 18 Katholiken, 74 Juden
  • 1753: 142 Wohnstätten, 34 Scheuern, 11 Plätze
  • 1791: 1666 Personen, darunter 104 Juden, 151 Fremde; sie wohnten in 186 Häusern und 5 Stadttürmen
  • 1806: 2070 Einwohner
  • 1829: 2728 Einwohner
  • 1961: 6614, davon 4887 evangelisch (= 73.89 %), 1428 katholisch (= 21.59 %)
  • 1970: 7152 Einwohner
  • 1975: 6575 Einwohner
  • 1986: 8502 Einwohner
  • 2005: 9205 Einwohner
  • 815: 40 männliche und weibliche Leibeigene, 14 hörige Knechte mit Frauen und Kindern
  • um 1500: 350 Personen

Diagramme:

Michelstadt: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 815: Mark Michelstadt
  • 819: Michlenstat in pago Plumgouue
  • 1787: Grafschaft Erbach-Fürstenau, Amt Michelstadt
  • 1806: Großherzogtum Hessen, Souveränitätslande, Provinz Starkenburg, Amt Michelstadt (zur Standesherrschaft Erbach gehörig)
  • 1820: Großherzogtum Hessen, Souveränitätslande, Provinz Oberhessen, Amt Fürstenau (zur Standesherrschaft Erbach gehörig)
  • 1821: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Landratsbezirk Erbach
  • 1848: Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Erbach
  • 1852: Großherzogtum Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Erbach
  • 1918/19-1934: Volksstaat Hessen, Provinz Starkenburg, Kreis Erbach
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Erbach
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Erbach
  • 1972: Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Odenwaldkreis

Altkreis:

Erbach

Gericht:

  • Eigene Zent (zum Umfang s. Mittelpunktfunktionen)
  • 1820-1822: standesherrliches Amt Fürstenau mit Michelstadt zu Michelstadt
  • 1822-1879: Landgericht Michelstadt
  • 1879: Amtsgericht Michelstadt
  • 1943: Zweigstelle Amtsgericht Beerfelden
  • seit 1945: Amtsgericht Michelstadt

Herrschaft:

Ein erteiltes Stadtrechtsprivileg hat der Ort nie besessen. Die Verfassungswirklichkeit wurde von der Herrschaft, nicht von den genossenschaftlichen Interessen der Bürger geprägt.

Gemeindeentwicklung:

Zur Entwicklung der im Zuge der hessischen Gebietsreform neu gebildeten Stadtgemeinde s. Michelstadt, Stadtgemeinde. Sitz der Gemeindeverwaltung ist Michelstadt.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • 741/42 schenkte Karlmann, Sohn Karl Martells, dem ersten Würzburger Bischof Burkard eine nicht näher bezeichnete villa Michilstat ohne Hinweise auf ihre Lage. 815 schenkte König Ludwig den Ort Michelstadt, in dessen Mitte eine hölzerne Kirche steht, mit samt dem umliegenden Gebiet Einhard und seiner Gemahlin Imma. Nach Einhards Tod im Jahr 840 fielen Michelstadt und die zugehörige Mark, wie bereits 819 von ihm selbst in einer Schenkungsurkunde schriftlich festgelegt, an das Reichskloster Lorsch, das den Hauptort dieses Gebietes fortan als Ausgangspunkt zu seinen Besitzungen im Odenwald nutzte. Wie lange sich Michelstadt tatsächlich im Besitz des Klosters befand ist nicht eindeutig zu klären. Möglicherweise fielen Teile der Michelstadter Mark schon im 12. Jahrhundert an die Schenken von Erbach. Mit der Aufhebung der Reichsabtei Lorsch 1232 und dem Anfall der Besitzungen an das Erzstift Mainz begannen jedenfalls jahrzehntelange Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft im Mümlingtal, in deren Verlauf die Schenken von Erbach eine machtvolle Position erringen konnten. Um 1307 zerstört Pfalzgraf Rudolf, Herzog in Bayer, die Burg und verbrennt die Stadt. 1307 gibt der Pfalzgraf Rudolf dem Schenken Eberhard von Erbach Burg und Stadt zurück mit der Bedingung, dass er ohne seinen Willen keinen burgähnlichen Bau mehr errichten dürfe. 1311 trägt Schenk Eberhard von Erbach dem Pfalzgrafen Rudolf die Burg und Stadt Michelstadt, die sein Eigen sind, zu Lehen auf gegen die Erlaubnis, burg und Stadt wieder aufbauen zu dürfen. In der Folge bleiben die Schenken von Erbach Lehnsmannen der Pfalzgrafen. 1806 gelangt die Stadt mit dem gleichnamigen Erbach-Füstenauischen Amt an das Großherzogtum Hessen.
Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • 815: basilica lignea
  • 1280: Pleban

Patrozinien:

  • Maria [1135] (Altar)
  • Michael; Kilianus (Kilian) [1507]

Pfarrzugehörigkeit:

Zum Kirchspiel gehörten: Steinbach, Fürstenau, Momart, Mombrunn (wüst), Zell, Weiten-Gesäß, Asselbrunn, Eulbach, Ernsbach, Würzberg, Mangelsbach, Stockheim, Eutergrund, Bullau, Erlenbach, Erbuch, Schönnen, Ebersberg, Haisterbach, Günterfürst, Langen-Brombach (halb), Steinbuch, Roßbach, Unter-Mossau, Elsbach, Lauerbach, Dorf-Erbach, Rumpheshausen (wüst).

Tochterpfarrei ist 1253 Rehbach, 1387 Ober-Mossau und 1496 Erbach.

Patronat:

819 hat Kloster Lorsch das Patronatsrecht, ab dem 14. Jahrhundert die Schenken von Erbach.

Diakonische Einrichtung:

Röschen, Beschreibung der evangelischen Pfarreien des Großherzogtum Hessen nennt für 1900 eine Diakonissin als Gemeindeschwester, für 1928 eine Gemeinde – und eine Kleinkinderschwester in einer Kleinkinderschule; nach Wegweiser für die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau. Ausgabe von 1954 eine Schwesternstation mit 1 Diakonisse und eine Gemeindehelferin

Bekenntniswechsel:

Erste evangelische Predigten durch Johannes Speckel in den 1520er Jahren.

Kirchliche Mittelbehörden:

Archidiakonat St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, Landkapitel Montat

Juden:

Der älteste sichere Nachweis auf eine jüdische Einwohner in Michelstadt stammt von 1658. Synagoge 1791 an der Stelle eines älteren Vorgängerbaus errichtet. 1911 renoviert, 1938 zerstört. Nach Sanierung 1970 wird sie als jüdisches Museum genutzt.

1717 sieben Familien; 1828: 177 Juden, 1861: 192, 1900: 124, 1925: 99

Kultur

Schulen:

1532 Ersterwähnung einer Schule; seit 1575 Lateinschule bis ins 19. Jahrhundert; 1910 Volksschule mit sechs Klassen, zwei Schulhäuser von 1828 und 1900; Handwerkershule, landwirtschaftliche Winterschule, Realschule, Private Mädchenschule

Hospitäler:

1776 Armenhaus, 1853 Augustspital, 1885 Krankenhaus

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

1531/39 gehörten zum Amt Michelstadt: Michelstadt, Steinbach, Asselbrunn, Steinbuch, Rehbach, Langenbrombach jenseits der Bach, Momart, Zell, Bullau, Stockheim, Eulbach, Ober- und Untermossau, Güttersbach, Hüttental, Hilterskllingen und Weitengesäß.

Zur Zent Michelstadt gehörten: Steinbach, Momart, Mombrunn (wüst), Zell, Weiten-Gesäß, asselbrunn, Günterfürst, Langen-Brombach (halb), Roßbach, Unter-Mossau, Elsbach, Dorf-Erbach, Rehbach, Ober-Mossau, Erbach, Rumpheshausen (wüst), Steinbuch, Eulbach, Ernsbach, Würzberg, Mangelsbach, Stockheim, Eutergrund, Bullau, Erlenbach, Erbuch, Schönnen, Ebersberg, Haisterbach.

Wirtschaft:

Landwirtschaft und Weinbau bieten bis 1750 Haupterwerbsquellen; daneben Tabakanbau bis Anfang des 18. Jahrhunderts; Obstanbau wird besonders im 18. und 19. Jahrhundert gefördert; neben Agrarbereich bestehen in Vielzahl an Gewerben Arbeitsplätze, besonders in der Tuchweberei; um 1800 existieren noch 40 Kleinbetriebe, Rückgang seit 1840; Zünfte; in 1950er Jahren Bestand einer Tuchfabrik (gegründet 1828)

Bereits vor der Erstnennung des Unteren Hammers bei Michelstadt 1572 wurde in der Umgebung der Stadt Bergbau betrieben.

Mühlen:

1321 Schiedspruch zwischen Schenk Eberhard der Ältere dem Jüngeren über eine Mühle zu Michelstadt, die wüst ist.

Markt:

Seit dem 14. Jahrhundert fanden in Michelstadt jährlich 7 Krammärkte statt, die bis zum 19. Jahrhundert um zusätzliche 6 Viehmärkte erweitert wurden.

Münze:

1541 Münzrechtsverleihung an die Grafen von Erbach durch Kaiser Karl V.; Münzprägungen von Doppelhellern (seit 1546), Goldgulden, Reichsgulden, halbe Guldener, Pfennige, Heller

Zoll:

1443, 1532 und 1722 belehnt Pfalzgraf Ludwig Schenk Philipp von Erbach mit dem Zoll zu Michelstadt

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Michelstadt, Odenwaldkreis“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/14008> (Stand: 24.5.2023)