Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Gieselwerder

Ortsteil · 108 m über NN
Gemeinde Wesertal, Landkreis Kassel 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

16,5 km nordöstlich von Hofgeismar

Lage und Verkehrslage:

Geschlossenes Dorf mit regelhaften Grundrissmerkmalen und lockerer Bebauung im schmalen Bereich zwischen dem linken Weserufer und den Nordostausläufern des Reinhardswaldes. Ursprünglich langestreckte schmale Insel (Werder), die erst im frühen 20. Jahrhundert durch Trockenlegung mit dem Ort verbunden wurde. Historischer Ortskern in der Flussniederung mit ehemaliger Furt in der Weser neben der heutigen Weserbrücke, geringen Überresten einer Wasserburg und einer älterern Pfarrkirche. Jüngere Ausdehnung am Westrand des Ortes an den Hängen des Reinhardswaldes. Am Südwestrand verläuft die B 80 Richtung Bad Karlshafen. Durch die Weserbrücke Anschluss an die L 561 Richtung Lippoldsberg und Oedelsheim

Ersterwähnung:

1089-1093

Siedlungsentwicklung:

Die Entstehung der Siedlung ist eng verknüpft mit der Burg und deren Entwicklung als Herrschafts- und Amtssitz.

Vorbemerkung Historische Namensformen:

Bei den frühen Belegen ohne Bestimmungswort ist eine eindeutige Identifizierung nicht immer möglich. Verwechslungen aufgrund gleicher Namensformen (Werder, Insula) ergeben sich mit der gleichfalls an der Weser gelegenen Stadt Bodenwerder (Landkreis Holzminden). Zu deren Namensformen s. den Artikel Bodenwerder, in: Ortsnamen Holzminden, S. 39-40.

Nicht immer sind Burg und Ort Gieselwerder eindeutig zu trennen.

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

Umlegung der Flur:

1910

Älteste Gemarkungskarte:

1750

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3538159, 5718483
UTM: 32 U 538070 5716635
WGS84: 51.599474° N, 9.549661° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

633030030

Frühere Ortskennziffer:

633021030

Flächennutzungsstatistik:

  • 1885 (Hektar): 435, davon 238 Acker (= 54.71 %), 127 Wiesen (= 29.20 %), 2 Holzungen (= 0.46 %)
  • 1961 (Hektar): 458, davon 1 Wald (= 0.22 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1585: 37 Haushaltungen (Der ökonomische Staat)
  • 1747: 90 Haushaltungen (Stadt- und Dorfbuch des Ober- und Niederfürstentums Hessen); 1 Wagner, 2 Schneider, 21 Leineweber, 2 Schreiner, 1 Müller, 3 Wirte, 1 Bender, 14 Personen, die sich mit Spinnen und Nähen ernähren, 4 Schmiede, 3 Metzger, 14 Tagelöhner, 1 Schuster, 1 Branntweinbrenner, 2 Fischer, 1 Fährmann
  • 1885: 939, davon 936 evangelisch (= 99.68 %), 3 katholisch (= 0.32 %)
  • 1961: 1320, davon 1107 evangelisch (= 83.86 %), 160 katholisch (= 12.12 %)
  • 1970: 1362

Diagramme:

Gieselwerder: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1288: Herzogtum Braunschweig, Amt und Gericht Gieselwerder (zu dessen Umfang siehe Mittelpunkt)
  • 1303: Herzogtum Braunschweig/Erzstift Mainz, Amt und Gericht Gieselwerder
  • 1409: Burg und Gericht Gieselwerder (Mainzer Pfandbesitz der Herren von Hardenberg)
  • 1462: Landgrafschaft Hessen, Amt und Gericht Gieselwerder
  • 1538: Landgrafschaft Hessen, Amt und Gericht Gieselwerder
  • 1538: Landgrafschaft Hessen, Amt Sababurg, Gericht Gieselwerder
  • 1551: Landgrafschaft Hessen, Amt Gieselwerder
  • 1585: Landgrafschaft Hessen, Amt Sababurg, Gericht Gieselwerder
  • 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Sababurg
  • 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Sababurg
  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Fulda, Distrikt Kassel, Kanton Karlshafen
  • 1814-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Sababurg
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Hofgeismar
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Kassel
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Hofgeismar
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Hofgeismar
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Hofgeismar
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Hofgeismar
  • 1972: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Kassel

Altkreis:

Hofgeismar

Gericht:

  • 1822: Justizamt Sababurg (Sitz Veckerhagen)
  • 1867: Amtsgericht Veckerhagen
  • 1879: Amtsgericht Veckerhagen
  • 1932: Amtsgericht Karlshafen
  • 1943: Amtsgericht Hofgeismar (Zweigstelle Karlshafen)
  • 1949: Amtsgericht Karlshafen
  • 1968: Amtsgericht Hofgeismar (Zweigstelle Karlshafen)
  • 1969: Amtsgericht Hofgeismar

Herrschaft:

Ursprünglich im Einflussbereich der Grafen von Northeim gelegen, unter denen Gieselwerder allerdings nicht genannt wird . Vermutlich handelt es sich um Allod der Grafen von Werder, die sich nach der hier ihnen hier errichteten Burg (de Insula) benennen. Der letzte hier ansässige Edelherr Wittekind von Vesperthe - seine Frau Gisela ist vermutlich Namensgeberin der Burg - überträgt seinen Anteil in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts an den Mainzer Erzbischof. 1244 setzt der Mainzer Erzbischof den Grafen Adolf II. von Dassel und dessen Söhne als Burgmannen in Gieselwerder ein (nachweisbar bis 1278). Als weitere Burgmannenfamilien sind die Schöneberger (1241) und Ziegenberger (1245) bekannt. 1257 muss der Mainzer Erzbischof dem Herzog von Braunschweig Burg und Gericht Gieselwerder abtreten. 1267 teilen Herzog Albrecht und Johann von Braunschweig ihre Güter außer u.a. der Insel, genannt Gieselwerder, die in gemeinsamen Besitz bleiben soll. 1268 kommen der Mainzer Erzbischof und der Herzog von Braunschweig überein, dass Burg und Flecken Gieselwerder dem Dietrich von Hardenberg übergeben werde. Der Herzog erhält Gieselwerder zusammen mit Uslar von Mainz zu Lehen. Burg und Siedlung bleiben in der Folge Gegenstand territorialer Auseinandersetzungen zwischen dem Mainzer Erzbischof, dem Herzog von Braunschweig, den Grafen von Waldeck und den Landgrafen von Hessen. 1288 erhalten Graf Otto von Everstein und seine Erben von den Herzögen von Braunschweig die Hälfte von Burg und Flecken Gieselwerder mit allem Zubehör und Rechten (zum Umfang s. Mittelpunktfunktion). 1303 überlässt Braunschweig die Hälfte (deren Zubehör das spätere Amt Sababurg bildete) an Mainz. Das Erzstift wiederum verpfändet dem Grafen von Waldeck für seine Unterstützung in den Auseinandersetzungen mit König Albrecht seinen Teil an Gieselwerder an den Grafen von Waldeck, löst ihn aber 1308 wieder ein. 1317 verpfändet Braunschweig seine Hälfte denen von Hardenberg, verkauft 1434 seinen Anteil bis auf den Schlossteil diese an Mainz. Mainz wiederum verpfändet seinen Anteil 1326 ebenfalls an die Hardenberger. Die Hardenberger Pfandschaft über Gieselwerder dauert, mit Unterbrechung zwischen 1332 und 1346, bis 1453.

1315 übertragen der Landgraf von Hessen und der Graf von Waldeck dem Bischof Ludwig von Münster die Schlichtung ihrer Streitigkeiten um das Haus Gieselwerder.

Erzbischof Adolf von Mainz verpfändet 1462 dem Landgrafen Ludwig für die gegen Diether von Isenburg zu leistende Kriegshilfe wiederlöslich für 14000 rhein. Gulden Hofgeismar, Duderstadt, Gieboldehausen und die Pfandschaft an Schöneberg und Gieselwerder, verzichtet auf seine Ansprüche auf das Schloß Weidelsburg und die Schönbergischen Lehen, und vergleicht sich wegen der Wüstung Giffendorf. 1583 fällt Gieselwerder endgültig an Hessen.

Gemeindeentwicklung:

Am 1.2.1971 erfolgte im Zuge der hessischen Gebietsreform der Zusammenschluss mit anderen Gemeinden zur neu gebildeten Gemeinde Oberweser. Seit dem 1.1.2020 Ortsteil der neu gebildeten Gemeinde Wesertal. Gieselwerder ist Sitz der Gemeindeverwaltung.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • Vgl. Herrschaft
  • Das Kloster Lippoldsberg erhält einen Mansus in Werder als Gründungsausstattung, kann seinen Besitz in der Folge aber offenbar nicht wesentlich vermehren. Um 1380 verfügt das Benediktinerinnenkloster Lippoldsberg nach einem Güterregister über einen Teil des Zehnten in Gieselwerder.

Ortsadel:

Grafen von Werde, Werde, de Insula (1093-1225)

Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • Evangelische Pfarrkirche (Christus) im Bereich eines Vorgängerbaus 1813 als kreuzförmiger Fachwerkbau errichtet
  • Katholische Filialkirche "Zum Guten Hirten" (Meierhofstraße 50), 1970 geweiht
  • Neuapostolische Kirche (Wiesenstraße 25), 1963 errichtet

Pfarrzugehörigkeit:

Gieselwerder ist 1585, 1872 und 1994 Filial von Oedelsheim

Bekenntniswechsel:

Da Filial von Oedelsheim, Einführung der Reformation vermutlich unter dem Oedelsheimer Pfarrer Henrich Michel um 1554.

Kultur

Schulen:

1910 Volksschule mit drei Klassen

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

Das Amt bzw. Gericht Gieselwerder besteht 1288 aus dem Dörfern (Verna-)Walshausen, Arenborn, Heisebeck und die späteren Wüstungen Elveringhausen, Elwertshausen, Frankenhagen, Rappenhagen, Reiger, Rusteshagen, Schmachteshagen, Schmalenberg, Sunderdissen, Tielbeck, Wicbike, Windefeld und Wladeke. Ferner gehören die Vogteien über die Dörfer Oedelsheim, Bursfeld, Hemeln, Hottenhausen, Vaake, Haltmerden, Werden und Wiesenfeld dazu. 1551 gehören zum Amt die Orte Gottsbüren, Hombressen, Veckerhagen, Vaake, Gieselwerder Oedelsheim, Vernawahlshausen, Heisebeck, Arenborn und Lippoldsberg (wird allerdings nicht explizit genannt).

1583 gehörten zum Amte die Dörfer Oedelsheim, Walshausen, Arnborn und Hesebeck (Verträge mit Mainz). Das Amt wird damals dem von Sababurg zugetan.

Wirtschaft:

Leinenweberei

Mühlen:

Die Lumbach-, seit 1885 Ilsemühle am Westrand des Ortes wurde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Wasser des gleichnamigen Baches über ein oberschlächtiges Wasserrad und später auch noch mit einer Turbine betrieben. Seit 1962 nicht mehr in Betrieb

Die Quentinmühle wurde ebenfalls mit dem Wasser des Lumbachs betrieben.

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Gieselwerder, Landkreis Kassel“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/2062> (Stand: 28.8.2023)