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Klöster und Orden

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Ortskennziffer
44000511008

Johanniterkommende Niederweisel

179 m über NN
Gemarkung Nieder-Weisel, Gemeinde Butzbach, Wetteraukreis
Basisdaten | Geschichte | Besitz | Ausstattung | Nachweise | Zitierweise | Indizes
Basisdaten

Abstract:

Die Johanniterkommende geht vermutlich auf den Reichskämmerer Kuno von Münzenberg zurück, der Ende des 12. Jhdts. an den Johanniterorden großzügig seinen Besitz in Niederweisel verschenkt. Handwerker und Bildhauer aus dem Elsaß errichten die beeindruckende seltene zweigeschossige romanische Längskirche. Im Hospital widmet sich die Kommende der zentralen Aufgabe des Johanniterordens, der Krankenpflege. Heute befindet sich das Zentrum der deutschen Johanniter in Nieder-Weisel.

Orden:

Johanniter

Ordensprovinz:

Ballei Wetterau

Alte Diözesanzugehörigkeit:

Von der Diözesangewalt ausgenommen (eximiert);

Typ:

Männerkloster

Territorium:

  • bis 1418 : Grafen von Falkenstein
  • 1419: Grafen von Eppstein
  • 1478: Grafen von Solms-Braunfels, Solm-Lich, Katzenelnbogen
  • um 1500: Solm-Hohensolms, Solms-Braunfels, Eppstein-Königstein, Landgrafschaft Hessen
  • 1809: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen

Historische Namensformen:

Lagebezug:

10 km nordwestlich von Friedberg

Lage:

Hoch-Weiseler-Weg 1a, Johanniterstraße 7

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3477394, 5586530
UTM: 32 U 477328 5584735
WGS84: 50.414215° N, 8.680903° O

Geschichte

Geschichte:

Ende des 12. Jahrhunderts schenkt der Reichskämmerer Kuno von Münzenberg einen umfangreichen Besitz in Nieder-Weisel dem Johanniterorden. Nachgewiesen ist die Kommende seit 1245, die ein Hospiz betreibt. Zu dem großen landwirtschaftlichen Betrieb gehört ein Stadthof in Butzbach zum Verkauf der Überschüsse und als Lagerraum. 1257 verbrieft die Stadt Wetzlar die Zollfreiheit. Zahlreiche Schenkungen des regionalen Adels vergrößern im 13. Jahrhundert den Besitz. Grundstücke, Wirtschaftshöfe, Leibeigene und Gülten werden den Johannitern gestiftet. Im 14. Jahrhundert überwiegen die Geldgeschenke und Ankäufe von Grundstücken. Die Kommende trägt wie alle anderen Johanniterniederlassungen eine Abgabepflicht an den Gesamtorden zur Sicherung der Kreuzzüge, später zur Unterstützung der Ordenspolitik im Mittelmeerraum. Dies führt zu starken wirtschaftlichen Belastungen; 1363 müssen Güter im Dorf Oberhörgen zur Finanzierung der Ordenspolitik auf Weisung der Vorgesetzten verkauft werden. Der wirtschaftliche Niedergang im 14. Jahrhundert verursacht strenge Sparmaßnahmen und eine Klosterreform. Eine schlichte Kleiderordnung wird festlegt und die Zahl der Kommendemitglieder begrenzt (6 Laien- und 4 Priesterbrüder). Mit dem Übertritt der Grafen von Solms zum lutherischen Bekenntnis entstehen Schwierigkeiten mit der Obrigkeit. Vor der Enteignung durch die Landesherren in der Reformation schützt der Status des Ordens als Reichsstand.

1555 wird im Augsburger Religionsfrieden geregelt, dass einerseits die Verpflichtung zum Unterhalt der evangelischen Pfarrer in Nieder-Weisel, andererseits das Recht, katholischen Gottesdienst zu halten, in Nieder-Weisel besteht. Im Dreißigjährigen Krieg wird Nieder-Weisel durch den schwedischen König an die Grafen von Solms geschenkt, nach 1648 werden die Besitzungen und Rechte der Johanniter erneut abgesichert, die Pfarrrechte bleiben verloren. Nieder-Weisel wird der Kommende in Mainz zugeordnet und durch den dort residierenden Komtur mitverwaltet. Der Orden entwickelt sich verstärkt zu einer Gemeinschaft weltlich orientierter Ritterbrüder, auch mit Nachkommenschaft, einer adligen Versorgungsorganisation mit hoher Attraktivität für den Adel im Absolutismus.

1809 wird der Orden durch Napoleon aufgelöst, 1811 das Gelände an die von Freiherren von Wiesenhütten, 1862 in Parzellen an Bauern verkauft. 1868 schenkt das Großherzogtum Hessen der hessischen Genossenschaft des Johanniter-Ordens die Komtureigebäude. Ab 1870 erfolgt ein Ausbau als Allgemeinkrankenhaus und Lazarett (Ersten Weltkrieg) mit steigenden Patientenzahlen; im Zweiten Weltkrieg wird es durch den Staat übernommen und mit einem Bau zur Versorgung von Zwangsarbeitern aus der Umgebung erweitert; nach dem Krieg erneut Allgemeinkrankenhaus bis 1975.

Seit 1958 ist die Komturkirche "Geistliches Zentrum" der weltweiten Johanniterordensgemeinschaft; seit der Wiedervereinigung 1990 Ausbau des Ordenszentrum Nieder-Weisel als Schulungs- und Tagungsort. 2008 wird die Johanniter Komturei Nieder-Weisel in eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechtes umgewandelt, 750 Jahre nach Stiftung der Johanniter Komturei durch die Herren von Münzenburg.

Gründungsjahr:

vor 1245

Gründer:

Herren von Münzenberg

Aufhebungsjahr:

1809

Organisation:

Für 1245 wird urkundlich eine Brüdergemeinschaft (Konvent) unter Leitung eines Komturs erwähnt; dieser trifft die wirtschaftlichen, rechtlichen, politischen und kirchlichen Entscheidungen und vertritt die Niederlassung im Gesamtorden; 1494 bennent eine Generalvisitation einen Komtur, einen Ordensbruder und vier Ordenskapläne. Die Komture von Niederweisel stammen überwiegend dem hessischen Adel aus der Wetterau

Pfarrrechte:

Die Pfarrei Weisel kommt als Schenkung im 14. Jahrhundert an die Johanniter; die ortsansässigen Pfarrer arbeiten für den Orden auch als Verwalter; dazu kommen die Dorfkirchen in Griedel und Ostheim

Patrozinien:

Gertrud, Maria, Syntronius (auch: Syntram, Sincerianus)

Archivgeschichte:

Archiv 1. im Staatsarchiv Darmstadt und 2. im Stadtarchiv Frankfurt.

Besitz

Besitz:

Die Johanniterkommende erwirbt einen relativ geschlossenen Besitz zwischen Lang-Göns und Grüningen im Norden, im Osten Gebiete an der Wetter, im Süden bis Friedberg und im Westen bis zum Cleebach und Usbach. Urkundlich verbrieft ist ein Besitz von rund 1200 Morgen in den Gemarkungen

Butzbach, Griedel, Lich, Pohlgöns, Gambach, Steinfurth, Wetzlar, im Gebiet von Hüttenberg und im Busecker Tal

Abhängigkeitsverhältnis:

1550 Angliederung an Kommende Mainz

Ausstattung

Gebäude:

Zweigeschossige Kirche aus dem 13.Jahrhundert mit zwei über einander liegenden Räumen, verbunden durch Schallöffnungen; möglicherweise Nutzung der Oberkirche als Krankensaal, der Unterkirche als Krypta für den Hl. Syntronus; 15 Bilddarstellungen des Lebens des Märtyrers bis ins 18.Jahrhundert an den Wänden;

Denkmaltopographie:

DenkXweb Kulturdenkmäler in Hessen (Sachgesamtheit Johanniterkommende Nieder-Weisel)

Sonstiges:

Wallfahrtsort für den Hl. Syntronus, Schutzpatron vor Unwetter und Pest; Kopfreliquie, des angeblich in Weisel getöteten Märtyrers, der nicht im Heiligenkanon der katholischen Kirche verzeichnet ist; Bürgermeisterrechnungen aus Butzbach aus dem 14. und 15. Jahrhundert verweisen auf die hohe Bedeutung des Wallfahrtsortes für die Region;

Nachweise

Quellen:

Gedruckte Quellen:

Literatur:

Germania Sacra-ID:

30280

GND-Nummer:

4757473-2

Zitierweise
„Johanniterkommende Niederweisel, Gemeinde Butzbach“, in: Klöster <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/kl/id/12928> (Stand: 30.6.2021)
Indizes

Personen:

Löwenstein, Christoph von Komtur in Nieder-Weisel im 16.Jahrhundert#1068488913

Bartholomäus Sastrow - Darstellung des Lebens in der Johanniter-Kommende Nieder-Weisel (Mitte des 16.Jahrhunderts);

Friedrich II., Hessen-Darmstadt (1616-1682), Landgraf, Komtur von Nieder-Weisel#104366869

Sachbegriffe: