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Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Initiative zum Bau einer Villen-Wohnsiedlung am Forsthaus Buchschlag bei Frankfurt, 12. Februar 1903

Der Frankfurter Kaufmann Jakob Latscha (1849–1912) wirbt für den Bau einer Villen-Wohnsiedlung am Forsthaus Buchschlag, die 1904 auf Latschas Anregung hin als Villenkolonie in der Waldgemarkung Mitteldick im Waldbezirk Buchschlag bei Dreieich (direkt südlich von Frankfurt gelegen und zum Kreis Offenbach gehörig) verwirklicht wird. Der gebürtig aus Friedelsheim bei Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz) stammende Unternehmer, der sich auch als Kunstmäzen betätigt, und in Frankfurt Filialen seines seit 1882 in der Mainmetropole existierenden Lebensmittelgeschäfts betreibt, überredet auf der Baustelle des Forsthauses die Vertreter der Darmstädter Domänenverwaltung, auf der Fläche des benachbarten Waldstücks eine Wohnsiedlung zu bauen. Bislang besteht an dieser Stelle eine 1837 gegründete großherzoglich hessische Revierförsterei mit dem Forsthaus. In dem Waldstück errichtete man 1879 zudem einen Bahnhof an der das Gebiet durchlaufenden Main-Neckar-Bahnlinie. Um 1900 wurden beide Gebäude durch das Gestüt Maria-Hall des Frankfurter Kaufmanns und Kunstsammlers Viktor Mössinger (1857–1915) ergänzt.

Sozialreformerische Absicht: erschwinglicher Wohnraum „im Grünen“

Mit seiner Gründungsabsicht verfolgt der sozialreformerisch engagierte Latscha das Ziel, erschwinglichen Wohnraum in attraktiver Lage für Familien aus der Schicht der kleinen Beamten, Angestellten und Handwerker zu schaffen. Zu diesem Zweck gründet er eine Wohnungsgesellschaft („Wohnungsbaugesellschaft Buchschlag eGmbH“), deren Mitglieder großzügige Parzellen zu günstigen Preisen erhalten sollen, um darauf Ein- und Zweifamilienhäuser zu bauen.1

Zunächst erwarb Latscha von Sprendlinger Bauern ein Gelände, auf dem er 1902 eine Schutzhütte mit Andachtsraum und eine Kaffeeküche errichten ließ, die er evangelischen Jugendgruppen aus der Region zur Verfügung stellt und in der bereits vor Gründung der Siedlung Buchschlag Waldgottesdienste abgehalten werden.2

Verwirklichung als Villenkolonie für ein zahlungskräftiges Publikum

Die für die Wohnsiedlung vorgesehenen Grundstücke zählen zur Dominialverwaltung von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen, der dass Projekt unterstützt und seine Ermächtigung zur Nutzung für Siedlungszwecke erteilt. Am 1. Juli 1904 unterzeichnen beide Seiten den gemeinsamen Gründungsvertrag der Wohnungsgesellschaft. In den folgenden Jahren lenkt der mehr an bauästhetischen als an sozialen Aspekten des Projekts interessierte Großherzog jedoch den Ursprungsgedanken der Kolonie in eine andere Richtung und beteiligt Baumeister, Künstler und Kunsthandwerker aus Darmstadt an der Verwirklichung der Kolonie. Damit entstehen in Buchschlag keine Häuser für das kleinbürgerliche Publikum, an das Jakob Latscha gedacht hatte, sondern Villen für zahlungskräftige Käuferschichten. Der Frankfurter Unternehmer zieht sich daraufhin aus dem Siedlungsvorhaben zurück.

Die Villenkolonie Buchschlag, deren endgültiger Bebauungsplan von dem Darmstädter Architekt Friedrich Pützer (1871–1922) Grundzüge großbürgerlicher Villenviertel mit Einflüssen der englischen Gartenstadtbewegung verbindet, gilt als eines der bedeutendsten architektonischen Jugendstil-Ensembles in Deutschland. Latscha gründet 1911 außerdem auch die Landhauskolonie Waldheim in Rumpenheim.

Buchschlag wird am 15. April 1913 eine selbstständige Gemeinde. Erster Bürgermeister der Villenkolonie wird 1913 der national-konservative Schriftsteller Rudolf G. Binding (1867–1938), dessen Werke später von der nationalsozialistischen Propaganda vereinnahmt werden.
(KU)


  1. Die „Wohnungsgesellschaft Buchschlag“ konstituierterte sich – zunächst als eingetragener Verein – am 16. April 1904. Gemäß ihren Statuten verfolgt die spätere eingetragene Genossenschaft die Absicht, ihren Mitgliedern durch die „Errichtung von vorzugsweise villenartigen Ein- und Zweifamilienhäusern mit Gärten, möglichst nicht unter 1.000 qm billige, gesunde Wohnungen“ zu verschaffen. Unter Führung von Rudolf G. Binding lösen sich die Bewohner der Siedlung 1910 von den Investoren der Wohnungsgesellschaft. Zitiert nach Franz (Hrsg.), Die Chronik Hessens, Dortmund 1991, S. 294.
  2. Vgl. dazu auch: Jost, Henning / Seibert, Timo / Seibert, Marco: Dreieich: Bilder aus fünf Ortsteilen erzählen (Die Reihe Archivbilder), Erfurt 2004, S. 96.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Initiative zum Bau einer Villen-Wohnsiedlung am Forsthaus Buchschlag bei Frankfurt, 12. Februar 1903“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/293> (Stand: 12.2.2023)
Ereignisse im Januar 1903 | Februar 1903 | März 1903
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