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Lesung aus dem antisemitischen Buch „Hofjuden“ im Reichssender Frankfurt, 9. Januar 1939

Peter Deeg (1908–2005), der Autor des antisemitischen Buchs „Hofjuden“, für das unter anderem das nationalsozialistische Hetzblatt „Der Stürmer“ Werbung macht, liest im Reichssender Frankfurt1 aus seinem Werk.

„Hofjuden“, als historisches Sachbuch aufgemacht und mit einem ausführlichen Archivquellen- und Literaturverzeichnis2 versehen, wurde 1938 veröffentlicht und steht in Verbindung mit Deegs Tätigkeit als „Forschungsbeauftragter“ des Parteigründers der NSDAP, NS-Reichstagsabgeordneten und Herausgebers des „Stürmers“ Julius Streicher (1885–1946), der die Herausgabe des Bandes sowie zwei weiterer Bücher aus der Feder von Deeg („Die Judengesetze Großdeutschlands“, 1939 und „Vor 50 Jahren – Für und Wider den Russenpakt“, 1940) ermöglicht hat. In dem Buch „Hofjuden“, von Deeg als erster Band in einer Reihe mit dem Titel „Juden, Judenverbrechen und Judengesetze in Deutschland von der Vergangenheit bis zur Gegenwart“ gedacht, versucht der Autor zu belegen, dass sogenannte Hofjuden – ein Begriff, den Deeg ausgehend vom Einfluss privilegierter jüdischer Persönlichkeiten an geistlichen und weltlichen Höfen seit dem Spätmittelalter benutzt,3 aber auf die Juden in Politik, Wirtschaft und kulturellem Leben der Gegenwart ausdehnt – aus „Geldgier“ bis auf den heutigen Tag die Eroberung der Weltherrschaft anstrebten. Dabei hätten „die Juden sich als landesherrliche Saug-Egel am Volkskörper [...] mit nimmersatter Gefräßigkeit“ festgesetzt, und sich „des universalsten Mittels“ bedient, „um reich zu werden: der Falschmünzerei“. Deeg stempelt die Juden pauschal zu „Vaterlandsverrätern“.

Das Buch „Hofjuden“ erlebt in kurzer Zeit zahlreiche Auflagen. Sein Verfasser wird aber, nach einer erbitterten Auseinandersetzung mit der Reichsschrifttumskammer, wegen „übler Geschäftemacherei“ (Deeg versuchte mit unlauteren Methoden den Verkauf seiner Werke zu fördern, um einen höheren Anteil aus dem Verkaufserlös zu erhalten) zu fünf Monaten Haft und einer Geldstrafe verurteilt.

Der studierte Rechts- und Staatswissenschaftler Deeg war 1928 in die NSDAP eingetreten (Ortsgruppe Bad Kissingen) und 1934 aufgrund säumiger Beitragszahlungen aus der Partei ausgeschlossen worden. Die Umstände seines Parteiausschlusses führten 1937 in Zusammenhang mit Deegs Versuch, erneut in die NSDAP einzutreten, zu Auseinandersetzungen. Nach Kriegsende stufte ihn das Urteil eines Spruchkammerverfahrens zunächst als „minderbelastet“ ein.4 Zu Anfang der 1950er Jahre tritt Deeg in die CSU ein, erwirbt 1952 eine Zulassung als Rechtsanwalt, betreibt in seinem Geburtsort Bad Kissingen ein Anwaltsbüro und übernimmt bald eine Reihe lukrativer Wirtschaftsmandate. Er wird Duz-Freund des ab 1953 als Bundesminister verschiedener Ressorts der Bundesregierung angehörenden, späteren CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauß (1915–1988). In Zusammenhang mit fragwürdigen Methoden bei der Vertretung von Mandanten gerät Deeg Ende der 1950er Jahre in einem Bericht des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL in die Schlagzeilen.5
(KU)


  1. Der Reichssender Frankfurt entstand 1934 durch Umbenennung der früheren regionalen Rundfunk-Sendeanstalt Südwestdeutsche Rundfunkdienst AG (kurz: SÜWRAG). Sein Programm wurde nach der Vereinnahmung und „Gleichschaltung“ durch die Nationalsozialisten vollständig den Propagandainteressen des Regimes angepasst.
  2. Das Quellenverzeichnis umfasst in der im Stürmer-Verlag erschienenen Auflage von 1939 insgesamt 43 Seiten.
  3. Das Wort „Hofjude“ (oder: Hoffaktor) findet sich seit Ausgang des Mittelalters als Bezeichnung für besondere Vorrechte genießende Personen jüdischen Glaubens, die den Fürsten als Finanzberater („Kommerzienräte“), kaufmännische Bedienstete, Steuerpächter, Bankiers, Juweliere, Münzmeister und Heereslieferanten dienten. Sie spielten besonders im 17. und 18. Jahrhundert eine wichtige Rolle für die Finanzorganisation der Herrschaftsträger.
  4. Vgl. DER SPIEGEL 37/1948, 11.9.1948.
  5. Vgl. DER SPIEGEL 25/1959, 17.6.1959, S. 23-25.
Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Lesung aus dem antisemitischen Buch „Hofjuden“ im Reichssender Frankfurt, 9. Januar 1939“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/2578> (Stand: 13.10.2020)
Ereignisse im Dezember 1938 | Januar 1939 | Februar 1939
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