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Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks 1939/40 in Offenbach, 13. Oktober 1939

In Offenbach am Main eröffnet Reichsstatthalter Jakob Sprenger (1884–1945) das Kriegswinterhilfswerk 1939/40 für den Gau Hessen-Nassau. Damit findet das seit Jahren bekannte „Winterhilfswerk des deutschen Volkes“ (kurz: „Winterhilfswerk“ oder WHW) der NS-Volkswohlfahrt (NSV) unter verändertem Namen auch nach Kriegsausbruch eine Fortsetzung.
Die Sammelaktion, die 1933 vom Propagandaministerium initiiert und als Stiftung des öffentlichen Rechts institutionell verankert wurde, dient der Beschaffung von Sach- und Geldspenden, mit denen die öffentliche Hand bedürftige Bevölkerungskreise unterstützt. Zu diesem Zweck sammeln seit dem Winterhalbjahr 1933/34 jährlich mehr als eine Million ehrenamtliche Helfer Kleiderspenden, Nahrungsmittel und Spendengelder. Weitere Einnahmen erhält das Winterhilfswerk unter anderem durch die Organisation von Sport- und Kulturveranstaltungen und den Verkauf von Briefmarken. Haupteinnahmequellen des Winterhilfswerks sind Spenden von Organisationen, Verbänden und Wirtschaftsunternehmen; an zweiter Stelle rangieren die Sachspenden, die zum Beispiel als sogenannte „Pfundspenden“ (in Tüten verpackte Naturalspenden von haltbaren Nahrungsmitteln), aber auch in Form von Möbeln, Büchern, etc. gesammelt werden. Einen weiteren bedeutenden Posten in der Einnahmenbilanz des Winterhilfswerks bildet das „Opfer von Lohn und Gehalt“: ein nicht-freiwilliger monatlicher Gehaltsabzug, der für die Dauer des Winterhalbjahres vom Lohn der Arbeitnehmer einbehalten wird (ab Herbst 1936 ein Betrag von einheitlich zehn Prozent des Lohnsteuerabzugs).

Hilfsbedürftige Personen können in den Bezirksstellen des Winterhilfswerkes auf Antrag Gutscheine erhalten, die zum kostenfreien Bezug von Sach- und Naturalabgaben berechtigen, so zum Beispiel Kohlen und Kartoffeln zur Einkellerung und Vorratshaltung. Eine Auszahlung von Geldmitteln erfolgt dabei jedoch nicht. Andere Empfänger der vom WHW gesammelten Mittel sind zum Beispiel der „Reichsmütterdienst“ des Deutschen Frauenwerks (DFW), das „Hilfswerk Mutter und Kind“, das Tuberkulosehilfswerk, die (in den deutschen Schulen bereits seit 1929 obligatorische) Schulzahnpflege und das Deutsche Rote Kreuz. Die diesjährige Sammelaktion erbringt reichsweit Geld- und Sachmittel im Gesamtwert von 680,1 Millionen Reichsmark.

Ideologisch instrumentalisiert, gilt das WHW in der NS-Propaganda als „blutmäßig“ begründeter Ausdruck „nationaler Solidarität des deutschen Volkes“. Anfangs, bis 1936, entsprach die Sammelaktion jedoch nicht bis in die letzte Konsequenz der erklärten Zielsetzung der NS-Volkswohlfahrt, eine ausschließlich „nationalsozialistisch rassisch-erbbiologische Volkspflege“ zu betreiben, da bis zu diesem Zeitpunkt auch hilfsbedürftige jüdische Mitbürger von den Leistungen profitieren konnten. Seit 1936 besitzen allerdings die im NS-Jargon sogenannten Jüdischen Mischlinge und Familien aus Mischehen deren Haushaltungsvorstand „deutschblütig“ ist weiterhin das Recht, am Spendenaufkommen des Winterhilfswerks zu partizipieren.
(KU)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Eröffnung des Kriegswinterhilfswerks 1939/40 in Offenbach, 13. Oktober 1939“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/809> (Stand: 26.11.2022)
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