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Verhaftung von Kommunisten unter dem Vorwurf der Industriespionage für die Sowjetunion, 22. März 1931

Der deutsche Kommunist und Funktionär der Roten Gewerkschafts-Internationale Karl Dienstbach (1900–1977), ein früherer Mitarbeiter im Werk Frankfurt-Höchst der I.G.Farbenindustrie, wird zusammen mit dem früheren Siemens-Betriebsratsvorsitzenden, Reichsleiter der Erwerbslosenbewegung und Leiter der Industriegruppe Fabrikarbeiter beim ZK, Erich Steffen (1895–1937) in Ludwigshafen unter dem Verdacht der Industriespionage verhaftet. Beide Männer sind Mitglieder der seit 1928/29 aktiven Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO), einer KPD-nahen Gewerkschaftsorganisation. Die Verhaftung erfolgt anlässlich eines verabredeten Zusammentreffens von Dienstbach und Steffen mit dem früheren Werkschreiber der I.G. Farbenindustrie in Ludwigshafen, Hans Schmid, der sich bereits in Polizeigewahrsam befindet.

Werksspionage über die kommunistischen Betriebsorganisationen

Hausdurchsuchungen bei den drei verhafteten Männern fördern umfangreiches Belastungsmaterial zutage. Die vorgefundenen Schriftwechsel und andere Beweisstücke werden von den Behörden als Beleg dafür angesehen, dass Schmid in größerem Umfang Betriebsgeheimnisse an Dienstbach und Steffen weitergegeben hat. Darüber hinaus erbringt die Beweisaufnahme, dass bereits seit mehreren Jahren in Berlin eine Zentrale für Werksspionage existiert, von der aus kommunistische Bezirksorgaisationen Weisung erhalten haben, Betriebsgeheimnisse von Mitarbeitern deutscher Industrieunternehmen zu erhalten. Dabei wird vermutet, dass die beiden RGO-Aktivisten als Mitglieder einer über ganz Deutschland verteilten Spionageorganisation anzusehen sind, die systematische Wirtschaftsspionage für die Sowjetunion betreibt. Am 15. April 1931 wird bei der I. Strafkammer am Landgericht Frankenthal der Prozeß gegen Dienstbach und Steffen wegen Wirtschaftsspionage bei den I.G. Farben-Werken in Ludwigshafen verhandelt. Beide Beschuldigte sowie ein Mitangeklagter werden zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Dienstbach gelingt noch vor Antritt seiner Haftstrafe 1932 die Emigration in die Sowjetunion. Während des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) kämpft er auf Seiten der demokratisch gewählten Volksfrontregierung der Zweiten Spanischen Republik in den Internationalen Brigaden. Nach Ende des Spanischen Bürgerkriegs kehrt er in die Sowjetunion zurück und arbeitet nach dem deutschen Überfall 1941 unter anderem für das Nationalkomitee Freies Deutschland (NKFD), einer Organisation kriegsgefangener deutscher Soldaten und kommunistischen deutschen Emigranten in der UdSSR, im Kriegsgefangenenlager Nr. 68 in Tscheljabinsk als Politinstrukteur. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird Dienstbach ab 1947 zunächst als Vorsitzender der Gewerkschaft im Stadtbezirk Berlin-Mitte tätig. Später tritt er in die Deutsche Volkspolizei ein und steigt in eine leitende Funktion bei der Kriminalpolizei der DDR auf.
(KU)

Belege
  • Sozialdemokratischer Pressedienst, Ausgabe vom 14. April 1931, online abrufbar in der Digitalen Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung unter der Adresse URL: http://library.fes.de/spdpdalt/19310414.pdf (eingesehen am 11.04.2015)
  • DNB Lüders, Horst: Die Freimaurer, der kommunistische Aufstand findet nicht statt, wie deutsch ist die deutsche Sozialdemokratie (Vaterländische Schriften Bd. 1/3) [Elektronische Ressource; Titel aus interner Quelle], Mannheim 2004, S. 148
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Verhaftung von Kommunisten unter dem Vorwurf der Industriespionage für die Sowjetunion, 22. März 1931“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/5225> (Stand: 22.3.2023)
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