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Hessische Biografie

Portrait

Friedrich Wilhelm Landgraf von Hessen
(1820–1884)

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Hessen, Friedrich Wilhelm Landgraf von [ID = 6354]

* 26.11.1820 Kassel, † 14.10.1884 Frankfurt am Main, evangelisch
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • Chef der kurfürstlichen Linie des Hauses Hessen
Familie

Vater:

Hessen-Kassel, Wilhelm Landgraf von, * Biebrich am Rhein 24.12.1787, † Kopenhagen 5.9.1867

Mutter:

Dänemark, Louise Charlotte Prinzessin von, * Kopenhagen 30.10.1789, † Kopenhagen 28.3.1864, Heirat Kopenhagen 10.11.1810, Tochter des Friedrich Erbprinz von Dänemark, GND, 1753–1805, und der Sophie Prinzessin von Mecklenburg-Schwerin, 1758–1794

Partner:

  • Rußland, Alexandra Prinzessin von, 1825–1844, Heirat St. Petersburg 28.1.1844, Tochter des Zar Nikolaus I. von Rußland und der Charlotte Prinzessin von Preußen
  • Preußen, Anna Prinzessin von, 1836–1918, Heirat Charlottenburg 26.5.1853

Verwandte:

Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Карл Штейбен, FridrichGessenKassel, als gemeinfrei gekennzeichnet, Details auf Wikimedia Commons (beschnitten)

Leben

Friedrich Wilhelm (genannt Fritz) war der einzige Sohn Landgraf Wilhelms. Da der Kurprinz, sein Vetter, 1831 eine Bürgerliche geheiratet hatte, waren dessen Kinder nach den Hausgesetzen von der Erbfolge ausgeschlossen. Damit wurde Friedrich Wilhelm (nach seinem Vater) präsumptiver Thronfolger. Das verstärkte die bereits seit Großvater Friedrich bestehenden Spannungen zwischen dem Kurfürsten und der landgräflichen Familie. Friedrich Wilhelm wuchs mit seinen Schwestern am Königshof in Kopenhagen auf und trat mit 17 Jahren in das dänische Regiment seines Vaters ein. Nach der militärischen Ausbildung studierte er in Bonn und ging dann auf die übliche Bildungsreise. Er besuchte Konstantinopel sowie die Höfe in Neapel und Wien. Beim Besuch der Zarenfamilie in St. Petersburg verliebte er sich in Großfürstin Alexandra, die jüngste Tochter Kaiser Nikolaus´ I., die er 1844 heiratete. Doch die an Tuberkulose erkrankte 19jährige Braut starb wenige Monate später, noch in Zarskoje Selo, nach der Frühgeburt eines Sohnes, der ebenfalls nicht überlebte.

Über seine Mutter besaß Friedrich Wilhelm auch Ansprüche auf den dänischen Thron, verzichtete jedoch in Hinblick auf die erwartete Thronfolge in Hessen im Londoner Protokoll von 1852 auf sein dänisches Erbrecht zu Gunsten seiner Schwester Louise. Die hessische Thronfrage spielte auch bei Friedrich Wilhelms zweiter Ehe mit Prinzessin Anna, einer Nichte des preußischen Königs, eine Rolle. Die dynastische Verbindung bot indes keine Sicherheit vor den nationalen Interessen und den Expansionsbestrebungen Preußens, die Friedrich Wilhelm 1864 wie 1866 zwischen die Fronten geraten ließen. Vor Ausbruch des Deutsch-Dänischen Krieges verließ die Familie Dänemark und zog nach Baden-Baden. Als zwei Jahre später der Preußisch-Österreichische Krieg drohte, bot Bismarck Friedrich Wilhelm die Regentschaft in Kurhessen an, falls er sich gegen den Kurfürsten für Preußen entscheide. Der Prinz lehnte jedoch ab und versicherte den Kurfürsten seiner Loyalität, woraufhin der erfreute Vetter ihm das Oberkommando über die kurhessischen Truppen übertrug. Als Friedrich Wilhelm aber den kurhessischen Haus- und Staatsschatz vor dem preußischen Zugriff nach Rumpenheim in Sicherheit bringen wollte, erwachte das alte Misstrauen, und das Kommando wurde ihm wieder entzogen.

Kurhessen wurde preußisch, und Kurfürst Friedrich Wilhelm ging ins Exil. Nach dem Tod seines Vaters 1867 trat Landgraf Friedrich Wilhelm zunächst das Erbe des Hessenstein´schen Fideikommisses an und bezog mit seiner Familie Schloss Panker in Holstein. 1873 verzichtete er auf seine kurhessischen Thronrechte. Als Ergebnis der Entschädigungsverhandlungen mit der Krone Preußen, die sich bis 1878 hinzogen, erhielt der Landgraf die Schlösser Fulda, Fasanerie und Philippsruhe sowie aus dem kurhessischen Hausvermögen eine jährliche Rente von 600.000 Mark. Alles zusammen überführte er in eine Fideikommissstiftung. Friedrich Wilhelm, dem nach dem Tod des Kurfürsten 1875 vom Kaiser das erbliche Prädikat „Königliche Hoheit“ verliehen wurde, zog sich ins Privatleben zurück. Er ließ Schloss Philippsruhe renovieren und umbauen, womit es Rumpenheim als landgräflicher Hauptwohnsitz ablöste.

Während die Vorlieben ihres Mannes der Jagd und der Pferdezucht galten, widmete Landgräfin Anna ihr Leben der Musik. Zu ihrem Freundeskreis zählten Anton Rubinstein, Clara Schumann und Johannes Brahms, der ihr sein Klavierquinett Nr. 34a in F-moll widmete. Nach dem Tod ihres Mannes 1884 lebte sie im Winter in ihrer Frankfurter Stadtresidenz, im Sommer auf Schloss Fasanerie. 1901 konvertierte sie zum katholischen Glauben. Als der im Stillen vollzogene Übertritt der 65jährigen durch eine Indiskretion bekannt wurde, verfügte ihr Neffe, Kaiser Wilhelm II., dass mit der Renegatin von meinem Haus niemand mehr Verkehr haben dürfe, söhnte sich jedoch 1918 mit der Sterbenden aus. Sie wurde als einzige Frau im Fuldaer Dom beigesetzt.

Christine Klössel/Rainer v. Hessen

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 172 f.)

Zitierweise
„Hessen, Friedrich Wilhelm Landgraf von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1031962115> (Stand: 25.3.2024)