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Hessische Biografie

Portrait

Karl Burghof
(1896–1972)

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GND-Nummer

122065714X

Burghof, Karl [ID = 15328]

* 24.7.1896 Koblenz, † 27.5.1972 Kellenbach (Kreis Bad Kreuznach), evangelisch
Dr. rer. pol. – Landrat
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • Besuch des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums in Koblenz
  • 20.8.1914-1.10.1915 Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, kriegsversehrt
  • Studium der Fächer Deutsch, Geschichte und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin und Bonn
  • 19.12.1925 Promotion zum Dr. rer. pol. an der Universität Bonn
  • Tätigkeit bei der Stadtverwaltung Bad Godesberg und dem Landratsamt sowie dem Kreisausschuss des Kreises Bonn
  • 20.8.1927 Bürgermeister von St. Goar
  • 24.5.1932 Eintritt in die NSDAP, Mitgliedsnr. 1.221.749
  • 1.9.1932-10.4.1936 Kreisparteirichter der NSDAP
  • 1932 Kreisredner Ortsgruppenführer, Kreisschulungsleiter
  • 1.1.1933-1.11.1934 Kreiskommunalfachberater
  • 18.7.1933 stellvertretender Kreisverwalter des Restkreises St. Wendel in Baumholder
  • 9.12.1933 kommissarische Verwaltung des Landratsamtes des Kreises St. Wendel, 1.4.1934 definitive Anstellung als Landrat
  • 1.7.1937 durch Eingliederung des Kreises St. Wendel in den neuen Landkreis Birkenfeld Verlust der Dienststellung
  • 27.9.1937 kommissarische Verwaltung des Landratsamtes des Kreises Biedenkopf, 14.4.1938 definitive Anstellung als Landrat, bis 31.3.1945 im Amt

Funktion:

  • Biedenkopf, Landkreis, Landrat, 1938-1945

Werke:

  • Boden, Wohnung und Rente in Koblenz in den Jahren (Diss. rer. pol. 1925)
Familie

Vater:

Burghof, Karl, katholisch, Hilfstelegrafist, später Eisenbahnobersekretär

Mutter:

Christmann, Elisabeth

Partner:

  • Weber, Berta* Wilhelmine Klementine, * Hagenow 27.6.1893, Heirat Godesberg 27.2.1923, Tochter des N.N. Weber, Apothekenbesitzer, und der Luise Schneider
Nachweise

Quellen:

Literatur:

Leben

Dieses biografische Bild beruht im Wesentlichen auf dem Erkenntnisstand der im Juni 2022 publizierten Studie „Das Führungspersonal der Landratsämter Marburg und Biedenkopf in der NS-Zeit“1 und setzt sich mit Burghofs Rolle als Landrat des Kreises Biedenkopf im Nationalsozialismus auseinander.

Karl Burghof, geboren am 24. Juli 1896 in Koblenz, als Sohn eines Eisenbahnobersekretärs, meldete sich nach dem Abitur im August 1914 als Kriegsfreiwilliger. Beim Sturm auf Langemarck nördlich von Ypern am 21. Oktober 1914 wurde er schwer verwundet und schied als Kriegsversehrter zum 1. Oktober 1915 aus dem Heeresdienst aus. Ein anschließendes Studium der Fächer Deutsch, Geschichte und Staatswissenschaften an den Universitäten Berlin und Bonn schloss er 1925 mit einer Promotion ab, die ihm den Titel „Doktor der Staatswissenschaften“ einbrachte. Während des Studiums vermählte sich Burghof am 27. Februar 1923 mit Berta Weber, der Tochter eines Apothekers. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor.

Nach dem Studium absolvierte Burghof eine praktische Ausbildung im öffentlichen Verwaltungsdienst bei der Stadtverwaltung Bad Godesberg und war anschließend für das Landratsamt des Kreises Bonn sowie dessen Kreisausschuss tätig. Ab August 1927 war er Bürgermeister von St. Goar. Noch vor der nationalsozialistischen Machtübernahme, am 1. August 1932, trat Burghof der NSDAP bei (Mitglieds-Nr. 1.221.794), in welcher er in den folgenden Jahren eine Reihe von Parteiämtern bekleiden sollte.2

Die Nähe zum Nationalsozialismus wirkte sich positiv auf seine weitere berufliche Karriere aus: Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde Burghof im Juli 1933 Landrat des Restkreises Sankt-Wendel-Baumholder. Auf parteilicher Seite übte er währenddessen die Funktionen eines Kreiskommunalfachberaters und Kreisparteirichters aus.3 Als der Restkreis Sankt-Wendel-Baumholder zum 1. April 1937 aufgelöst und in den neu gebildeten Landkreis Birkenfeld eingegliedert wurde, fand er eine Wiederverwendung als Landrat des Kreises Biedenkopf. Auf parteilicher Seite fungierte er zusätzlich zwischen 1938 und 1940 als Kreisschulungsleiter sowie ab 1942 als Kreisamtsleiter. Im Hinblick auf sein Verhältnis zum Nationalsozialismus ist weiter herauszustellen, dass Burghof im Jahr 1939 mit seiner Familie aus der evangelischen Kirche austrat. Ein Nachkriegsbürgermeister von Biedenkopf charakterisierte ihn später als einen Hauptnationalsozialisten, der des Öfteren propagandistisch hervorgetreten sei und rund um die Aufstellung und Ausbildung des Volkssturms große Brandreden gehalten habe, in denen er den Nationalsozialismus verherrlichte.4

Bei seiner Amtseinführung am 20. Oktober 1937 machte Burghof deutlich, dass er sich als ein genuin nationalsozialistischer Landrat verstand, indem er erklärte, daß ihm in seiner Arbeit stets das Programm Adolf Hitlers grundlegend sein werde.5 Wie aus den überlieferten Dokumenten zu seiner Amtszeit hervorgeht, beteiligte sich Burghof in einem hohen Maße an der Umsetzung der nationalsozialistischen Unrechts-, Repressions- und Gewaltpolitik.6 Als das Amtsgericht Biedenkopf im Januar 1940 zwei Arbeiter aus Biedenkopf wegen der Sabotage eines Walzwerks zu kurzen Gefängnisstrafen verurteilte, intervenierte Burghof bei der Gestapo: Ich halte die Strafe für ausserordentlich gering, im Verhältnis zu den Folgen, die hätten entstehen können, und bitte staatspolizeiliche Massnahmen anzuordnen. […] Vor allem scheint mir nicht geprüft, ob nicht doch politische Gründe hinter der Tat stehen.7

Im „Kirchenkampf“ vertrat Burghof eine scharfe Linie. So setzten er und seine Mitarbeiter sich im Falle eines zur Bekennenden Kirche gehörenden Lehrers beim Regierungspräsidenten dafür ein, den Betroffenen aus dem Kreise Biedenkopf verschwinden zu lassen und ihn in eine Gegend zu versetzen, die entweder eine katholische Bevölkerung aufweist oder eine evangelische, die durch Einflüsse der Bekenntnisfront unverdorben ist.8 In einem anderen Fall plädierte Burghof anlässlich des Auftritts eines Evangelisten in Breidenstein dafür, derartige Veranstaltungen nicht mehr zu dulden, da sie eine politische Frontstellung gegenüber dem Nationalsozialismus darstellen und die innere Bereitschaft zerstören für den nationalsozialistischen Staat und die NSDAP sich einzusetzen.9

Nicht nur wirkten Burghof und seine Mitarbeiter an KZ-Überführungen von sogenannten Asozialen mit, sondern vielmehr sorgten sie auch dafür, dass die KZ-Haft der Betroffenen mehrmals verlängert wurden. So plädierte Burghof beispielsweise im Februar 1939 dafür, die Schutzhaft auf unbestimmte Zeit zu verlängern, da Einstellung und Lebenswandel erkennen ließen, dass der Betroffene ein charakterloser und haltloser Mensch sei, der in einer leichtgläubigen und politisch nicht gefestigten Umgebung Unheil stiften kann.10 Im Falle einer anderen Person intervenierte Burghof im Juli 1940 etwa bei der Kripostelle Frankfurt am Main mit der Bitte, unter allen Umständen für die Unterbringung in ein KZ-Lager einzutreten.11

Herauszustellen ist weiter, dass Burghof einen scharfen Antisemitismus vertrat, wie sein Agieren im Falle des Judenpogroms von Buchenau verdeutlicht.12 Dort war es Anfang September 1939 zu einem schweren Übergriff auf die Geschwister Isenberg gekommen. Die Pogromtäter versuchte der Landrat gegen Ermittlungen des Marburger Oberstaatsanwalts zu schützen, indem er eine perfide Täter-Opfer-Umkehr betrieb. Die Gemeinde Buchenau, so argumentierte Burghof, habe sich einem Zustand befunden, den man am besten als Volksnotwehr bezeichnet. Er wisse zwar, dass der Begriff der Volksnotwehr strafrechtlich nicht besteht, aber dieser müsse in solchen Fällen zur Anwendung und Anerkennung kommen, wo entgegen dem scheinbaren Tatbestand des Verbrechens festgestellt wird, dass die Täter keinerlei persönliche Vorteile gesucht haben, sondern als die Vollstrecker eines allgemeinen Volkswillens gegenüber einem feindlichen Individuum oder einer feindlichen Macht anzusehen sind.13

Neben einem scharfen Antisemitismus lässt sich auch ein ausgeprägter Antiziganismus nachweisen. In der Figur des „Zigeuners“ vermischte sich für Burghof das Feindbild des „Artfremden“ mit dem des „Asozialen“, wie der Fall der in das „Zigeunerlager“ in Frankfurt am Main überführten Familie Freiwald verdeutlicht. So waren für den Landrat die Kinder zweifelsohne erblich in asozialer Hinsicht vorbelastet. Wie weit die „deutschblütige“ Mutter es unter dem Einfluss ihrer Ehe an Erziehung habe fehlen lassen, sei zwar schwer zu beurteilen, aber im Ergebnis hat sie als Mutter in der Erziehung ihrer Kinder zweifellos ebenfalls versagt. Gegen ihre Rückkehr sei im Interesse der Eltern nichts einzuwenden. Die Rückkehr des Ehemannes und der Kinder müsse jedoch abgelehnt werden, da es sich um asoziale Elemente handle.14

Während im Falle der Deportation der kreisansässigen jüdischen Bevölkerung keinerlei Dokumente überliefert sind, liegt im Falle des Abtransports der Sinti unter anderem ein Schreiben des Landrats an die Kripostelle Frankfurt am Main vom 15. März 1943 vor. Darin vermeldete Burghof: Die Zigeunerfamilie Bäcker aus Biedenkopf wurde am 8.3.1943 nach Frankfurt/Main zum Weitertransport in das Konzentrationslager Auschwitz gebracht.15

Als Ende März 1945 amerikanische Truppen heranrückten, floh Burghof aus Biedenkopf nach Vornhagen bei Stadthagen im Kreis Schaumburg-Lippe. Seine Verhaftung erfolgte am 24. Juni 1945. Er blieb bis zum 21. Februar 1948 in der britischen Besatzungszone interniert. Wegen der dortigen Entnazifizierungspraxis musste sich Burghof zunächst strafrechtlich vor dem Spruchgericht in Bielefeld verantworten, das ihn im April 1948 zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren verurteilte, die aufgrund seiner Internierungshaft bereits als verbüßt galt.16 Einem anschließenden Revisionsversuch von Seiten Burghofs war partieller Erfolg beschieden.17 Seine politische Überprüfung erfolgte vor dem Entnazifizierungshauptausschuss Hannover, der ihn in die Belastungskategorie III („Minderbelasteter“) einstufte.18 Einen anschließenden Revisionsversuch wies der zuständige Berufungsausschuss zurück.19

Burghof ließ sich in St. Goar nieder, wo er in den 1950er und 1960er Jahren mit seiner neuen Lebensgefährtin ein Hotel betrieb.20 Er verstarb am 27. Mai 1972 in Kellenbach im Landkreis Bad Kreuznach.

Marcel Spannenberger


  1. Marcel Spannenberger, Das Führungspersonal der Landratsämter Marburg und Biedenkopf in der NS-Zeit, Marburg 2022.
  2. BArch [Bundesarchiv] Berlin R 9361-VIII KARTEI / 4751032; R 9361-IX KARTEI / 5220779.
  3. Zu Burghofs Tätigkeit als Kreisparteirichter des Kreises Baumholder siehe BArch R 9361-I / 53659.
  4. BArch Koblenz Z 42-IV/1415, Der Bürgermeister in Biedenkopf an den öffentlichen Kläger bei dem Spruchgericht in Bielefeld, 20.11.1937, Bl. 30.
  5. Regierungspräsident von Pfeffer besucht den Kreis Biedenkopf, in: Hinterländer Anzeiger, 21.10.1937.
  6. Siehe dazu Spannenberger, Führungspersonal, S. 113-138.
  7. HStAM, Best. 180 Biedenkopf, Nr. 5268, Der Landrat in Biedenkopf an die Gestapostelle Frankfurt am Main, 18.1.1940 (gez. Burghof).
  8. HHStAW, Abt. 483, Nr. 4153 b, Der Landrat in Biedenkopf an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden, 6.5.1939 (i. V. Köppe).
  9. HHStAW, Abt. 483, Nr. 4134 b, Der Landrat in Biedenkopf an den Regierungspräsidenten in Wiesbaden, 31.7.1939 (gez. Burghof).
  10. HStAM, Best. 180 Biedenkopf, Nr. 5289, Der Landrat an die Gestapostelle Frankfurt am Main, 25.1.1939 (gez. Burghof).
  11. HStAM Best. 180 Biedenkopf Nr. 5279, Der Landrat in Biedenkopf an den Leiter der Kripostelle Frankfurt am Main, 15.3.1943 (gez. Burghof).
  12. Siehe dazu auch Klaus-Peter Friedrich, Die Geschwister Isenberg, Opfer des Judenpogroms in Buchenau im September 1939, in: Ders. (Hrsg.), Von der Ausgrenzung zur Deportation in Marburg und im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Neue Beiträge zur Verfolgung und Ermordung von Juden und Sinti im Nationalsozialismus, S. 353-360.
  13. HStAM, Best. 180 Biedenkopf, Nr. 5645, Der Landrat in Biedenkopf an den Oberstaatsanwalt in Marburg, 14.2.1940 (gez. Burghof), Bl. 48-53.
  14. HStAM, Best. 180 Biedenkopf, Nr. 5338, Der Landrat in Biedenkopf an die Kripostelle Frankfurt am Main, 12.4.1944 (gez. Burghof).
  15. Ebd., Der Landrat in Biedenkopf an den Leiter der Kripostelle Frankfurt am Main, 15.3.1943 (gez. Burghof).
  16. BArch Koblenz Z 42-IV/1415, Urteil der achten Spruchkammer des Spruchgerichts in Bielefeld, 19.4.1948, Bl. 52.
  17. Ebd., Urteil des Obersten Spruchgerichtshofes in Hamm im Verfahren gegen Karl Burghof, 17.12.1948, Bl. 68 f.
  18. HHStAW, Abt. 650 B Nr. 10807, Entscheidung des Entnazifizierungsausschusses in Hannover im Verfahren gegen Karl Burghof, 15.5.1949, Bl. 72 f.
  19. Ebd., Entscheidung des Berufungsausschusses im Regierungsbezirk Hannover – Spruchausschuss in Hannover im Verfahren gegen Karl Burghof, 6.12.1950, Bl. 74.
  20. Vgl. Klaus-Peter Friedrich, Zur Einführung, in: Ders. (Hrsg.), Von der Ausgrenzung zur Deportation in Marburg und im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Neue Beiträge zur Verfolgung und Ermordung von Juden und Sinti im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch, Marburg 2017, S. 8.
Zitierweise
„Burghof, Karl“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/122065714X> (Stand: 28.11.2023)