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Hessische Biografie

Portrait

Charlotte Kurfürstin von der Pfalz
(1627–1686)

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Pfalz, Charlotte Kurfürstin von der [ID = 13611]

* 20.11.1627 Kassel, † 16.3.1686 Heidelberg, evangelisch-reformiert
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Andere Namen

Geburtsname:

Hessen-Kassel, Charlotte Landgräfin von

Familie

Vater:

Hessen-Kassel, Wilhelm V. Landgraf von, * Kassel 13.2.1602, † Leer (Ostfriesland) 21.9.1637

Mutter:

Hanau-Münzenberg, Amalie Elisabeth Gräfin von, * Hanau 29.1.1602, † Kassel 8.8.1651

Partner:

  • Pfalz, Karl I. Ludwig Kurfürst von der, * Heidelberg 12.12.1617, † Edingen bei Heidelberg 28.8.1680, Heirat Kassel 12.2.1650, Sohn von Pfalzgraf und Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz (1596-1632) und 1619-1620 König Friedrich I. von Böhmen, der sogenannte Winterkönig, und Elisabeth Stuart Prinzessin von Großbritannien (1596-1662)

Verwandte:

Nachweise

Literatur:

  • Franz, Das Haus Hessen. Ein biographisches Lexikon, Darmstadt 2012, Nr. HK 22, S. 103 f. (Holger Th. Gräf)
  • Hannelore Helfer, „kein wurm so sich nit krömt als man in tritt“. Das Leben der Charlotte von Hessen-Kassel, Kurfürstin von der Pfalz (1627–1686), Ubstadt-Weiher 2021

Bildquelle:

Kurfürstin Charlotte von der Pfalz, Ölbild, Kurpfälzisches Museum Heidelberg G 1156, in: Franz, Das Haus Hessen, Darmstadt 2012, S. 103

Leben

Auch die Kindheit Charlottes war wie die der Geschwister von den Kriegsereignissen überschattet. Erst 1640 konnten die Kinder mit der Mutter Amalie Elisabeth (1602–1651), die inzwischen Regentin für den minderjährigen Bruder Wilhelm VI. (1629–1663) war, auf Dauer nach Kassel zurückkehren. Davor lebte die Familie zumeist im Exil in den Niederlanden und nur phasenweise in Hessen. Nach den Ehen der älteren Schwester Emilie (1626–1693) mit dem Spross einer bedeutenden hochadeligen französischen Hugenottenfamilie 1648 und des Bruders Wilhelm mit der Kurprinzessin von Brandenburg im Folgejahr war die Hochzeit Charlottes mit dem Pfälzer Kurfürsten Karl Ludwig (1617–1680) die dritte und letzte der von Amalie Elisabeth arrangierten Ehen, die ihre Familie noch fester in das europäische Netzwerk der reformierten Dynastien einbinden sollten. Es war demnach kaum eine Liebesheirat und vom Bräutigam eher als Zeichen der Dankbarkeit gegenüber der Brautmutter gedacht, die sich stets für seine Ansprüche auf territoriale Restitution und auf die pfälzische Kurwürde eingesetzt hatte.

Zumindest anfangs war der heißblütige Karl Ludwig dem Anschein nach gleichwohl für die schon als Kind als äußerst eigensinnig geltende Charlotte entflammt. Doch nach der Geburt des Erben Karl (1651–1685), der Tochter Elisabeth Charlotte, später verheiratete Herzogin von Orléans (1652–1722), der bekannten „Chronistin“ des ludovizianischen Hofes in Versailles, und des nach nur einem Tag verstorbenen Friedrich (1653) lebten sich die Ehepartner immer mehr auseinander. Dazu kam die an Geiz grenzende Sparsamkeit des Kurfürsten, die sich nicht mit dem Anspruch Charlottes vertrug, einen aufwendigen Hof zu führen. Als Karl Ludwig eine Liaison mit Louise von Degenfeld (1634–1677), der Hofdame und Vertrauten seiner Frau, einging, brach ein Ehekonflikt aus, der sich bis zu Handgreiflichkeiten in Gegenwart fürstlicher Gäste steigerte. Karl Ludwig ließ sich schließlich 1657 kraft seiner weltlichen und geistlichen Gerichtshoheit scheiden, unter anderem unter Berufung auf die „Doppelehe“ Landgraf Philipps, und heiratete im nächsten Jahr seine Geliebte.

Dass Charlotte ihre Zustimmung verweigerte, hat die Lage weiter verschärft und zur Verschlechterung der Beziehungen zwischen Hessen-Kassel und Kurbrandenburg einerseits sowie der Kurpfalz andererseits geführt. Insbesondere Charlottes Schwägerin Hedwig Sophie (1623–1683) lehnte die Scheidung als eine Beleidigung für das Gesamthaus Hessen kategorisch ab. Dahinter stand natürlich auch der noch nicht gänzlich entschiedene Konkurrenzkampf zwischen Brandenburg und der Pfalz um die Führung der Reformierten im Reich, wie im Corpus Evangelicorum überhaupt. Der schwächliche Pfälzer Kurprinz Karl wurde früh dem Einfluss Charlottes entzogen, und die siebenjährige Tochter Elisabeth Charlotte kam 1659 zur Erziehung an den Hof ihrer Tante Sophie nach Hannover. Mutter und Tochter haben sich wahrscheinlich nur noch einmal, zwischen 1681 und 1683, wiedergesehen. Charlotte hatte Heidelberg 1662 verlassen und war für die nächsten Jahrzehnte nach Kassel zurückgekehrt. In ihrer Begleitung befand sich auch ihre hochgebildete pfälzische Schwägerin Elisabeth (1618–1680), die ab 1651 in Heidelberg an der Erziehung ihres Neffen und insbesondere der Nichte Liselotte mitgewirkt hatte und 1667 Äbtissin des Stifts Herford wurde. Der 1671 gefeierten Hochzeit des Sohnes Karl mit der dänischen Prinzessin Wilhelmine (1650–1706), deren Bruder König Christian V. vier Jahre zuvor Karls hessische Cousine Charlotte Amalie geehelicht hatte, blieb die Mutter fern. Als Karls Ehe nach sechs Jahren immer noch kinderlos blieb, drängte Kurfürst Karl Ludwig auf eine Scheidung, was aber an Charlottes Einspruch scheiterte. Nach Karl Ludwigs Tod beglich der Sohn die mütterlichen Schulden in Kassel und bat sie, nach Heidelberg zurückzukommen. Charlotte kam dem Wunsch nach und musste noch Karls Tod im Jahre 1685 erleben.

Holger Th. Gräf

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 103 f.)

Zitierweise
„Pfalz, Charlotte Kurfürstin von der“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/117722944> (Stand: 25.3.2024)