Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Regierungspräsident Dr. Wilhelm von Meister

Bericht des Wiesbadener Regierungspräsidenten über die Stimmung in der Bevölkerung, 23. April 1917

In seinem vierteljährlichen Zeitungsbericht an den Kaiser beschreibt der Regierungspräsident in Wiesbaden, Wilhelm von Meister (1886–1935), die Stimmung in der Bevölkerung nach mehr als zweieinhalb Jahren Krieg. Zwar seien die Stimmung ernst und die Friedenssehnsucht groß, das Vertrauen in die Oberste Heeresleitung bleibe aber unerschüttert. Besonders beklagt sei die Haltung der Jugend, die überhöhte Ansprüche stelle, der aber die militärische Vorbereitung fehle:
Die Stimmung der Bevölkerung ist ernst, die Friedenssehnsucht groß, das Vertrauen zur Heeresleitung unerschüttert. Die guten Erfolge des uneingeschränkten U-Bootkrieges haben – nach der in Handels- und Exportindustriekreisen mit besonderem Bedauern empfundenen Kriegserklärung der Vereinigten Staaten von Nordamerika – die Hoffnung auf den baldigen, ehrenvollen, einen vorteilhaften und dauernden Frieden verbürgenden Abschluß des Krieges von neuem gestärkt.
Über die Haltung der heranwachsenden Jugend wird geklagt, namentlich über die der Schule entwachsenen, meist einen übertrieben hohen Arbeitslohn verdienenden Großstadtkinder. Die bei Beginn des Krieges wesentlich zurückgegangene Überweisung Minderjähriger zur Fürsorgeerziehung steigert sich neuerdings erheblich. Die militärische Vorbereitung der Jugend leidet unter der verstärkten Heranziehung der Jugendlichen zu landwirtschaftlichen und Rüstungsarbeiten. Außerdem fehlt es vielfach an geeigneten Führern; größere Übungen, wie sie noch 1915 überall regelmäßig stattgefunden haben, sind selten geworden.
(OV)