Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Burgen, Schlösser, Herrenhäuser

Übersichtskarte Hessen
Messtischblatt
5021 Ziegenhain
Moderne Karten
Kartenangebot der Landesvermessung
Ortskennziffer
63402213014

Schloss Ziegenhain

215 m über NN
Gemarkung Ziegenhain, Gemeinde Schwalmstadt, Schwalm-Eder-Kreis
Basisdaten | Geschichte | Bau und Baugeschichte | Burgtyp | Nachweise | Zitierweise | Indizes

Die festungsartig ausgebaute Schlossanlage liegt im südlichen Stadtgebiet des heutigen Ziegenhain. Die erstmals 1144 urkundlich erwähnte Burg wurde von den Grafen von Ziegenhain errichtet und diente der Sicherung eines nahegelegenen Schwalmübergangs. Bei dieser Anlage handelte es sich vermutlich um einen turmburgartigen Bau, der im Hoch- und Spätmittelalter allmählich zu einem Schlossbau erweitert wurde. Dieser Schlosskomplex setzt sich in der Hauptsache aus fünf unregelmäßig um einen Innenhof gruppierten Flügeln zusammen, die noch heute existieren. Nachdem im Jahr 1450 die Grafschaft Ziegenhain an die Landgrafen von Hessen gefallen war, wurden Stadt und Schloss Ziegenhain seit 1470 sowie insbesondere zwischen 1537 und 1545 zur hessischen Landesfestung ausgebaut. Den Dreißigjährigen Krieg überstanden Festung und Schloss ohne größere Schäden. Während die Festung 1806/1807 durch französische Truppen geschleift wurde, nutzte man das Schloss weiterhin. Seit 1842 ist dort ein Gefängnis untergebracht.

Basisdaten

Weitere Namen:

  • Festung Ziegenhain

Ortstyp:

Burg; Schloss; Festung

Bezeichnung der Siedlung:

Lagebezug:

18 km südwestlich vonn Homberg (Efze) gelegen

Lage:

Die festungsartig ausgebaute frühere Burg- und spätere Schlossanlage liegt im südlichen Stadtgebiet des heutigen Ziegenhain.

Geschichte

Burggeschichte:

Als einzige hessische Festung wurde Ziegenhain nach der Gefangennahme und der Kapitulation Landgraf Philipps im Schmalkaldischen Krieg (1547) durch die Weigerung des Festungskommandanten Heinz von Lüder dem Kaiser nicht übergeben. Im Schmalkaldischen wie im Dreißigjährigen Krieg ist die Festung Ziegenhain nie erobert worden, nur die seit 1625 befestigte Vorstadt Weichaus wurde durch Truppen der Katholischen Liga 1631 eingenommen.

Ersterwähnung:

1144

Besitzgeschichte:

1144 lässt Graf Gottfried I. von Reichenbach nahe der alten Rundburg eine neue Burganlage errichten, die er zu seinem Hauptsitz macht. Diese Burg bleibt bis zu ihrem Aussterben im Besitz der Grafen von Ziegenhain. Als Erbe gelangt sie 1450 an die Landgrafen von Hessen, welche die Burg festungsartig ausbauten.

Sonstiges:

Festung Ziegenhain ist von hoher wehrbaulicher Bedeutung, weil sie ihrer Stärke weder nach dem Schmalkaldischen noch nach dem Dreißigjährigen Krieg geschleift wurde.

Die Festung ist eine rondellierte Anlage mit in Deutschland seltener regelmäßiger Gestaltung. Im Gegensatz zu ihrer militärischen Bedeutung besaß die Festung als landgräfliche Residenz einen untergeordneten Stellenwert, das Schloss war dementsprechend kaum repräsentativ, sondern insgesamt eher schlicht gehalten.

Bau und Baugeschichte

Baugeschichte:

Bereits um 900/950 erbaute angeblich ein Graf Cygin im Bereich der heutigen Festungsanlage eine ringförmige Burganlage mit bergfriedartigem Turm. Die im Renthof ergrabenen Grundmauern dieser Rundburg deuten auf eine früh- bis hochmittelalterliche Anlage, der wohl unter anderem die strategische Funktion der Sicherung des Schwalmübergangs zugekommen ist. Besagter Turm und die Rundburg wurden im Jahr 1144 durch den Bau einer neuen Burg miteinander verbunden. Unsicher bleibt jedoch, wieweit ein siedlungsmäßiger Zusammenhang mit der um 1050 genannten Siggenbrucca (Urkundenbuch Hersfeld Nr. 18) besteht, da der Flurname Seckenbrücke erheblich weiter südlich von Ziegenhain überliefert ist (1367, StAM, Urkunden H Grafschaft Ziegenhain). Nach dem Anfall der Grafschaft Ziegenhain an die Landgrafschaft Hessen im Jahr 1450 wurden Stadt und Residenzschloss in die seit 1470 durch den Festungsbaumeister Hans Jakob von Ettlingen geplante, auf Befehl von Landgraf Philipp und unter Leitung des Baumeisters Balthasar von Germersheim zwischen 1537 und 1545 errichtete Festungsanlage einbezogen und sukzessive erweitert. Dabei wurden Schloss und Stadt mit einem sechs Meter hohen Erdwall und erhöhten Rondellen an den vier Ecken umschlossen. Das vorgelagerte Glacis erhielt eine Breite von 65 m. Dadurch konnte das vor der Festung liegende Gebiet zu Verteidigungszwecken mittels Schleusen überschwemmt werden. Darüber hinaus wurden im Festungsbereich weitere Funktionsbauten errichtet, so etwa das Zeughaus, ein Brauhaus, Kasernen, eine Rossmühle, das Archiv und zwei Fruchthäuser.

Durch den Bau von vier Ravelins wurde die Festung 1622/1623 zusätzlich verstärkt. Bis Ende 18. Jahrhundert war die Stadt bzw. Festung nur durch ein Tor im Nordosten (Philippstor) zugänglich, das zugleich die Verbindung zur Vorstadt Weichaus herstellte. Diese zunächst unbefestigte Vorstadt erhielt seit 1625 einen Wall, Graben und zwei Bollwerke. Im Siebenjährigen Krieg wurde die Festung 1758 an die Franzosen übergeben. 1761 beschossen hessischen Truppen die Festung, wobei 47 Häuser sowie die Tuchmanufaktur teilweise stark beschädigt wurden. Im Jahr 1769 errichtete man einen Paradeplatz und sie sog. Neue Wache. Zwischen 1776 und 1783 sammelten sich auf dem Paradeplatz die hessen-kasselschen Subsidientruppen, die für den britischen König im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpften. In dieser Zeit wurde zudem einer neuer Festungszugang samt Brücke errichtet. Auf Veranlassung des hessischen Kurfürsten Wilhelms I. übergab man die Festung im November 1806 den französischen Truppen, welche die Anlage auf Befehl Napoleons 1807 schleiften. Dabei wurden vor allem die Kasematten gesprengt und die Zugangstore zur Festung abgerissen. Das Schloss Ziegenhain blieb jedoch erhalten und diente ab 1842 als Gefängnis für etwa 400 Strafgefangene. Zudem beherbergte das ehemalige Festungsgelände bis 1857 das Kurhessische Staatsarchiv. 1882 wurde hier außerdem ein Gefängnis für weibliche Gefangene untergebracht. Heute befindet sich im Bereich der ehemaligen Wasserfestung Ziegenhain im Wesentliche die Justizvollzugsanstalt Schwalmstadt-Ziegenhain.

Baubeschreibung:

Das Residenzschloss setzt sich aus fünf unregelmäßig um einen Innenhof gruppierten Flügeln zusammen. Dies sind der dem Parkplatz zugewandte Südwestflügel, der daran stoßende Südostflügel als vorgelagerter Eingangsbau, der später hinzugekommene Westflügel, und schließlich das winkelförmige Herrenhaus, das sich aus dem Nordflügel sowie aus dem Ostflügel samt Schlossturm an der Außenseite zusammensetzt. Der Ostflügel und der südöstliche Eingangsflügel sind durch einen zweigeschossigen Zwischenbau miteinander verbunden. Der Nordflügel setzt sich aus zwei Teilen zusammen, einem viergeschossigen Eckbau, der an den Ostflügel anschließt und einem dreistöckigem westlichen Bauteil. Auch alle übrigen Flügel besitzen drei Geschosse. Alle Bauteile wurden in Massivbauweise errichtet und sind verputzt. Das Obergeschoss des Nordflügels besteht vermutlich aus verschiefertem Fachwerk, ebenso wie die Turmobergeschosse des Ostflügels.

In der 3. Achse des Südwestflügels von rechts befindet sich ein spitzbogiges Portal in rechteckigem Rahmen. Über dem Rahmen liegt ein tympanonartiger Bogenfeld mit dem Ziegenhainer Wappen, eingefasst von Löwe und Steinbock. Links des Portals und in der linken Fensterachse ist jeweils eine aus dem Jahr 1537 stammende Inschrifttafel, die nach Dehio den Walltoren der Festungsanlage entnommen wurde, angebracht. Bei allen Fenstern des Südwestflügels handelt es sich um gekuppelte Zwillingsfenster mit Falz und tief gekehltem Karnies.

Der Westflügel, auf einem Plan (um 1800) noch fehlt, besteht aus drei Geschossen und ist 13 Fensterachsen breit, wobei sich die Fenster der linken Achse zwischen den Geschossen befinden (Treppenhaus). Darüber hinaus verfügte der Westflügel über je drei verschieferte Zwerchhäuser auf beiden Dachseiten.

Als fürstliches Wohnhaus wurden Nord- und Ostflügel genutzt. Gemäß einem Grundriss von Wilhelm Dilich setzte sich der Nordflügel noch am Beginn des 17. Jahrhunderts im Wesentlichen aus dem urpsrünglichen, dreigeschossigen Steinhaus sowie einem in westlicher Richtung anschließenden einachsigen Anbau. Letztgenannter wurde wahrscheinlich im Verlauf des 17. Jahrhunderts auf die heutige Größe erweitert, mit einem einheitlichen Fachwerkgeschoss und jeweils drei Zwerchgiebeln aus Fachwerk auf beiden Dachseiten versehen. Jener westlich gelegenen Abschnitt des Nordflügels ist heute neun Achsen breit, das Obergeschoss ist verschiefert.

Der ostwärts gelegene Teil des Nordflügels steht an der Ostseite gegenüber dem Ostflügel etwas zurück. An seiner Nordfassade ist der nördliche Flügel drei Achsen breit und verfügt zwischen der 2. und 3. Achse von Osten über einen risalitartigen Vorbau. Die Ostseite ist zwei Achsen breit. Im mittleren sichtbaren Geschoss kragt zwischen den Fenstern ein halbkreisförmiger Erker mit zweifach abgetrepptem Sockel und Einzelfenster samt Falz und profiliertem Karnies vor. Zwischen diesem Erker und den seitlichen Fenstern befinden sich die Gewändereste von spitzbogigen Einzel- oder (links) Doppelfenstern, die wegen ihrer lanzettartigen Form dem 14. Jahrhundert zugeordnet werden können. Die gekuppelten Zwillingsfenster daneben weisen eine rechteckige Form auf und sind mit Falz und Kehle profiliert.

Der Ostflügel setzt sich aus drei Geschossen zusammen. Etwa in der Mitte steht unmittelbar vor diesem an seiner Ostseite ein runder Treppenturm aus vier massiven und zwei Fachwerkgeschossen. Die Fachwerkgeschosse weisen einen polygonalen Grundriss auf und kragen auf Voluten-Eckkonsolen leicht vor. 1954/55 durchgeführte dendrochronologische Untersuchungen der Fachwerkbauteile ergaben, dass das verwendete Bauholz nach 1655 geschlagen worden sein musste. Die ohne Waldkante durchgeführte Datierung deutet auf eine Datierung des Turmaufbaues um das Jahr 1660 hin, wofür deren gedrungene Form sprechen könnte. Die Fenster am Turm sind rechteckig und weisen keine Profilierung auf. In den Ostflügel selbst sind Kreuzstockfenster eingesetzt. Dehio zufolge ist der Ostflügel mit der Jahreszahl 1420 bezeichnet. Bei dem genannten Bauteil handelt es sich um den Fürstenflügel, der mehrere Portalgwände mit Korb- und Vorgangbogen sowie mit gestäbten Gewänden aus der Zeit um 1540 enthält. Alle drei Geschosse des Ostflügels werden durch eine massive Wand in zwei Hälften aufgeteilt, zu denen man Zugang über die jeweils in der nördlichen Hälfte befindlichen Wendeltreppen erhält. Die nördliche Gebäudehälfte war zur Zeit Dilichs in den beiden unteren Geschossen sowie im Dach in kleinere Räume abgetrennt. Im 1. Obergeschoss befand sich ein größerer Saalbau mit einem schmalen Chorraum und das 2. Obergeschoss beherbergte ebenfalls einen Saal. Die südliche Hälfte des Ostflügels enthielt im Erdgeschoss einen Gewölberaum (Hofstube?) und war in den übrigen Geschossen aufgeteilt. Die im Inventar des 16. Jahrhunderts genannten Appartements aus Stube, Kammer mit Abort und Vorraum erstreckten sich vermutlich über beide Flügel. Aus diesem Bereich stammen die Wandmalereien, die durch Zeichnungen und eine Rechnung von 1616 bezeugt sind. Danach befanden sich der Saal und das Gemach der Landgräfin im 2. Obergeschoss. Der Saal besaß eine Breite von rund 15,5 bis 16,0 m (53 ½ Schuh) und einer Länge von knapp 20 m (66 Schuh bzw. 26 Balken nebeneinander). Das gesamte Bildprogramm des Saales ist durch die Rechnung des Malers Wilhelm Kirchhof überliefert, der 1616 mit der Erneuerung der Ausmalung betraut wurde. Demzufolge enthielt der Saal der Landgräfin eine Laubwerkmalerei mit Wappen und Löwen und als Ganzfiguren David und Goliath. Das benachbarten Gemach der Fürstin war mit sechs biblischen „Historien“ und 44 kleineren Szenen, die alle in Fraktur beschriftet waren, verziert. Der Raum war rund 7,8 m breit und rund 16,8 m lang. Die Malerei erstreckte sich hier wohl auf die Balkendecke und offenbar auf die Untersicht der Fußbodendielen. Abgebildet sind neben den erwähnten biblischen Historien auch lebende und verstorbene Mitglieder der landgräflichen Familie. Küch schreibt die Verantwortlichkeit für die ursprünglichen Gemälde aus dem Jahr 1542 dem Hofmaler Michael Müller zu.

Der Verbindungsbau mit Satteldach im Südosten besteht aus zwei Geschossen und verfügt zur Straße hin über fünf Fensterachsen. Im Erdgeschoss sind Einzel-, im Obergeschoss gekuppelte Zwillingsfenster eingesetzt.

Burgtyp

Bautyp:

Niederungsburg; Wasserburg; Stadtburg; Schloss

Funktionstyp:

Festung

Nachweise

Literatur:

EBIDAT:

Schloss Ziegenhain

Zitierweise
„Schloss Ziegenhain, Gemeinde Schwalmstadt“, in: Burgen, Schlösser, Herrenhäuser <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bg/id/7643> (Stand: 18.3.2022)