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Ortskennziffer
53101301006

Hofgut und Schloss Friedelhausen

190 m über NN
Gemarkung Lollar, Gemeinde Lollar, Landkreis Gießen
Basisdaten | Geschichte | Bau und Baugeschichte | Burgtyp | Nachweise | Zitierweise | Indizes

Das kleine Schloss Friedelhausen ließ Adalbert von Nordeck zur Rabenau in den Jahren 1852 bis 1856 für seine Frau Clara Philipps errichten, die aus Großbritannien stammte. Der Architekt John Dobson entwarf es als historistisches Tudorschlösschen. Im Jahre 1905 verbrachte der Dichter Rainer Maria Rilke den Sommer auf Schloss Friedelhausen. Heute befindet es sich im Besitz der Grafen von Schwerin.

Zur Anlage Friedelhausen gehört auch das Hofgut, dessen Gebäude aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen und das vermutlich an der Stelle einer älteren Burg errichtet wurden. Das Hofgut beherbergt heute die Hofgemeinschaft für heilende Arbeit e.V.

Basisdaten

Historische Namensformen:

  • Fredelnhusen, zu (1430) [Staatsarchiv Darmstadt Lehnsurkunde Rolshausen A 5 Nr. 329/1]
  • Friedelnhausen, zue (1622) [Staatsarchiv Darmstadt A3 Nr. 112/1]

Ortstyp:

Burg; Schloss; Hofgut; Herrenhaus

Lage:

Die Schlossanlage mit Gutshof und Hofanlage liegt am linken Ufer der Lahn, ungefähr 2 km nördlich von Staufenberg.

Geschichte

Besitzgeschichte:

Um 1370 hielten Heiderich und sein Bruder Henne von Rolshausen Friedelhausen von Landgraf Ludwig I. von Hessen zu Lehen (Landgrafen-Regesten online Nr. 1435), 1414 erhielt ein weiterer Henne von Rolshausen die Wüstung „Friedelahusun“ wiederum als landgräfliches Lehen (Landgrafen-Regesten online Nr. 2673). Die Anlage blieb bis 1670 im Besitz der Familie von Rolshausen, wurde dann an Burckhard von Selle verkauft und kam dann in den Besitz der Familie von Düring, als die jüngere Tochter Burckhards Bernhard von Düring heiratete. Diese Familie starb 1851 aus und Freiherr Adalbert von Nordeck zur Rabenau erwarb das Hofgut und ließ das Schloss errichten. Seine Tochter heiratete den Grafen Karl von Schwerin. Das Schloss befindet sich bis heute im Besitz der Familie von Schwerin; das Hofgut ist seit 1982 an die Hofgemeinschaft für heilende Arbeit e.V. verpachtet.

Bau und Baugeschichte

Baugeschichte:

Vermutlich war eine Burg Vorläufer des Hofguts Friedelhausen. Das Herrenhaus ließ Friedrich von Rolshausen 1564 erbauen, das gegenüber liegende Stallgebäude trägt die Jahreszahl 1672. Das etwas höher gelegene Schloss entwarf der englische Architekt John Dobson, es wurde in den Jahren 1852 bis 1856 errichtet.

Erhaltungszustand:

Das Hofgut geht in seiner heutigen Anlage auf Bauten des 16. und 17. Jahrhunderts zurück, es konnten jedoch ältere Grundmauern nachgewiesen werden. Das im 19. Jahrhundert errichtete Schloss wurde seit seiner Erbauung innen und außen kaum verändert.

Denkmaltopographie:

Das für Adalbert von Nordeck zur Rabenau und seine Frau Clara errichtete, jetzt im Besitz des Grafen von Schwerin befindliche Schloss liegt, umgeben von einem Englischen Garten und Wäldern, nördlich des gleichnamigen Hofgutes. Schon seine mit Bedacht gewählte, versteckte Lage am Ufer der Lahn bzw. am Rande eines Bergrückens charakterisiert es als betont privaten, herrschaftlichen Wohnsitz, lässt aber zugleich romantische Einblicke von der nahen Bahnlinie aus zu. Auch das Gebäude selbst, vom englischen Architekten John Dobson geplant und von 1852-56 errichtet, hat eine hochromantische Ausstrahlung, da es in reinen Formen der englischen Neugotik ausgeführt ist. Das baukünstlerisch besonders wertvolle, zweigeschossige Gebäude, ein exakt von Nord nach Süd ausgerichteter unverputzter Rechteckbau mit vierachsigen Lang- und dreiachsigen Schmalseiten sowie einem flachen Walmdach, besteht aus Londorfer Lungstein, einem besonders harten, monumental wirkenden Material. Hauptcharakteristika des symmetrisch aufgebauten, horizontal durch Gesimse, Spitzbogenfriese und Zinnen gegliederten Baukörpers sind die eingenischten, von spitzbogigen Traufgesimsen überfangenen Zwillingsfenster und die an den vier Ecken vorspringenden, schlanken Achtecktürme, die ebenfalls mit gotisierenden Wandgliederungen und Zinnenbekrönungen versehen sind. Wichtige Details sind der Treppengiebel mit Rundfenster auf der Eingangsseite, die ihm vorgelagerte Vorhalle mit Spitzbogenarkaden und der dreiseitige Mittelrisalit an der westlichen Talseite. Letzterer zeigt als Abschluss eine Tafel mit dem rabe- nauschen Wappen, die Jahreszahl 1852 sowie eine Umschrift mit folgendem Text: „ADALBERT V. NORDECK ZUR RABENAU UND SEINE EHEFRAU CLARA HABEN DIESES HAUS GEBAUT“.

Der das Schloss umgebende Garten ist das Werk des Gartenplaners Willy Lange (1864-1941). Wie in den erhaltenen Plänen Langes bestätigt wird, ordnete er im schlossnahen Bereich geometrische Beete an, die mit Buchsbaum gegliedert und ursprünglich mit farbenfrohen Blütenpflanzen besetzt waren. Der weitere Gartenbereich wurde naturnäher mit wenigen Bäumen, Sträuchern und Stauden, der nördlich des Schlosses liegende Wald parkartig gestaltet.

Das als standesgemäßen Wohnsitz für die aus einer vermögenden englischen Bankiersfamilie stammende Clara errichtete Schloss erhielt gesellschaftliche Bedeutung durch die literarisch begabte Tochter Luise, die das Schloss zu einem Treffpunkt eines schöngeistigen Freundeskreises machte, an dem unter anderem ihr späterer Schwiegersohn, der Naturforscher Jakob von Uexküll, und der Dichter Rainer Maria Rilke beteiligt waren. Aus Luises Ehe mit dem Grafen Karl von Schwerin ging die heutige Besitzerfamilie hervor. [...]

Das aus einem Hofgut des 16. Jahrhunderts und einem Schloss des 19. Jahrhunderts bestehende Ensemble Friedelhausen, das wegen seines hohen geschichtlichen und künstlerischen Wertes einschließlich einiger wichtiger Freiflächen im Zusammenhang betrachtet werden muss, liegt östlich von Salzböden bzw. nordwestlich von Staufenberg am linken Ufer der Lahn zwischen der Trasse der Main-Weser-Bahn und der B3, der alten, 1784 erbauten „Casseler Chaussee“.

Als alte Dorfwüstung, die im Jahr 1414 als hessisches Lehen an die seit 1282 nachweisbare, seit 1353 auf dem Staufenberg ansässige Familie Rolshausen überging, war Friedelhausen seit altersher mit einer eigenen Gemarkung ausgestattet, die ehemals zu Staufenberg gehörte und erst 1974 ein Teil der Stadt Lollar wurde.

Vermutlich an der Stelle einer älteren Burganlage, von der Grundmauern nachgewiesen wurden, errichtete Friedrich von Rolshausen, ein verdienter hessischer Heerführer, ein Herrenhaus mit Hofgebäuden, das laut Inschrift bis 1564 fertiggestellt war. Dieses verkaufte 1670 der schwedische Obrist Otto von Rolshausen an Burkhard von Selle. Schon 1675 wurde das einstige „Mannlehen“ an die beiden Töchter von Seiles übergeben, von denen die jüngere den Obristen Bernhard von Düring heiratete. Nach dem Tode des letzten Düring (1851) gelangte das inzwischen verwahrloste Hofgut dann 1852 in den Besitz des Adalbert Freiherr von Nordeck zur Rabenau, der für sich und seine Frau das nahe gelegene Schloss erbauen ließ.

Ältester und bedeutendster Bau des seit 1982 an die „Hofgemeinschaft für heilende Arbeit“ verpachteten Hofgutes, dessen Gebäude einen trapezförmig geschnittenen, nach Osten geöffneten Hof umfassen, ist das im Südwesten gelegene alte Herrenhaus.

Es handelt sich um einen wehrhaften, zweigeschossigen Bau aus Bruchstein mit Sandsteinelementen, das von einem hohen, gaubenbesetzten Teilwalmdach abgeschlossen wird. Wichtige Merkmale sind der links im Obergeschoss angesetzte, von mächtigen Konsolen gestützte Eckerker, der auf der Rückseite angebaute, quadratische Treppenturm, der mit einer Wächterstube auf Firsthöhe abschließt, und die drei ebenfalls an der Rückseite angebrachten Aborterker.

Einzige Gestaltungselemente des Außenbaus sind die ursprünglich sämtlich gekoppelten Rechteckfenster mit Klappläden, die im Erdgeschoss vergittert sind, und das leicht aus der Mittelachse nach rechts verschobene Renaissanceportal. Letzteres ist rundbogig, hat abgeschrägte Gewände mit Nischen und Sitzkonsolen und zeigt in der dreifach untergliederten Bogenlaibung Rosetten und flach reliefier- te Felder sowie im Schlussstein die in ein flaches Feld integrierte Datierung „1564“. Eine ins Mauerwerk nachträglich eingelassene, „1741“ bezeichnete Tafel lässt die Wappen von Seile und Wolff von Gutenberg-Düring und zwei Inschriften erkennen. Die obere lautet: „BENEDIKTUS V DÜRING FÜRSTL HES OBRIST LIEUT G V SELLE AA WOLFF AUF FRIEDELH V GUTENBERG“, die untere: „VON GOTT DURCH MICH GESETZT WIRD BLEIBEN UNVERLETZT JOHANNA LOUISE VON DÜRING GEB V SELLE AUF FRIEDELH“. Einzigartig ist die Gestaltung des Inneren: Während im Untergeschoss die ursprüngliche Teilung in fünf überwölbte Räume noch erhalten ist, wurde das Obergeschoss, das ehemals wohl aus einem einzigen Raum bestand, um 1750 unterteilt. Ein annähernd quadratischer Saal mit klassizistischen Wandmalereien, bemalten Türen und einer reich gestalteten, von gedrehten Säulen flankierten Haupttür bildet hier das Herzstück.

Zweitältestes Gebäude der Hofanlage ist das langgestreckte ehemalige Stallgebäude mit Risalitbildung gegenüber dem Herrenhaus. Es zeigt über dem massiven Unterbau regelmäßiges Fachwerk und wahrt zwei Inschriften. Die eine in der Schwelle lautet: „ DIESER BAU IST ERBAUET AM 27. MAY ANNO 1672 GOTT GEBE GLICK FREUD UND LEIT ALLES ZU SEINER ZEIT“, die andere im Rähm: „ESAIA 26 CAP DU HERR ERHELTEST STETS FRITE NACH GEWISER ZUSAGE DEN MAN VERLESSET SICH AUF DICH ALLES WAS WIR AUSRGTEN HAST DU UNS GEGEBEN.“

Erwähnenswert ist ferner ein 1708 datiertes Stallgebäude nahe des Hofeingangs sowie die aus drei aneinander gereihten Wirtschaftsgebäuden bestehende Zeile nördlich des Herrenhauses. Es handelt sich hier um gründerzeitliche Massivbauten mit Zwerchgiebeln und Zierfachwerk. Der am nächsten zum Herrenhaus stehende trägt im Eckquader die Inschrift: „SO JEMAND IST AUF ERDEN DER ALLEN LEUTEN RECHT THUN KANN SO BITT ICH IHN IN ALLEN EHREN DASS ER MICH DIESE KUNST MÖCHT LEHREN ADALBERT VON RABENAU 1881.“

Von besonderem Wert sind außerdem die ebenfalls um 1880 zu datierenden Gefachmalereien am Giebel einer Scheune. Sie zeigen, auf vier nebeneinander liegenden Fachwerkfeldern verteilt, von links nach rechts einen Geistlichen (ICH BET VOR EUCH), einen Ritter (ICH FECHT VOR EUCH), einen Richter (ICH RECHT VOR EUCH) und einen Bauern (ICH BIN DER BAUER DER DIE EIER LEGT) und haben als seltene figürliche Darstellungen mit sinnbezogenen Inschriften hohe kulturhistorische Bedeutung.

Burgtyp

Bautyp:

Burg; Hofgut; Schloss

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Hofgut und Schloss Friedelhausen, Gemeinde Lollar“, in: Burgen, Schlösser, Herrenhäuser <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bg/id/14928> (Stand: 27.9.2018)