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Hessische Biografie

Portrait

Hermann der Ältere von Vultejus
(1634–1723)

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GND-Nummer

139084517

Vultejus, Hermann der Ältere von [ID = 6709]

* 7.2.1634 Marburg, † 17.4.1723 Marburg, evangelisch-reformiert
Jurist, Regierungsrat, Vizekanzler
Biografischer Text

Benannt nach seinem Großvater, dem Professor und Vizekanzler der Universität Marburg, wuchs Hermann von Vultejus nach dem frühen Tod der Eltern im Jahr 1640 – vermutlich an einer zu dieser Zeit in Kassel grassierenden Seuche – zusammen mit seiner Schwester Anna Adelheid in der Obhut des Onkels Johannes Vultejus auf1, der sich schon früh um eine standesgemäße Erziehung und Ausbildung seines Neffen bemühte. So ließ er ihn zunächst durch Privatlehrer unterrichten, eher er ihn um 1650 zur Weiterbildung an die Universität Kassel schickte. Hier absolvierte Hermann von Vultejus die Sieben Freien Künste an der Artistenfakultät bei Gregor Stannarius und immatrikulierte sich sodann 1653 an der durch Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel wiedereröffneten Universität Marburg zum Studium der Rechte bei Conrad Dietrich Lyncker. Sein Examen legte er schließlich 1659 bei Johann Rebhan an der Universität Straßburg ab, an die er 1656 gewechselt war, und kehrte im Frühjahr 1659 nach Marburg zurück.2

Die anschließende Kavalierstour führte Hermann von Vultejus zunächst über Bremen und Emden in die Niederlande, wo er sich vornehmlich in Leiden und Groningen aufhielt und nach acht Monaten von Rotterdam per Schiff nach England übersetzte. In Margate (Grafschaft Kent) gelandet, reiste er über Canterbury nach London und wohnte dort 1660 der feierlichen Königserhebung Karls II. von England bei. Anschließend besuchte er die traditionsreichen Universitäten von Oxford und Cambridge, ehe er von Rye (Grafschaft East Sussex) seine Reise nach Frankreich fortsetzte. Von Dieppe (heute Départemant Seine-Maritime) gelangte Hermann von Vultejus über Rouen nach Paris, wo er vier Monate verweilte und als Mitglied der hessen-kasselischen Gesandtschaft um Johann Caspar von Dörnberg den feierlichen Einzug der Gemahlin König Ludwigs XIV. von Frankreich, Maria Theresia von Spanien, erlebte. Den Abschluss seines Frankreichaufenthalts bildeten der Besuch der Loiretal-Städte Orléans, Blois, Tour, Saumur und Angers sowie die Weiterfahrt nach Lyon, von wo aus er im kommenden Jahr 1661 seine Tour nach Italien fortzusetzen gedachte. Diesen Plan vereitelte jedoch eine plötzliche Erkrankung, so dass Hermann von Vultejus seiner Genesung nur noch eine zweimonatige Reise durch die Schweiz anschloss und Anfang Juli 1661 wieder nach Marburg zurückkehrte.3 Hier nahm er seinen Wohnsitz im Haus Ritterstraße 14, welches sein Onkel Johannes Vultejus bereits seit 1656 zu Pfandrecht besaß und 1668 vollständig erwarb, jedoch wegen seiner Stelle als Kanzler am Hof in Kassel nicht mehr selbst bewohnen konnte und es darum seinem Neffen zur Verfügung stellte und 1669 schließlich auch verkaufte.4

Im folgenden Jahr 1662 wurde Hermann von Vultejus von Wilhelm VI. zum Rat der hessen-kasselischen Regierung des Oberfürstentums Marburg ernannt5, die 1613 von Landgraf Moritz zur Verwaltung des Kasseler Anteils aus dem Erbe Ludwigs IV. von Hessen-Marburg (1604) errichtet worden war.6 In dieser Funktion oblagen ihm zunächst vor allem Gesandtschaften zum Reichskammergericht, ehe er 1681 mit der Leitung des Direktoriums der Regierung beauftragt und – möglicherweise unter Vermittlung seines Onkels – 1687 durch Landgraf Karl schließlich auf die freigewordene Stelle des Vizekanzlers berufen wurde.7 Damit stieg er in das höchste Verwaltungsamt des Marburger Landesteils auf, das zweithöchste der Landgrafschaft überhaupt nach der Stelle des Kanzlers in Kassel. Administrativ war Hessen-Kassel somit in den beiden höchsten Positionen mit Mitgliedern der Familie Vultejus besetzt. Das Amt des Vizekanzlers hatte Hermann von Vultejus bis zu seinem Tod an einer Kolik im Jahr 1723 inne und schlug dafür 1703 sogar das Angebot einer Stelle als preußischer Geheimer Rat und Kammergerichtspräsident in Berlin aus.8

Während seiner Dienstzeit gelangte Hermann von Vultejus zu ansehnlichem Grundbesitz. So erwarb er bereits 1672 das Gut Elnhausen bei Marburg, dessen Wasserburg er um 1717 durch einen barocken Schlossbau ersetzen ließ. Eventuell plante er diesen als Stammsitz der durch seinen Vater Johann Christoph begründeten Marburger Linie der Familie Vultejus.9

1688 folgte die Belehnung mit dem Rittergut Adorf durch die Grafen von Waldeck10, wodurch Hermann von Vultejus neben der hessischen künftig auch der waldeckischen Ritterschaft angehörte11, sowie 1720 mit den Gütern Dippach, Kleinensee und Busserode durch die Äbte von Fulda.12

Im Jahr 1694 erhielt er für seine Familie durch Kaiser Leopold I. die Bestätigung des rittermäßigen Reichsadels, nachdem das bereits seinem Großvater verliehene Adelsdiplom 1647 bei der Plünderung Marburgs durch kaiserliche Truppen unter Peter Melander verloren gegangen war. Seiner vermutlich während der Kavalierstour gewonnenen frankophilen Einstellung und wohl auch einer Mode der Zeit entsprechend, französisierte Hermann von Vultejus seinen Namen um 1714 zu „von Vultée“.13

Im Laufe seines Lebens war Hermann von Vultejus zweimal verheiratet. Aus der ersten, 1666 geschlossenen und als „wohlgeraten“ und „friedliebend“14 beschriebenen Verbindung mit Anna Margaretha von Gehren gingen insgesamt elf Kinder hervor, sechs Söhne und fünf Töchter, von denen ihn jeweils drei überlebten. Die zweite, bereits im fortgeschrittenen Alter von 59 Jahren um 1693 eingegangene Ehe mit Katharina Margaretha uffm Keller blieb kinderlos.7

Matthias Seim


  1. Ungewitter, Die wahre Glückseligkeit des hohen Alters S. 22; Vultée, Genealogicum S. 93. Vgl. GHdA Adlige Häuser B, Bd. 22, 1998, S. 493.
  2. Ungewitter, Die wahre Glückseligkeit des hohen Alters S. 22-23; Kretzschmar, in: ADB 40, 1896, S. 391; Strieder, Grundlage, Bd. 16, 1812, Tabelle 1 nach S. 348; Vultée, Genealogicum S. 93.
  3. Ungewitter, Die wahre Glückseligkeit des hohen Alters S. 22-23; Kretzschmar, in: ADB 40, 1896, S. 391; Strieder, Grundlage, Bd. 16, 1812, Tabelle 1 nach S. 348; Vultée, Genealogicum S. 93.
  4. Brockhusen, Will S. 1; Vultée, Genealogicum S. 97.
  5. Ungewitter, Die wahre Glückseligkeit des hohen Alters S. 24; Kretzschmar, in: ADB 40, 1896, S. 391; Strieder, Grundlage, Bd. 16, 1812, Tabelle 1 nach S. 348
  6. Becker, Rat, S. 4, 7, 15, 19, 21-22; Graepler, Bildhauer, S. 73.
  7. HStAM Best. 5 Nr. 4492.
  8. Ungewitter, Die wahre Glückseligkeit des hohen Alters S. 24; Brockhusen, Wull, S. 1; Graepler, Bildhauer, S. 73; Knetsch, Gelehrtenfamilien, S. 49; Kretzschmar, in: ADB 40, 1896, S. 391; Strieder, Grundlage, Bd. 16, 1812, Tabelle 1 nach S. 348; Vultée, Genealogicum S. 94, 109.
  9. HStAM 340 Nr. 1000; Brockhusen, Will S. 1; Vultée, Genealogicum S. 105, 126, 132; Vultée, Vultejus S. 492-493.
  10. HStAM 121 Nr. 7727; Vultée, Genealogicum S. 126, 132.
  11. Vultée, Genealogicum S. 126, 132.
  12. HStAM 17 c Nr. 1988; Brockhusen, Will, S. 1; Vultée, Genealogicum, S. 105, 126, 132; GHdA Adlige Häuser B, Bd. 22, 1998, S. 492-493.
  13. Brockhusen, Will S. 1; Graepler, Bildhauer S. 73; Strieder, Grundlage Tab. 1 n. S. 348; Vultée, Genealogicum S. 94, 97, 132; GHdA Adlige Häuser B, Bd. 22, 1998, S. 491, 493
  14. Ungewitter, Die wahre Glückseligkeit des hohen Alters S. 25
  15. Vultée, Genealogicum S. 94-95, 97, 128, 132; GHdA Adlige Häuser B, Bd. 22, 1998, S. 493.

Literatur