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Hessische Biografie

Portrait

Marie Luise Fürstin von Oranien und Nassau
(1688–1765)

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GND-Nummer

1031092072

Oranien und Nassau, Marie Luise Fürstin von [ID = 5833]

* 7.2.1688 Kassel, † 9.4.1765 Leeuwarden, evangelisch-reformiert
Landgräfin
Biografischer Text

Die zweite Tochter Landgraf Karls erhielt in Kassel eine vorrangig religiös bestimmte Erziehung. Marie Luise entwickelte eine besonders enge Beziehung zu ihrem Vater, der bis zu seinem Tod 1730 ihr vertrauter Berater bleiben sollte. Sie zeigte früh literarische Interessen, insbesondere für theologische Schriften; möglicherweise strebte sie nach einem Leben in einem adligen Stift. Ihre Eltern hatten jedoch weitgespannte Heiratspläne. Nachdem die 1704 anvisierte Verbindung mit ihrem Berliner Vetter Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem späteren „Soldatenkönig“, gescheitert war, wurden 1707 Verhandlungen mit Johann Wilhelm Friso von Nassau eingeleitet, der auch bald zu Besuch nach Kassel kam. Schon als Neunjähriger nominell Fürst von Nassau-Diez und Erbstatthalter in Friesland und Groningen (wenn auch zunächst unter Vormundschaft der Mutter), hatte er mit dem Tod seines Onkels, König Wilhelms III. von England, 1702 auch dessen Fürstentum Oranien und weiteren Besitz in den Niederlanden geerbt. Die wegen einer Windpocken-Erkrankung der Braut verschobene Hochzeit fand im April 1709 statt; der Einzug in den für das junge Paar umgebauten Statthalterhof in Leeuwarden folgte Anfang 1710. Der Fürst und „Generalkapitän“, der sich in den Kämpfen des Spanischen Erbfolgekriegs unter anderem in der Schlacht von Malplaquet im September 1709 einen beachtlichen Ruf als Feldherr erworben hatte, kam bereits im Sommer 1711 bei einem Fährunglück im Hollands Diep ums Leben.

Die 23-jährige Witwe, seit Herbst Mutter einer Tochter Anna Charlotte Amalie (1710–1777), war wieder schwanger und gebar sieben Wochen nach dem Tod des Mannes einen Sohn Wilhelm (1711–1751). An der Sicherung der zunächst von den nassauischen Agnaten wie auch von Preußen bestrittenen Erbansprüche des Enkels in den Niederlanden hatte Landgraf Karl, den seine Tochter zum Mitvormund bestellte, maßgeblichen Anteil; das Fürstentum Oranien/Orange fiel allerdings 1713 an Frankreich. Die Kinder wuchsen in der Obhut der Mutter und unter dem Schutz der Generalstaaten in Leeuwarden auf. Der Sohn übernahm mit seiner Volljährigkeit 1731 als Wilhelm IV. die Statthalterschaft in den Provinzen Friesland, Groningen, Drenthe und Gelderland. Mit der englischen Prinzessin Anne (1709–1759), der Tochter König Georgs II. aus dem Haus Hannover, die er 1734 heiratete, wurde Wilhelm zum Stammvater des Hauses Oranien-Nassau. Im politisch-militärischen Krisenjahr 1747 erhielt er auch die seit 1702 vakante Position des „Generalkapitäns“ und Erbstatthalters der Generalstaaten.

Die Mutter Marie Luise, die sich in Leeuwarden ein eigenes Anwesen erworben und zum sogenannten „Princessehof“ ausgebaut hatte, führte in der Folge ein relativ zurückgezogenes Leben. Ihre religiösen Neigungen brachten sie mit dem Pietismus in Kontakt: 1736 empfing sie den verbannten Führer der Herrnhuter, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700–1760), und schenkte ihm ein Grundstück in Ijsselstein. Sie kümmerte sich um Fürsorgeeinrichtungen, unter anderem für Soldatenwitwen und -waisen, wie um die Armenpflege. Bereits über 70 Jahre alt und von Rheuma und Gicht geplagt, übernahm sie nach dem Tod von Sohn und Schwiegertochter (1751/59) noch einmal die Mit-Vormundschaft über ihren Enkel, den künftigen Erbstatthalter Wilhelm V. Batavus (1748–1806). Ein Jahr vor dessen Volljährigkeit verstarb sie nach einem Schlaganfall. Als Mieke Marie oder Marijke Meu blieb das Andenken der Wohltäterin und Stammmutter des Königshauses in den Niederlanden lebendig.

Holger Th. Gräf

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 124 f.)


Literatur