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Hessische Biografie

Portrait

August Wilhelm Jaspert
(1871–1941)

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Jaspert, August Wilhelm [ID = 14309]

* 20.3.1871 Hamm (Westfalen), † 15.1.1941 Frankfurt am Main, katholisch; evangelisch
Lehrer, Rektor, Politiker, Stadtverordneter, Stadtrat, Abgeordneter
Biografischer Text

August Jaspert wirkte als Lehrer und Rektor, der sich darüber hinaus vielfältig für Kinder einsetzte, an erster Stelle für das von ihm mit gegründete größte Schullandheim Deutschlands,1 die Wegscheide in Bad Orb. Er war rechtsradikal eingestellt und ein wichtiger hessischer DNVP-Politiker.

Jaspert hatte nach einer breiten Ausbildung zum Lehrer und Fortbildungen für weitere Schulfächer sowie für Führungsaufgaben erfolgreich das Amt des Rektors einer Mittelschule in Frankfurt am Main erreicht und leitete diese viele Jahre.

Während des Ersten Weltkrieges hielt er hurrapatriotische Reden; später war er ein Zeitungsautor mit praktischen Ratschlägen sowie Organisator von Kinderspeisungen.2 Er kämpfte 53 Tage an der Front. 1917 unterzeichnete er einen öffentlichen Aufruf, der Deutschen Vaterlandspartei beizutreten. Deren „Hauptziel war ein deutscher Siegfrieden mit möglichst weitreichenden Annexionen“.3

Nach dem Krieg setzte Jaspert sein soziales Engagement für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Ämtern fort. Sein Lebenswerk ist die Gründung des Kinderdorfs Wegscheide bei Bad Orb 1920, das vor allem für Frankfurter Kinder Erholung in den Notzeiten bieten sollte. Das Kinderdorf übernahm später zudem die Aufgabe eines Schullandheims; es existiert bis heute.

Schon in der Weimarer Zeit war sein Ideal die Volksgemeinschaft. „Von der Gemeinschaft der Deutschen, von der Gemeinschaftserziehung erhoffen wir uns Rettung und Aufstieg.“4 Er freute sich, dass „das Jahrhundert mit seinem schrankenlosen Individualismus“ vorbei sei, und „sich klar Zeichen bemerkbar [machten], daß eine neue Zeit opferfreudigen Gemeinschaftslebens emporsteigt.“5 Deshalb wollte er in der Wegscheide solche Gemeinschaftserlebnisse „schaffen, um hier die Fundamente eines neuen deutschen Volkes zu legen“6 – seine Kinderhilfe war also auch politisch motiviert. Denn wie damals in rechten Kreisen verbreitet, meinte er sich gegen eine Welt wenden zu müssen, „die sich müde fühlt, und die bedroht ist durch einen öden Mechanismus mit der ihm folgenden Entseelung“.7

Zusätzlich zu seiner Leitung der Wegscheide war er aktiv als DNVP-Politiker und hatte seit Mitte der 20er Jahre bis in die NS-Zeit verschiedene Mandate inne: So war er DNVP-Abgeordneter im Preußischen Landtag von 1928 bis 1932 sowie ehrenamtlicher Stadtrat in Frankfurt am Main von 1933 bis 1934, als die Wahlergebnisse der DNVP schlecht waren. Die Deutschnationale Volkspartei war eine antidemokratisch-antirepublikanische Partei: sie war nationalistisch, militaristisch, revisionistisch, antisemitisch, xenophob und sexistisch.8 Sie radikalisierte sich unter Alfred Hugenberg und wurde zum Steigbügelhalter des NS-Staates.

Man habe mit Jaspert „vor allem über die Politik, die er als deutschnationaler [A]bgeordneter mit Leidenschaft verfolgte, jederzeit .. Meinungen austauschen“9 können. 1930 hetzte er gegen die Weimarer Republik: „Brot ist nur für diejenigen da, die es verstanden haben, aus dem Leder des deutschen Volkes Riemen zu schneiden, die mit Hilfe des roten und rosaroten Parteibuches in gut bezahlten Stellungen sitzen, während bereits 3 000 000 Deutsche hungern müssen“.10 Noch Ende Februar 1933 wies er in seiner Ansprache auf einer „Kundgebung der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot im Ufa-Theater Groß-Frankfurt“11 „auf die Bedeutung des Regierungswechsels“12 hin, ungeachtet des einsetzenden NS-Terrors mit Görings Schießbefehl für die preußische Polizei. Der NS-Oberbürgermeister Friedrich Krebs sah ihn als ehrenamtlichen Stadtrat nur ungern scheiden.13

Jaspert fertigte 1933 eine programmatische Schrift zur Schulverwaltungsreform in Frankfurt a.M.14 an mit völkisch-rassistischen Ansichten: Die Ablehnung der Weimarer Republik ist eindeutig. Fanatismus verstand er als Ideal. Implizit stellte er Mädchen als zukünftige Mütter von Soldaten dar; zum Lebenszweck von Jungen propagierte er, später einmal im Krieg zu kämpfen und bereit zu sein, dabei zu sterben. Wer als Lehrer nicht entsprechend erziehen wolle, sei krank.

Jaspert vertrat eine Ahnenverehrung. Er äußerte mystische Vorstellungen wie „zu den Urkräften, den Müttern zurückführen“, und sprach vom Kind „als Sohn der Erde“.15 Seine Aussage der menschlichen Widerspiegelung von „den leuchtenden Funken vom Urknall des Guten“16 klingt gnostisch.

Im NS-Staat und dessen charakteristischen Konflikten zwischen Nationalsozialisten wurde er als Leiter der Wegscheide von Personen aus Bad Orb angegriffen, die sich wirtschaftliche Vorteile durch das Kinderheim versprachen. Neben Jaspert war damals die zweite Gesellschafterin der Bürgerausschuss e.V.; ihr Vertreter war Oberlandesgerichtsrat Ernst Wagner, DNVP-Mitglied, später Mitglied in der NS-Kulturgemeinde und Richter am Erbgesundheitsobergericht.17

Gunter Stemmler


  1. Wegscheide 1920-1940 [/] Das größte Schullandheim Deutschlands. 20 Jahre Wegscheide!, Frankfurt am Main 1940.
  2. Siehe die Datenbank „Der Erste Weltkrieg im Spiegel hessischer Regionalzeitungen“ http://hwk1.hebis.de/ zu den Suchbegriffen „August Jaspert“ und „Rektor Jaspert“. Sarah Hadry, Deutsche Vaterlandspartei (DVLP), 1917/18, publiziert am 20.12.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: [15.12.2018].
  3. Sarah Hadry, Deutsche Vaterlandspartei (DVLP), 1917/18, publiziert am 20.12.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: [15.12.2018].
  4. Zitate siehe Jaspert, Pestalozzi, S. 29.
  5. Zitate siehe Jaspert, Kinderstadt, S. 24.
  6. Jaspert, Pestalozzi, S. 33.
  7. August Jaspert, Zum Geleit!, in: Arbeitsausschuss […], (Hrsg.), Pestalozzi […], [o.S.]
  8. Siehe Webseite des Deutschen Bundestages, [Stand: 10/2018].
  9. Hans Achinger, Von der Praxis des privaten Fürsorgewesens über seine Liquidation im Nationalsozialismus zur Professur für Sozialpolitik, […], in: Bertram Schefold, (Hrsg.), Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler in Frankfurt am Main […], Marburg 3. Aufl. 2016, S. 141-146, hier S. 144.
  10. Volksstimme, 17.2.1930; aus: PA 204.331, Bl. 221.
  11. Zitate siehe Webseite des Instituts für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, Stadtchronik, zum 26.2.1933, [Stand: 10/2018].
  12. Höchster Kreisblatt – Main-Taunus-Zeitung, 27.2.1933, S. 5.
  13. PA 17.156, Bl. 40.
  14. ISG, Schulamt 2.174.
  15. Zitate siehe Schulamt 2.174, S. 4, 14.
  16. Jaspert, Pestalozzi, S. 28.
  17. Siehe Arthur von Grünewald, Die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Personalpolitik und Personalentwicklung, Tübingen 2015, S. 295, 301 – Anm. 82, 320 f. – Anm. 156.

Literatur