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KDR 100, TK25 1900 ff.
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 35. Eschwege
Gerichtsstätten
Anger in Röhrda

Weitere Informationen

Röhrda

Ortsteil · 295 m über NN
Gemeinde Ringgau, Werra-Meißner-Kreis 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

9 km südlich von Eschwege gelegen

Lage und Verkehrslage:

Geschlossenes Dorf mit regellosen Grundrissmerkmalen und geringer Siedlungsdichte südlich der Netra, in die hier, von Süden kommend, der Aschen- und der Martinsborn münden. Kirche neben einem Gutshof am Westrand auf einer Anhöhe. Jüngere Besiedlung im Norden und Westen und entlang der Ringgaustraße im Osten.

Im Norden verläuft parallel zum Fluss die B 7 in Richtung Eisenach.

Ersterwähnung:

(1089-1093)

Siedlungsentwicklung:

1928 erfolgt die Eingemeindung von Teilen des aufgelösten Gutsbezirks Forst Reichensachsen.

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • Dorf (1356)
  • Mengedorf (1654)
  • Dorfschaft (1745)

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

Umlegung der Flur:

1909-1911

Älteste Gemarkungskarte:

1745

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3574057, 5663509
UTM: 32 U 573954 5661683
WGS84: 51.101862° N, 10.056252° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

636010070

Flächennutzungsstatistik:

  • 1885 (Hektar): 1018, davon 520 Acker (= 51.08 %), 44 Wiesen (= 4.32 %), 340 Holzungen (= 33.40 %)
  • 1961 (Hektar): 1084, davon 437 Wald (= 40.31 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1585: 84 Haushaltungen (Der ökonomische Staat)
  • 1745: 359 Einwohner in 104 Haushaltungen. Gewerbe: 1 Schreiner, 1 Bender, 2 Wagner, 2 Schmiede, 5 Schneider, 3 Metzger, 2 Zimmerleute, 8 Müller, 1 Brauer, 32 Leineweber und Garnhändler, 1 Schweinetreiber, 4 Branntweinbrenner und Schenker, 42 Tagelöhner
  • 1747: 84 Haushaltungen (DB: nach Reimer)
  • 1885: 620, davon 619 evangelisch (= 99.84 %), 1 katholisch (= 0.16 %)
  • 1961: 800, davon 747 evangelisch (= 93.38 %), 47 katholisch (= 5.88 %)
  • 1970: 845
  • 1987: 727

Diagramme:

Röhrda: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1141: Gau Neter (in pagus Nedere)
  • 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederfürstentum, Amt Eschwege, Gericht Boyneburg
  • 1654: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Eschwege, Kanton Reichensachsen
  • 1814-1818: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1819-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Netra
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Eschwege
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Eschwege
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
  • 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Werra-Meißner-Kreis

Altkreis:

Eschwege

Gericht:

  • vor 1822: Amt Netra
  • 1822: Justizamt Netra
  • 1867: Amtsgericht Netra
  • 1879: Amtsgericht Netra
  • 1932: Amtsgericht Eschwege

Herrschaft:

Vgl. auch Besitz

1188 verleiht Kaiser Friedrich I. der Kapelle in seiner Burg Boyneburg zum Unterhalt eines Priesters den Anteil eines vom Landgrafen Ludwig von Thüringen erworbenen Gutes u.a. in Röhrda, das der Kaiser zum Zeitpunkt der Weihe der Kapelle innehat, frei von aller Vogtei unter seiner alleinigen kaiserlichen Schirmgewalt.

Spätestens seit 1352 ist eine Teilung der Herrschaft in Röhrda belegt, die die Dorfgeschichte in den folgenden Jahrhunderten prägte. Ein Teil des Dorfes ging in diesem Jahr von Pfalzgraf Ludwig bei Rhein zu Lehen an Heyse von Falken. Nach dem Aussterben derer von Falken 1574 erfolgen weitere kurpfälzische Belehnungen an die von Herda und seit dem 17. Jahrhundert an die von Siegel und von Meysenbug [1352, 1477, 1495, 1520-1693, 1695-1753 HStAM Bestand 17 c Serie ...]. Ebenfalls kurpfälzische Lehen erhielten in geringerem Umfang die von Eschwege in Dorf und Gemarkung Röhrda (HStAM Bestand 340 von Eschwege Nr. 76; HStAM Bestand Urk. 115 Nr. 210).

Um 1376 besitzt Konrad von Falken einen Hof und dreiheinhalb Hufen in Röhrda als hessisches Lehen. Der hessische Anteil gelangt an die Herren von Boyneburg und kann von den Landgrafen erst 1803 vollständig (zurück) erworben werden. 1602 überlassen die Landgrafen denen von Boyneburg die Peinliche Gerichtsbarkeit. 1650 kommt es zur Veräußerung boyneburgscher Lehngüter (sogenannte bemmelbergische Anteile) u.a. in Röhrda an Hessen, wodurch die Landgrafen stärker an der Ortsherrschaft partizipieren und versuchen Einfluss auf das Gericht Boyneburg geltend zu machen. 1654 ist Röhrda ein sogenanntes Mengedorf, d.h. zweiherrig.

Faktisch waren die Ortsherrschaft und Gerichtsbarkeit somit zwischen einem dominierenden kurpfälzischen und einem von Hessen an die Boyneburger ausgegebenen Teil geteilt. 1745 stellt sich die Herrschaft im Dorf wie folgt dar: Landgraf von Hessen 2, Landgraf von Rotenburg 22 Untertanen, die von Meysenbug 40, der von Boyneburg-Laudenbach zu Wichmannshausen 32 und die von Boyneburg zu Netra 6 Hintersassen

Gemeindeentwicklung:

Am 1.4.1972 erfolgte der vorübergehende Zusammenschluss der Gemeinden Datterode und Röhrda zur neu gebildeten Gemeinde Netratal, deren Ortsteile sie wurden. Mit dem Zusammenschluss der Gemeinden Netratal und Ringgau am 01.01.1974 wurden beide ab diesem Zeitpunkt Ortsteile der neuen Gemeinde Ringgau.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • vgl. auch Herrschaft
  • Um 1089 wird die Röhrdaer Pfarrkirche mit einem Zehnten, die Graf Heinrich von Northeim dem Mainzer Erzbischof Ruthard überlässt, dem neu gegründeten Kloster Lippoldsberg übertragen. Hinzu kommt die Kapelle in Röhrda mit Zugehörungen und Zehnten von Graf Siegfried von Northeim-Boyneburg, der sie wohl vom Mainzer Erzbischof zu Lehen trug. Die Rechte an der Pfarrkirche werden dem Kloster 1212 vom Erzbischof von Mainz bestätigt, die an der Martinskirche 1240. Nach dem Lippoldsberger Güterregister verfügt das Kloster um 1380 über 4 Hufen Land und Pachteinnahmen. Der Besitz geht 1483 verloren.
  • 1141 bestätigt der Mainzer Erzbischof Markolf dem von dem Grafen Siegfried IV. von Boyneburg und seinen Vorfahren gegründeten Benediktinerkloster Blasien zu Northeim u.a. seinen Besitz zu Röhrda. Der Besitz des Klosters Northeim gelangt um 1200 an das Kloster Bursfelde, welches ihn noch 1446 innehat.
  • Das Dorf gehörte zur Hälfte den von Boyneburg als hessisches Lehen, wobei dann Hessen 1650 von ihrer Hälfte wiederum eine Hälfte erkaufte. Die andere Hälfte war damals kurpfälzisches Lehen der von Herda (Beschreibung der erkauften Güter im Gericht Boyneburg 1660).
  • 1376 schenkt Heimbrod von Boyneburg dem Kloster Germerode Einfünfte in Röhrda, das in der Folge in dessen Zinsregistern bis 1527 auftaucht.
  • Diese besaßen 1747 die von Meisenbug (DB) und 1778 bis 1802 die von Castell (Geheimeratsakten, Domänen 1802-04).

Zehntverhältnisse:

1141 schenkt der Mainzer Erzbischof Markolf dem von dem Grafen Siegfried IV. von Boyneburg und seinen Vorfahren gegründeten Benediktinerkloster Blasien zu Northeim u.a. den Zehnten zu Röhrda.

Ortsadel:

1253: Adlige (Kl. Kreuzberg)

Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • Um 1089: Pfarrkirche und Kapelle
  • Archipresbiter (1273)
  • Pfarrkirche spätgotischer Bau mit stattlichem Westturm (1508). Von der ehemaligen Martinskirche (-kapelle) lediglich westliche Giebelwand erhalten.

Patrozinien:

  • Petrus; Paulus (1481)

Pfarrzugehörigkeit:

1585 gehören die Höfe Harmuthshausen und Lautenbach zum Kirchpiel. Bei der Protestantischen Pfarrei Röhrda (1872) wird noch die Lochmühle genannt. Mit der Aufhebung der Pfarrstelle 1981 gelangt die Röhrda als Vikariatsgemeinde an die Kirchengemeinde Datterode mit der sie das Kirchspiel Datterode-Röhrda bildet.

Patronat:

Ursprünglich hat der Graf Heinrich von Nordheim das Patronat über die Pfarrkirche inne, das um 1090 an das Kloster Lippoldberg gelangt und in der Reformationszeit an die Landgrafen.

Bekenntniswechsel:

Erster evangelischer Pfarrer: Johann Uderer vor 1526-1545, bereits 1488 als Pleban nachweisbar

Reformierter Bekenntniswechsel, unter hessen-darmstädtischer Herrschaft 1627-1628 lutherisch, nach 1628 wieder reformiert.

Kirchliche Mittelbehörden:

1506: Erzbistum Mainz, Archidiakonat Dorla, Archipresbyterat Röhrda

Wie das benachbarte Renda war Röhrda Sitz eines Erzpriesters des Archidiakonats Dorla.

Zugehörige Filialkirchen waren Sontra, Wichmannshausen, Grandenborn und Netra

Die protestantische Pfarrei gehörte 1872 zur Klasse Eschwege.

Kultur

Schulen:

Schulmeister: Balzer(?) Korrumpf 12.9.1595

1826: Anbau eines separaten Schulsaales an die bestehende Schule

1910 Volksschule mit zwei Klassen

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Historische Ereignisse:

Die Hälfte des Dorfes wurde 1530 durch eine Feuersbrunst zerstört.

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

1506 gehören zum Archipresbiterat Röhrda die Pfarreien Datterode, Grandenborn, Netra, Rittmannshausen, Röhrda, Sontra, Weißenborn und Wichmannshausen

Wirtschaft:

Ursprünglich überwiegend Land- und Mühlenwirtschaft, Handwerk und Leinenweberei

Mühlen:

Vgl. auch Lochmühle

Durch die günstig Lage im Netrata und den zwei hier entspringenden Karstquellen (Aschenborn und Martinsborn) bedingt existierten in Röhrda neun Mühlen inner- und außerhalb der Ortslage, die alle mit oberschlächtigen Wasserrädern betrieben wurden.

Die Obermühle (Aschenborn 9) wurde mit dem Wasser des Aschenborns und ist 1522 belegt. Der Betrieb wurde 1943 eingestellt, die endgültige Stilllegung erfolgte 1963.

Die Luxmühle (Deichwasser 7) unterhalb der Obermühle bestand bereits Ende des 16. Jahrhunderts und wird 1841 offiziell als Luxmühle bezeichnet.

Die Angermühle ist 1580 erstmals erwähnt und ein Lehen der Familien von Herda. Der Betrieb wurde 1948 eingestellt.

Jostmühle (Jostmühle 1) nahe der Angermühle ist 1630 (neuwe Müller) belegt. Betrieb nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig eingestellt.

Wins- oder Sachsmühle (Hintergasse 6), in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts belegt, war zeitweise den von Eschwege zuständig. Mahlbetrieb 1933 eingestellt, bis 1936 wurde noch geschrotet.

Die Untermühle (Dienstheim 1) wird 1562 auch Pletschmühle genannt. 1957 verzichtet der Müller auf das Wasserrecht seit 1984 ist die Mühle in Gemeindebesitz und wurde als Gasthaus betrieben.

Schlagmühle vor der Einmündung des Röhrdabaches in die Netra. Vielleicht schon 1530, sicher aber 1645 belegt. Schlag- und Ölmühle. Anfang der 1920er Jahre bereits außer Betrieb, 1951 eingestürzt, 1955 Ruine beseitigt.

Die Hellmühle an der Netra Richtung Dattenrod hat sich nur in einem Flurnamen überliefert

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Röhrda, Werra-Meißner-Kreis“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/6777> (Stand: 12.10.2023)