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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 46. Netra
Gerichtsstätten
Anger in Netra
Alte Linde in Netra

Weitere Informationen

Netra

Ortsteil · 305 m über NN
Gemeinde Ringgau, Werra-Meißner-Kreis 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

10, 5 km südsüdöstlich von Eschwege gelegen

Lage und Verkehrslage:

Geschlossenes Dorf mit regellosen Grundrissmerkmalen und geringer Siedlungsdichte nördlich der Netra, dicht an der heutigen Grenze zum Freistaat Thüringen. Kirche und Schloss am Westrand im ursprünglichen Ortskern. Siedlungsentwicklung nach Südosten entlang der als Rimbachstraße durch den Ort in Richtung Eisenach verlaufenden B 7, von der die Landesstraße L3247 (Brauhausstraße) nach Süden abknickt. Jüngere Besiedlung im Norden

Ersterwähnung:

1025

Siedlungsentwicklung:

Auf der Steinmilze südwestlich von Netra wurde 1827 ein Grabfund der jüngeren Hügelgräberbronzezeit gemacht, das als Zeugnis einer reichen Frauentracht gilt.

1928 erfolgt die Eingemeindung von Teilen des aufgelösten Gutsbezirks Forst Reichensachsen.

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • comitatus (1025)
  • pagus; villa (1141)
  • villa (1195)

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Burgen und Befestigungen:

Umlegung der Flur:

1896

Älteste Gemarkungskarte:

1781

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3576606, 5662712
UTM: 32 U 576502 5660886
WGS84: 51.094365° N, 10.092469° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

636010040

Flächennutzungsstatistik:

  • 1885 (Hektar): 1220, davon 675 Acker (= 55.33 %), 85 Wiesen (= 6.97 %), 283 Holzungen (= 23.20 %)
  • 1961 (Hektar): 1370, davon 561 Wald (= 40.95 %)

Einwohnerstatistik:

Diagramme:

Netra: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1025: Grafschaft Netra im Ringgau (comitatus Nederne in Reinicgowe)
  • 1141: Gau Neter (in pagus Nedere)
  • 1460: Landgrafschaft Hessen, Amt Eschwege, Gericht Boyneburg
  • 1585: Landgrafschaft Hessen, Niederfürstentum, Amt Eschwege, Gericht Boyneburg
  • 1654: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1787: Landgrafschaft Hessen-Kassel, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1803-1806: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Eschwege, Kanton Netra
  • 1814-1818: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Bischhausen
  • 1818-1821: Kurfürstentum Hessen, Niederhessen, Amt Netra
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Eschwege
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Niederhessen, Kreis Eschwege
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Eschwege
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Eschwege
  • 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Werra-Meißner-Kreis

Altkreis:

Eschwege

Gericht:

  • vor 1822: Amt Netra
  • 1822: Justizamt Netra
  • 1867: Amtsgericht Netra
  • 1879: Amtsgericht Netra
  • 1932: Amtsgericht Eschwege

Herrschaft:

König Konrad II. schenkt 1025 auf Bitten der Königin Gisela, des Erzbischofs Aribo [von Mainz] und des Abtes Richard dem Kloster Fulda die Grafschaft Netra im Ringgau zu freiem Verfügungsrecht.

Seit dem 14. Jahrunderts treten konkurrierende Herrschaftsansprüche in Netra zutage.

Die Herren von Netra werden bereits 1073 genannt und errichten vermutlich die erste Burg, die sie 1318 den Landgrafen von Thüringen zu Lehen auftragen. Weitere Auftragungen erfolgen 1404 und 1418. Bereits 1366 verkauft allerdings Eberwein von Netra Dorf und Gericht an die von Boyneburg, die dieses nachweislich ab 1460 von Hessen zu Lehen nehmen. Mit dem Aussterben des Geschlechts derer von Netra 1558 fällt deren restlicher Besitz an die Herren von Boyneburg-Honstein (Hohenstein), die nach dem Abbruch der alten Anlagen Ende des 16. Jahrhunderts das Wasserschloss erbauten. Die Familie stirbt 1792 aus.

Ein Teil des Dorfes geht 1352 von Pfalzgraf Ludwig bei Rhein zu Lehen an Heyse von Falken. Nach dem Aussterben derer von Falken 1574 erfolgen weitere kurpfälzische Belehnungen an die von Herda und seit dem 17. Jahrhundert an die von Siegel und von Meysenbug [1352, 1477, 1495, 1520-1693, 1695-1753 HStAM Bestand 17 c Serie ...].

Ein in Frankfurt 1531 zwischen den von Boyneburg und den kurpfälzischen Lehnsmannen, denen von Falken, dokumentiert die Konfliktsituation: die falkischen Hausgesessenen waren in Fällen hoher Gerichtsbarkeit vor das Gericht in Röhrda zu bringen.

Um 1376 geht ein hessisches Burglehen in Netra an Hermann und Kurt Hoybt. Mit der Übernahme des Germeröder Besitzes sind die Landgrafen von Hessen Netra zwar stärker als Grundherren in Netra vertreten, reklamieren aber nicht die Ortsherrschaft, die als Lehen in den Händen der Boyneburger liegt. Von den 86 Hausgesessenen 1585 sind nur 18 dem Landgrafen verpflichtet.

Gemeindeentwicklung:

Am 31.12.1971 im Zuge der hessischen Gebietsreform mit anderen Gemeinden zur neu gebildeten Gemeinde Ringgau zusammengeschlossen, deren Ortsteil Netra wurde.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • König Konrad II. schenkt 1025 "comitatum Nederne" dem Kloster Fulda.
  • 1141 bestätigt der Mainzer Erzbischof Markolf dem von dem Grafen Siegfried IV. von Boyneburg und seinen Vorfahren gegründeten Benediktinerkloster Blasien zu Northeim u.a. seinen Besitz zu Netra. Der Besitz des Klosters Northeim gelangt um 1200 an das Kloster Bursfelde, welches ihn noch 1446 innehat.
  • Besitz des Klosters Germerode in Netra wird bereits 1195 in einer Urkunde von Papst Coelistin bestätigt. Der Besitzstand kann in der Folge vergrößert werden. 1451 werden drei Vorwerke ohne weitere Angaben aufgeführt. Mit der Einführung der Reformation fällt der Besitz an Hessen.

Zehntverhältnisse:

1141 schenkt der Mainzer Erzbischof Markolf dem von dem Grafen Siegfried IV. von Boyneburg und seinen Vorfahren gegründeten Benediktinerkloster Blasien zu Northeim u.a. den Zehnten zu Netra.

Ortsadel:

1073-1556

Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • Pfarrer 1365
  • Quadratischer spätgotischer Chorturm mit markantem Spitzhelm um 1500, klassizistischer Saalbau 1842/43 errichtet.

Patrozinien:

  • Jacobus

Pfarrzugehörigkeit:

Protestantische Pfarrei mit Filial Rittmannshausen 1872. Nach der Aufhebung der Vikariatsgemeinde Lüderbach gehörte diese 1994 ebenso wie Rittmannshausen zum Kirchspiel Netra-Lüderbach.

Patronat:

Das Patronat besitzen 1510 die von Boyneburg-Hohenstein bis zu ihrem Aussterben 1792, danach landgräflich

Bekenntniswechsel:

Einführung der Reformation in der Landgrafschaft Hessen ab 1526.

Erster nachweisbarer evangelischer Pfarrer: Nikolaus Leimbach (Lyra) 1562-1570, zunächst zusammen mit Zacharias Ellenberger, Pfarrer von Renda, als Pfarrer von Netra erst 1569 bestätigt.

Kirchliche Mittelbehörden:

1506: Erzbistum Mainz, Archidiakonat Dorla, Archipresbyterat Röhrda

Protestantische Pfarrei der Klasse Eschwege

Juden:

Provinzial-Rabbinat Kassel; angeschlossen Datterode und Wichmannhausen

1835: 88; 1861: 110; 1905: 68; 1932/33: 32 Juden

1519 lebte vermutlich ein Jude im Ort. Jüdische Familien waren vermutlich erst seit Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts im Ort ansässig.

Synagoge vorhanden, ihr Alter ist allerdings unklar; nach Auflösung der Gemeinde wurde sie als Stall bzw. Scheune benutzt.

jüdische Elementarschule im Ort, 1867 mussten die Kinder jedoch die christliche Schule besuchen. seit 1869 wieder Unterricht an der jüdischen Schule, diese wurde 1924 aufgelöst.

Berufe: Viehhandel, Handel; aber auch Handwerk

zwischen 1933-1938 Auswanderung von 16 Personen; nur noch 2 Familien im Ort

Jüdischer Friedhof, Grabsteine stammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Der ältere lag am Flur Krückholz, der neue wurde Mitte des 19. Jahrhunderts angelegt und liegt 1,5 Kilometer außerhalb der Ortschaft an der Straße nach Grandenborn. (alemannia-judaica)

Kultur

Schulen:

1910 Volksschule mit zwei Klassen

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

1141 gehören zum pagus Nedere neben dem Ort selbst Alboldeshusen, Balderichishusen, Dattenrode, Hoenroth, Rorenreth, Vugelererot, Willeberesbach und Willemundesbach. Es bildete ein Gericht mit Röhrda (s. d.).

Netra ist seit 1818 Gerichtssitz im Amt Eschwege.

Mühlen:

Ursprünglich überwiegend Landwirtschaft, Handwerk und Leinenweberei

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Netra, Werra-Meißner-Kreis“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/6509> (Stand: 2.2.2024)