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Amokläufer richtet Blutbad in Eppstein-Vockenhausen an, 3. Juni 1983

Ein mit zwei Pistolen bewaffneter Mann tötet bei einem Amoklauf in der Freiherr-vom-Stein-Gesamtschule in Eppstein-Vockenhausen (8,5 Kilometer nordwestlich von Hofheim am Taunus) drei Schüler, einen Lehrer sowie einen unbewaffneten Polizisten. Anschließend verübt der bei einem Großunternehmen in Frankfurt am Main angestellte Wachmann nach einem Schusswechsel mit der Polizei Selbstmord. 14 Personen, darunter ein Lehrer und acht Kinder, erleiden zum Teil lebensgefährliche Schussverletzungen. Der Täter, der 1948 in Prag geborene Karel Charva, hatte 1968 seine Heimatstadt verlassen und war 1971 in Deutschland vom Bundesamt in Zirndorf als ausländischer Flüchtling anerkannt worden.

Charva betritt gegen 10:45 Uhr das Klassenzimmer 213, in dem der Lehrer Franz-Adolf Gehlhaar (1938–2016) eine Englischstunde gibt. Gehlhaar wird von acht Schüssen getroffen, überlebt aber schwerverletzt. Der Amoktäter feuert aus beiden Waffen auf die Schülerinnen und Schüler der Klasse 6a, die sich panisch in eine Ecke flüchten. Der aus dem gegenüberliegenden Raum 214 wegen des Lärms herbeieilende Lehrer Hans-Peter Schmitt wird in der geöffneten Tür tödlich getroffen. Der am Boden liegende Gehlhaar fordert seine Schüler auf: „Schnell, raus hier!“, worauf es einem Teil der Klasse gelingt, an dem bewaffneten Täter vorbei ins Freie zu gelangen.

Auf dem Flur nähert sich nun der als Verkehrserzieher an der Schule tätige Frankfurter Schutzpolizeibeamte Gisbert Beck (geb. 1939), der die Schüsse auf dem Schulhof gehört hat. Beck, in Uniform, aber ohne Dienstwaffe, ruft dem Amokläufer zu: „Waffe weg! Polizei!“, woraufhin dieser unverzüglich das Feuer eröffnet. Beck wird tödlich getroffen, sein Kollege alarmiert die Polizeikollegen. Die Besatzung eines Funkstreifenwagens aus Eppstein trifft als erste am Ort des Geschehens ein. Charva, den die Beamten zunächst für einen Polizisten halten, eröffnet wiederum ohne jede Vorwarnung das Feuer und läuft ins Klassenzimmer zurück, wo er sich auf den Boden legt. Hinter vorgehaltenen Tischen nähert sich ein Streifenbeamter zusammen mit einem Feuerwehrmann über den Flur langsam der Klasse 213. Als die beiden von dort aus beschossen werden, gibt der Polizist vier Schüsse auf den Täter ab. Gleichzeitig fordert die Schulleitung die noch im Gebäude befindlichen Schüler und Lehrer über Lautsprecherdurchsagen auf, sich in ihren Klassenräumen zu verbarrikadieren. Kurze Zeit später ist in der Klasse noch ein einzelner Schuss zu vernehmen, mit dem sich der Amokläufer selbst richtet.

Am 8. Juni findet in der Sporthalle der Freiherr-vom-Stein-Schule für die bei dem Amoklauf ums Leben gekommenen Schüler Stefanie Herrmann, Javier Martinez und Gabriele Siebert, den Rektor Hans-Peter Schmitt und den Polizeihauptwachtmeister Gisbert Beck eine Trauerfeier statt, an der der hessische Kultusminister Hans Krollmann (1929–2016; SPD), der Limburger Bischof Franz Kamphaus (geb. 1932), der Bundesminister für Forschung und Technologie Heinz Riesenhuber (geb. 1935; CDU), eine Reihe von Abgeordneten und führende Kommunalpolitiker des Main-Taunus-Kreises, der Stadt Eppstein und der umliegenden Gemeinden teilnehmen.
(KU)

Belege
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.6.1983, S. 7: Blutiger Überfall auf eine Schule bei Frankfurt: Täter erschießt drei Kinder, einen Lehrer, einen Polizisten und sich selbst / 14 Verletzte
  • Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9.6.1983, S. 31: „Die unglücklichste Stunde für Lehrer und Schüler“: Zweitausend Trauergäste nehmen Abschied von den Opfern des Eppsteiner Mordanschlags
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Amokläufer richtet Blutbad in Eppstein-Vockenhausen an, 3. Juni 1983“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1474> (Stand: 3.6.2022)
Ereignisse im Mai 1983 | Juni 1983 | Juli 1983
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