Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Biografie

Portrait

August Wilhelm Jaspert
(1871–1941)

Symbol: Anzeigemodus umschalten Symbol: Anzeigemodus umschalten Symbol: Druckansicht

Jaspert, August Wilhelm [ID = 14309]

* 20.3.1871 Hamm (Westfalen), † 15.1.1941 Frankfurt am Main, katholisch; evangelisch
Lehrer, Rektor, Politiker, Stadtverordneter, Stadtrat, Abgeordneter
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • katholisch getauft; er sah sich stets als evangelisch an
  • 1877-1886 Bürgerschule in Hamm, Westfalen
  • 1886-1888 Präparandenanstalt zu Soest
  • 18.4.1888-7.2.1891 Lehrerseminar in Soest
  • 7.2.1891 erste Prüfung
  • 2.11.1893 zweite Prüfung
  • Befähigung für den Organistendienst, für den Kantorendienst und für das Turnen
  • Mittelschullehrerprüfung in Religion, Deutsch 1899, in Mathematik 1901, in Französisch 1906, in Englisch 1907
  • 1900 Rektorenprüfung für Volksschulen
  • 1906 Prüfung Leiter von Schulen mit französischem Unterricht
  • Militärdienst in den Jahren 1891, 1895, 1900, 1915, 1917 insgesamt 261 Tage
  • „Kriegsdienst“ 1915 7 Tage und 1917 46 Tage
  • 1.4.1891-1893, Volksschullehrer in Buschhütten und in Creuzthal im Siegerland,
  • 1893-1903 in Gevelsberg bei Hagen
  • 1.10.1903 Frankfurt am Main, Westend-Mittelschule
  • 1908-31.3.1933 Rektor der Kaufunger Schule, Mittelschule in Frankfurt am Main (Bockenheim)
  • 1914 Mitglied im großen Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinden Frankfurts
  • 1918 Gemeindeverordneter
  • 1914 (lokaler) Vorsitzender im Pfadfinderverein „Jungdeutschland“
  • 1917 Mitglied im Ausschuss der Stadtverordnetenversammlung für das Jugendamt
  • Familien- und Kinderhilfe der Kriegsfürsorge im Ersten Weltkrieg
  • Jugendwohlfahrtspflege (Kinderhilfe der Quäkerspeisung)
  • Vorbeugende Jugendfürsorge im Regierungsbezirk Wiesbaden
  • Vorsitzender des Ausschusses für Ferienwanderungen
  • Mitglied des Landesjugendamtes des Regierungsbezirks Wiesbaden
  • Mitarbeiter der Zentrale für Private Fürsorge
  • Vorstandvorsitzender der Deutschen Jugendherbergen, Zweigausschuss Main-Lahn-Fulda
  • 1931-1933 Vorsitzender des Verbands Deutscher Gebirgs- und Wandervereine
  • 1920 Mitgründer des Kinderdorfs Wegscheide bei Bad Orb für Frankfurter Kinder, Leiter des Kinderdorfs Wegscheide
  • Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), dann der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot
  • Kreisvorsitzender der DNVP, Frankfurt am Main
  • 1924, 1928 und 1933 Wahl in die Stadtverordnetenversammlung Frankfurt am Main
  • 1924-1928 ehrenamtlicher Stadtrat in Frankfurt am Main
  • 1926 Dezernent für Schulturnen und die ergänzende Schulfürsorge
  • Mitglied der Schuldeputation; Mitglied im Schulausschuss für die städtischen höheren Schulen
  • 1933-1934 ehrenamtlicher Stadtrat in Frankfurt am Main
  • 1926-1929 Mitglied des Nassauischen Kommunallandtags des preußischen Regierungsbezirks Wiesbaden bzw. des Provinziallandtages der preußischen Provinz Hessen-Nassau für den Stadtkreis Frankfurt am Main (Hessen-Nassauische Arbeitsgemeinschaft Stadt und Land)
  • 1928-1932 Mitglied des Preußischen Landtags für den Wahlkreis 19: Hessen-Nassau (DNVP)
  • 1931 Ehrenplakette der Stadt Frankfurt am Main
  • 1961 Gedenkstein im Kinderdorf Wegscheide
  • Jaspertstraße in Frankfurt am Main (Preungesheim)
  • August-Jaspert-Schule in Frankfurt am Main (Bonames)

Funktion:

  • Wiesbaden, Regierungsbezirk, Kommunallandtag, Mitglied (Ag), 1926-1929
  • Preußen, Landtag, Mitglied (DNVP), 1928-1933
  • Hessen-Nassau, 16. Provinziallandtag, Mitglied (DNVP), 1926
  • Hessen-Nassau, 17. Provinziallandtag, Mitglied (DNVP), 1928
  • Hessen-Nassau, 18. Provinziallandtag, Mitglied (Ag), 1928

Werke:

  • Das Problem der ästhetischen Einfühlung und die ästhetische Erziehung. Anregungen (1914)
  • Ein billiges, nahrhaftes und wohlschmeckendes Volksnahrungsmittel, in: Kleine Presse, 17.4.1915, Nr. 89, S. 6.
  • Die Kinderspeisung während der Sommerferien 1918, in: Frankfurter Kriegsküchen-Nachrichten, 29.8.1918, Nr. 13, S. 1 f.
  • Kinderspeisung während der Sommerferien, in: Frankfurter Nachrichten und Intelligenzblatt, 31.8.1918, Nr. 241, S. 5.
  • Die Kinderstadt Wegscheide, in: Die Wegscheide. Blätter für Erziehung und Jugendkunde 1 (1922) , [o.S.]
  • Das Kinderdorf Wegscheide als Unterrichts- und Erziehungsstätte, in: Die Wegscheide. Blätter für Erziehung und Jugendkunde 3 (1925), S. 5-10
  • Kindererholungsstätte Wegscheide, in: Jahrbuch der Frankfurter Bürgerschaft 2 (1926), S. 109-113.
  • Zum Geleit!, in: Arbeitsausschuss für die Pestalozzifeier 1927, (Hrsg.), Pestalozzi und Frankfurt am Main. Ein Gedenkbuch zum hundertsten Todestage Johann Heinrich Pestalozzis, Frankfurt am Main 1927, [o.S.]
  • Pestalozzi und der Gemeinschaftsgedanke, in: Arbeitsausschuss für die Pestalozzifeier 1927, (Hrsg.), Pestalozzi und Frankfurt am Main. Ein Gedenkbuch zum hundertsten Todestage Johann Heinrich Pestalozzis, Frankfurt am Main 1927, S. 28-33.
  • (Hrsg.), Kinderdorf Wegscheide [1929]
  • Wegscheide, die Schule der Zukunft, in: Der Schulverband. Zeitschrift für die Angelegenheiten und Interessen der Schulverbände 5 (1931), H. 9-10, S. 344-349, 389-393.
Familie

Vater:

Jaspert, Heinrich Christoph Wilhelm, * 15.1.1825, † 8.9.1870, evangelisch

Mutter:

Wilshaus, Christine Maria Elisabeth (Lisette), * 6.11.1826, † 16.7.1901, katholisch

Partner:

  • Waldmann, Anna Margaretha, * 24.11.1867, † 2.10.1960, Heirat 18.4.1895
Nachweise

Quellen:

Literatur:

Leben

August Jaspert wirkte als Lehrer und Rektor, der sich darüber hinaus vielfältig für Kinder einsetzte, an erster Stelle für das von ihm mit gegründete größte Schullandheim Deutschlands,1 die Wegscheide in Bad Orb. Er war rechtsradikal eingestellt und ein wichtiger hessischer DNVP-Politiker.

Jaspert hatte nach einer breiten Ausbildung zum Lehrer und Fortbildungen für weitere Schulfächer sowie für Führungsaufgaben erfolgreich das Amt des Rektors einer Mittelschule in Frankfurt am Main erreicht und leitete diese viele Jahre.

Während des Ersten Weltkrieges hielt er hurrapatriotische Reden; später war er ein Zeitungsautor mit praktischen Ratschlägen sowie Organisator von Kinderspeisungen.2 Er kämpfte 53 Tage an der Front. 1917 unterzeichnete er einen öffentlichen Aufruf, der Deutschen Vaterlandspartei beizutreten. Deren „Hauptziel war ein deutscher Siegfrieden mit möglichst weitreichenden Annexionen“.3

Nach dem Krieg setzte Jaspert sein soziales Engagement für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Ämtern fort. Sein Lebenswerk ist die Gründung des Kinderdorfs Wegscheide bei Bad Orb 1920, das vor allem für Frankfurter Kinder Erholung in den Notzeiten bieten sollte. Das Kinderdorf übernahm später zudem die Aufgabe eines Schullandheims; es existiert bis heute.

Schon in der Weimarer Zeit war sein Ideal die Volksgemeinschaft. „Von der Gemeinschaft der Deutschen, von der Gemeinschaftserziehung erhoffen wir uns Rettung und Aufstieg.“4 Er freute sich, dass „das Jahrhundert mit seinem schrankenlosen Individualismus“ vorbei sei, und „sich klar Zeichen bemerkbar [machten], daß eine neue Zeit opferfreudigen Gemeinschaftslebens emporsteigt.“5 Deshalb wollte er in der Wegscheide solche Gemeinschaftserlebnisse „schaffen, um hier die Fundamente eines neuen deutschen Volkes zu legen“6 – seine Kinderhilfe war also auch politisch motiviert. Denn wie damals in rechten Kreisen verbreitet, meinte er sich gegen eine Welt wenden zu müssen, „die sich müde fühlt, und die bedroht ist durch einen öden Mechanismus mit der ihm folgenden Entseelung“.7

Zusätzlich zu seiner Leitung der Wegscheide war er aktiv als DNVP-Politiker und hatte seit Mitte der 20er Jahre bis in die NS-Zeit verschiedene Mandate inne: So war er DNVP-Abgeordneter im Preußischen Landtag von 1928 bis 1932 sowie ehrenamtlicher Stadtrat in Frankfurt am Main von 1933 bis 1934, als die Wahlergebnisse der DNVP schlecht waren. Die Deutschnationale Volkspartei war eine antidemokratisch-antirepublikanische Partei: sie war nationalistisch, militaristisch, revisionistisch, antisemitisch, xenophob und sexistisch.8 Sie radikalisierte sich unter Alfred Hugenberg und wurde zum Steigbügelhalter des NS-Staates.

Man habe mit Jaspert „vor allem über die Politik, die er als deutschnationaler [A]bgeordneter mit Leidenschaft verfolgte, jederzeit .. Meinungen austauschen“9 können. 1930 hetzte er gegen die Weimarer Republik: „Brot ist nur für diejenigen da, die es verstanden haben, aus dem Leder des deutschen Volkes Riemen zu schneiden, die mit Hilfe des roten und rosaroten Parteibuches in gut bezahlten Stellungen sitzen, während bereits 3 000 000 Deutsche hungern müssen“.10 Noch Ende Februar 1933 wies er in seiner Ansprache auf einer „Kundgebung der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot im Ufa-Theater Groß-Frankfurt“11 „auf die Bedeutung des Regierungswechsels“12 hin, ungeachtet des einsetzenden NS-Terrors mit Görings Schießbefehl für die preußische Polizei. Der NS-Oberbürgermeister Friedrich Krebs sah ihn als ehrenamtlichen Stadtrat nur ungern scheiden.13

Jaspert fertigte 1933 eine programmatische Schrift zur Schulverwaltungsreform in Frankfurt a.M.14 an mit völkisch-rassistischen Ansichten: Die Ablehnung der Weimarer Republik ist eindeutig. Fanatismus verstand er als Ideal. Implizit stellte er Mädchen als zukünftige Mütter von Soldaten dar; zum Lebenszweck von Jungen propagierte er, später einmal im Krieg zu kämpfen und bereit zu sein, dabei zu sterben. Wer als Lehrer nicht entsprechend erziehen wolle, sei krank.

Jaspert vertrat eine Ahnenverehrung. Er äußerte mystische Vorstellungen wie „zu den Urkräften, den Müttern zurückführen“, und sprach vom Kind „als Sohn der Erde“.15 Seine Aussage der menschlichen Widerspiegelung von „den leuchtenden Funken vom Urknall des Guten“16 klingt gnostisch.

Im NS-Staat und dessen charakteristischen Konflikten zwischen Nationalsozialisten wurde er als Leiter der Wegscheide von Personen aus Bad Orb angegriffen, die sich wirtschaftliche Vorteile durch das Kinderheim versprachen. Neben Jaspert war damals die zweite Gesellschafterin der Bürgerausschuss e.V.; ihr Vertreter war Oberlandesgerichtsrat Ernst Wagner, DNVP-Mitglied, später Mitglied in der NS-Kulturgemeinde und Richter am Erbgesundheitsobergericht.17

Gunter Stemmler


  1. Wegscheide 1920-1940 [/] Das größte Schullandheim Deutschlands. 20 Jahre Wegscheide!, Frankfurt am Main 1940.
  2. Siehe die Datenbank „Der Erste Weltkrieg im Spiegel hessischer Regionalzeitungen“ http://hwk1.hebis.de/ zu den Suchbegriffen „August Jaspert“ und „Rektor Jaspert“. Sarah Hadry, Deutsche Vaterlandspartei (DVLP), 1917/18, publiziert am 20.12.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: [15.12.2018].
  3. Sarah Hadry, Deutsche Vaterlandspartei (DVLP), 1917/18, publiziert am 20.12.2007; in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: [15.12.2018].
  4. Zitate siehe Jaspert, Pestalozzi, S. 29.
  5. Zitate siehe Jaspert, Kinderstadt, S. 24.
  6. Jaspert, Pestalozzi, S. 33.
  7. August Jaspert, Zum Geleit!, in: Arbeitsausschuss […], (Hrsg.), Pestalozzi […], [o.S.]
  8. Siehe Webseite des Deutschen Bundestages, [Stand: 10/2018].
  9. Hans Achinger, Von der Praxis des privaten Fürsorgewesens über seine Liquidation im Nationalsozialismus zur Professur für Sozialpolitik, […], in: Bertram Schefold, (Hrsg.), Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler in Frankfurt am Main […], Marburg 3. Aufl. 2016, S. 141-146, hier S. 144.
  10. Volksstimme, 17.2.1930; aus: PA 204.331, Bl. 221.
  11. Zitate siehe Webseite des Instituts für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, Stadtchronik, zum 26.2.1933, [Stand: 10/2018].
  12. Höchster Kreisblatt – Main-Taunus-Zeitung, 27.2.1933, S. 5.
  13. PA 17.156, Bl. 40.
  14. ISG, Schulamt 2.174.
  15. Zitate siehe Schulamt 2.174, S. 4, 14.
  16. Jaspert, Pestalozzi, S. 28.
  17. Siehe Arthur von Grünewald, Die Richterschaft des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in der Zeit des Nationalsozialismus. Die Personalpolitik und Personalentwicklung, Tübingen 2015, S. 295, 301 – Anm. 82, 320 f. – Anm. 156.
Zitierweise
„Jaspert, August Wilhelm“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/1055283285> (Stand: 28.11.2023)