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Straßenschlacht zwischen Anti-Schah-Demonstranten und der Polizei in Frankfurt, 25. November 1978

Bei einer Demonstration gegen den Schah von Persien, Mohammad Reza Pahlavi (1919–1980) und die Militärregierung im Iran in Frankfurt am Main werden über 300 Menschen verletzt, darunter allein 70 Polizeibeamte, die versuchen, die Erstürmung des amerikanischen Generalkonsulats zu verhindern. Aufgerufen zu dem Protestmarsch hat die 1971 im Iran verbotene Conföderation Iranischer Studenten – National Union (CISNU). Der anfänglich (von kleineren Zwischenfällen abgesehen) friedlich verlaufende Protestumzug eskaliert kurz vor dem offiziellen Ende der Demonstration in eine Straßenschlacht, die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrationsteilnehmern und der Polizei, die zunächst vor dem Konsulat im Westend ausgetragen werden, verlagern sich später auf den Campus der Universität. Zahlreiche Demonstrationsteilnehmer rollen am Morgen von außerhalb aus dem gesamten Bundesgebiet an, so unter anderem aus dem Raum Hamburg, Bremen, München, und Würzburg.

Um 11:40 Uhr passiert der mittlerweile auf etwa 5.000 Teilnehmer angewachsene Demonstrationszug zum ersten Mal an diesem Tag die Kreuzung Bockenheimer Landstraße und Siesmayerstraße, in der sich das amerikanische Generalkonsulat befindet. Sprechchöre wie „Amis raus aus dem Iran“ erschallen. Im weiteren Verlauf erhöht sich Anzahl der Demonstranten weiter, auf Höhe des Opernplatzes beteiligen sich etwa 7.000 Menschen an dem Protestmarsch. Persische Demonstranten sind darunter aber in der Minderheit, ihre Zahl wird auf nicht mehr als etwa tausend geschätzt. An dem Angriff auf das Konsulat beteiligen sich nach Polizeiangaben jedoch mehrheitlich Perser: etwa vierhundert von ihnen und halb so viele deutsche Protestler (nach Verlautbarung der Polizei zum großen Teil Angehörige des Kommunistischen Bundes Westdeutschland KBW) verursachen dort ein zwei Stunden anhaltendes gewalttätiges Chaos.

Es herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände. Auf die Beamten prasselt ein Steinhagel nieder. Zahlreiche Demonstranten prügeln mit Knüppeln und eisernen Bauklammern auf die Polizeischutzschilde ein. Autos werden umgeworfen; man versucht, sie in Brand zu setzen. Bis zum Eintreffen von Verstärkung ist die Polizei gezwungen schrittweise den Rückzug anzutreten. Wiederholt angeforderte Rettungsfahrzeuge bringen zahlreiche Verletzte in die umliegenden Krankenhäuser. Frankfurts Polizeipräsident Knut Müller (1929–2016; SPD) spricht im Anschluss von den „blutigsten Ausschreitungen seit Jahren“: „Wir sind von den Ereignissen überrollt worden. Die Beamten, die das Konsulat schützen sollten, sind in einer Weise angegriffen worden, daß kaum einer unverletzt geblieben ist. Es sieht grauenhaft aus.“ Insgesamt werden 16 Demonstranten verhaftet. Nur etwa hundert Meter vom Schauplatz der Straßenschlacht entfernt, findet derweil eine regelrechte Menschenjagd auf den Leiter der Frankfurter Kriminalpolizei, Erich Panitz, statt. Von einer Gruppe von Demonstranten erkannt („Da ist die Sau! Der Panitz, das Schwein!“) prügeln die Gewalttäter auf den Kriminaloberrat ein, der sich leichtverletzt allerdings in eine Wohnhaus flüchten kann. Einige Zeit später, nachdem sich die Ausschreitungen auf den Campus der Universität verlagert haben, sehen sich dort – ähnlich wie bereits vor dem US-Konsulat – wenige Hundert Polizeibeamte den zahlenmäßig weit überlegenen Demonstranten gegenüber. Ein Beamter äußert nach dem Zusammenstoß: „Wir hatten Todesangst“.

Polizeipräsident Müller räumt am Tag darauf ein, dass den 7.000 Demonstranten gerade gut 600 Beamte gegenüberstanden. Während es zunächst heißt, Müller habe sich am Freitag noch vergeblich um Verstärkung bemüht (das hessische Innenministerium soll sich jedoch außerstande erklärt haben, die nötige Zahl von Beamten nach Frankfurt zu schicken) wird später deutlich, dass Müller ein viel zu geringes Kontingent angefordert hat. Aus dem Innenministerium heißt es allerdings kurz darauf: „Hätte er zehn Hundertschaften haben wollen, hätte er auch zehn bekommen.“

Fast schon beiläufig wird am folgenden Tag die Nachricht aufgenommen, das Teilnehmer der Demonstration auch das 13. Polizeirevier in Bockenheim angriffen, es dann aber mit einigen Steinwürfen auf die Fensterscheiben und dem Einschlagen der Tür bewenden ließen.
(KU)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Straßenschlacht zwischen Anti-Schah-Demonstranten und der Polizei in Frankfurt, 25. November 1978“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1408> (Stand: 25.11.2022)
Ereignisse im Oktober 1978 | November 1978 | Dezember 1978
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