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Hessische Biografie

Portrait

Ernst Ludwig Großherzog von Hessen und bei Rhein
(1868–1937)

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Hessen und bei Rhein, Ernst Ludwig Großherzog von [ID = 1322]

* 25.11.1868 Darmstadt, † 9.10.1937 Wolfsgarten Schloss, evangelisch-lutherisch
Dr. h.c.; Dr. phil. h.c.; Dr. jur. h.c.
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • Offiziersausbildung
  • mehrere Semester Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig
  • 13.3.1892-1918 regierender Großherzog von Hessen und bei Rhein
  • 9.11.1918 Thronverlust infolge der Erklärung Hessens zur Republik
  • Dichter, Zeichner, Komponist
  • Förderer der Kunst und der Wissenschaften
  • Gründer der Darmstädter Künstlerkolonie
  • Königlich Preußischer General der Infanterie à la suite

Werke:

Familie

Vater:

Hessen und bei Rhein, Ludwig IV. Großherzog von, * Bessungen 12.9.1837, † Darmstadt 13.3.1892

Mutter:

Großbritannien, Alice* Maud Mary Prinzessin von, 1843–1878

Partner:

Verwandte:

Nachweise

Literatur:

Bildquelle:

Großherzog Ernst Ludwig, Ölbild von Franz von Stuck, Hessische Hausstiftung, Schlossmuseum Darmstadt B 21005 (beschnitten), in: Franz, Das Haus Hessen, Darmstadt 2012, S. 374

Leben

Als Sohn des Thronfolgers erhielt Ernst Ludwig eine sorgfältige Erziehung, an der neben dem jeweiligen Hauslehrer (wie später bei den eigenen Söhnen) auch Fachlehrer des Darmstädter Realgymnasiums beteiligt waren. Der für die Zeit recht vielseitige Sportunterricht ist wohl dem Einfluss der englischen Großmutter Victoria zuzuschreiben, die sich nach dem frühen Verlust der Mutter sehr für die Darmstädter Enkel engagierte. Inzwischen offiziell Erbgroßherzog, bekam Ernst Ludwig 1884 zur Hochzeit der Schwester Ella in St. Petersburg die erste Leutnants-Uniform. Die zweijährige militärische Grundausbildung beim Darmstädter Leibgarde-Regiment absolvierte er jedoch erst nach Erreichen der Volljährigkeit 1886/88. In den drei Semestern Jura-Studium in Leipzig 1889/90 waren wichtigste Lehrer Prof. Karl Binding (1841–1920), dessen Dichter-Sohn Rudolf zum bleibenden Freund wurde, und der alte Reichsgerichts-Präsident Eduard von Simson. Auf ein Pflichtsemester an der Landesuniversität Gießen folgte die Fortsetzung der Offiziersausbildung in Potsdam, die im März 1892 mit der Übernahme der Regierung nach dem plötzlichen Tod des Vaters endete. Großmutter Victoria, die dem Enkel das Regieren lehren wollte, organisierte auch die 1894 in Coburg gefeierte Hochzeit mit ihrer dortigen Enkelin Victoria Melita, eine Ehe zwischen letztlich nicht kompatiblen Partnern, die nach wenigen Jahren zerbrach.

Das vor allem von der Mutter geförderte künstlerisch- kulturelle Engagement Ernst Ludwigs überwog eindeutig die militärisch-politischen Interessen. Die Beziehung zur Musik ging auf den Klavier- und Violinunterricht der Jugendjahre zurück. Eine erste „Parsifal“-Aufführung in Bayreuth begründete die lebenslange Wagner-Begeisterung, die später mit dem Einsatz von Darmstädter Theatertechnikern bei den Festspielen auch institutionell verankert wurde. Aus den in Bayreuth geknüpften Kontakten zu führenden Dirigenten der Zeit erwuchsen Einladungen zu Gastspielen am Darmstädter Hoftheater und zu den 1913/14 veranstalteten „Frühjahrsfestspielen“. Eine 1908 begonnene Reihe von Kammermusikfesten endete mit einem Max-Reger-Fest 1911. Die im gleichen Jahr eingeweihte Tanzschule der Schwestern Isadora und Elizabeth Duncan auf der Marienhöhe gehörte bereits in den Kontext der Künstlerkolonie.

Erster Mentor im Bereich der bildenden Kunst war Maximilian von Heyl (1844–1925) aus der Wormser Industriellenfamilie, der schon in den 1850er Jahren gemeinsam mit dem gleichaltrigen Prinzen Wilhelm im Karls-Palais erzogen wurde. Nach dem Ausscheiden aus der Offizierslaufbahn war er zeitweilig Herzog Alfred von Edinburgh/Coburg, dem nachmaligen Schwiegervater Ernst Ludwigs, zugeordnet. Mit der endgültigen Niederlassung in Darmstadt 1890 machten er und seine Frau Doris geborene Stein den auf dem Gelände des Riedesel-Gartens in Darmstadt errichteten „Heylshof“ unweit des Neuen Palais zum Künstler- und Literatentreff; sie knüpften die Beziehungen zu Franz von Lenbach und Friedrich von Kaulbach, die schon in den 1880er Jahren für die Wormser Heyls gearbeitet hatten, wie zur Münchner Künstlergruppe um Franz von Stuck. Aus dem Nachlass Max von Heyls erhielt das 1906 fertiggestellte Darmstädter Landesmuseum seine bedeutende Böcklin-Sammlung. Die Übertragung des Museumsbaus am Herrengarten an den Architekten Alfred Messel (1853–1909) unter Verwerfung der bereits vorliegenden klassizistischen Preis-Entwürfe war eine der ersten selbständigen Regierungsentscheidungen des jungen Großherzogs.

England-Besuche Ernst Ludwigs brachten Kontakte zur neuen Stilkunst der „Arts-and-Crafts“- Bewegung, deren Protagonisten Hugh Baillie Scott (1865–1915) und Charles Robert Ashbee (1863–1942) 1897 zur Neugestaltung von Palais-Räumen in Darmstadt gewonnen wurden. Der Aufruf des Darmstädter Verlegers und Publizisten Alexander Koch (1860–1939) zur „Errichtung von Ateliers für angewandte Kunst“ von 1899 war ein weiterer Anstoß für die schon von der Mutter Alice anvisierte Gründung einer Darmstädter Künstlerkolonie. Mit den ersten sieben Künstlern, zu denen neben dem aus Wien gewonnenen Architekten Joseph Maria Olbrich (1867–1908) unter anderem Peter Behrens und der Darmstädter Ludwig Habich zählten, wurde 1901 um die Künstlerhäuser auf der Mathildenhöhe die erste Aufsehen erregende Jugendstil-Ausstellung „Ein Dokument deutscher Kunst“ eröffnet, der bis 1914 drei weitere folgen sollten. Mit der Kolonie verbunden waren kunstgewerbliche Modell-Manufakturen, „Lehrateliers“ und eine Vermittlungsstelle für Künstlerentwürfe, von denen vor allem die Möbelindustrie des Landes profitierte. Gezielt gefördert wurden von dem auch technisch interessierten Fürsten sowohl die Autofabrikation der Familie Opel in Rüsselsheim wie die Flugversuche August Eulers.

Dass sich Ernst Ludwig, obgleich sein kulturelles Wirken im Vordergrund steht, auch mit der allgemeinen Problematik des Fürstenberufs, der Kunst des Regierens befasst hat, dokumentieren die „Grundideen eines konstitutionellen Fürsten“, die er ab 1907 für seinen im Jahr zuvor aus der zweiten Ehe mit Großherzogin Eleonore geborenen Sohn und Thronfolger Georg Donatus aufgezeichnet hat. Im Weltkrieg 1914/18 hatte Ernst Ludwig kein eigenes Kommando, hielt sich aber zumeist bei den hessischen Regimentern im französischen Feldquartier Moyencourt auf. Trotz des 1917 noch mit einer Festschrift gefeierten 25. Regierungsjubiläums kam das Ende mit der unblutigen Ausrufung des „Volksstaats Hessen“ nicht unerwartet, wie dies die schon vorher angelaufene Planung für die künftige Organisation der großherzoglichen Sammlungen bezeugt. Ernst Ludwig und seine Familie behielten – im Gegensatz zu anderen Fürsten – den Hauptwohnsitz im „Neuen Palais“ in Darmstadt mit dem Sommerhalbjahr in Wolfsgarten bei. Man blieb auch im künstlerisch-gesellschaftlichen Leben der Landeshauptstadt präsent. Die fortdauernde Popularität bezeugte nicht zuletzt die breite Anteilnahme an den Trauerzügen des Jahres 1937.

Eckhart G. Franz

(Text identisch mit: Franz, Das Haus Hessen, S. 373-375)

Zitierweise
„Hessen und bei Rhein, Ernst Ludwig Großherzog von“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/118530933> (Stand: 25.3.2024)