Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Hungen

Stadtteil · 150 m über NN
Gemeinde Hungen, Landkreis Gießen 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Stadt

Lagebezug:

8 km südöstlich von Lich

Lage und Verkehrslage:

Stadt mit komplexem Grundriß an einer Schleife der Horloff. Die ältere, ehemals mit einer Stadtmauer und Wall befestigte Siedlung am rechten Ufer des Flusses fast kreisrund auf einem Basalthügel. Burg bzw. Schloß im Südwesten an höchster Stelle, Kirche in zentraler Lage. Moderne Siedlungen im Westen entlang der B 457, im Südwesten in Richtung Feldheimer Wald sowie östlich links der Horloff.

Durch die Stadt führt die B 489 im Zuge der alten Handelsstraße durch die „kurzen Hessen“.

Bahnhof der Eisenbahnlinie Gießen – Gelnhausen („Lahn-Kinzig-Bahn“). Die Teilstrecke Gießen - Hungen wurde am 29.12.1869 eröffnet und die Teilstrecke Hungen - Nidda am 29.6.1870 in Betrieb genommen.

Endbahnhof der Eisenbahnlinien Hungen – Mücke (Inbetriebnahme der Strecke 1.6.1890) (1959 eingestellt ab Laubach) und Friedberg – Hungen – Nidda („Horlofftalbahn“) (Inbetriebnahme der Strecke 1.10.1897) bis Stilllegung der Teilstrecke ab Wölfersheim 1983.

Ersterwähnung:

782

Siedlungsentwicklung:

Über die Gestalt der ältesten, möglicherweise fränkischen Siedlung 200 m nördlich des Limes ist nichts bekannt. Nach 1361 Ausbau mit Mauern, 2 Toren (Ober- und Untertor) und Türmen, Burg in die Stadtmauer integriert. Anfang des 17. Jahrhundert Schloßbau an der Stelle der früheren Burg. Im 19. Jahrhundert Herauswachsen aus dem beengten Stadtbering zunächst nach Westen und Süden, seit 1948 auch nach Osten

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Älteste Gemarkungskarte:

1853

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3492917, 5593264
UTM: 32 U 492845 5591467
WGS84: 50.475145° N, 8.89917° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

531008020

Flächennutzungsstatistik:

  • 1854 (Morgen): 5185, davon 3045 Acker, 727 Wiesen, 1413 Wald
  • 1961 (Hektar): 1505, davon 576 Wald

Einwohnerstatistik:

  • 1970: 3984 Einwohner
  • 1981: 11892 Einwohner
  • 1830: 969 evangelische, 5 römisch-katholische Einwohner, 53 Juden
  • 1961: 2150 evangelische, 1098 römisch-katholische Einwohner
  • 1961 (Erwerbspers.): 143 Land- und Forstwirtsch., 762 Prod. Gewerbe, 292 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 301 Dienstleistung(en) und Sonstige

Diagramme:

Hungen: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 782: Wettereiba (in pago Uuedrebense)
  • 1384: Amt Hungen (zum Umfang s. Mittelpunktfunktion)
  • 1787: Fürstentum Solms-Braunfels, Herrschaft Münzenberg, Amt Hungen
  • 1806: Großherzogtum Hessen, Souveränitätslande, Provinz Oberhessen, Amt Hungen (zur Standesherrschaft Solms gehörig)
  • 1822: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Hungen
  • 1841: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Landratsbezirk Hungen
  • 1848: Großherzogtum Hessen, Regierungsbezirk Friedberg
  • 1852: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Nidda
  • 1874: Großherzogtum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Gießen
  • 1918/19-1934: Volksstaat Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Gießen
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Gießen
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Gießen
  • 1977: Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Lahn-Dill-Kreis
  • 1979: Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Landkreis Gießen
  • 1981: Land Hessen, Regierungsbezirk Gießen, Landkreis Gießen

Altkreis:

Gießen

Gericht:

  • 1271: Gericht Hungen
  • 1822: Landgericht, seit 1879: Amtsgericht Hungen, seit 1934: Amtsgericht Nidda

Herrschaft:

Bei der Teilung der Herrschaft Münzenberg unter den Söhnen Philipps I. von Falkenstein 1271 erhält Werner von Falkenstein von der Licher Linie das Gericht zu Hungen (Scriba, Bickenbach, S. 240-242 Nr. 14; Gudenus, Codex diplomaticus sive anecdotorum 2 Nr. 139). 1383 besitzt Philipp von Falkenstein die Vogtei über die hersfeld. Mark zu Hungen (Löffler, Herren von Falkenstein, Bd. 2, S. 332, Nr. 1575); 1403 verkauft Hersfeld den Falkensteiner seine Rechte an Hungen (zu den falkenstein. Burgmannen zu Hungen vgl. Löffler, Herren von Falkenstein, Bd. 1, S. 316 f.). 1398 werden die Grünberger Antoniter vom Wagengeld beim Schloß Hungen befreit (Eckhardt, Die oberhessischen Klöster 3, 1 Nr. 308). Als Teil des falkenstein. Erbes fällt das Gericht Hungen mit Villingen und den Wüstung Zelle und Eppelrode 1420 an das Haus Solms. Im Zuge der Teilung der Solmser Grafschaft 1423 fällt das Gericht Hungen je zur Hälfte den Graf Bernhard und Johann von Solms zu. Im Zuge des Teilungsvertrages des Jahres 1436 kommt Hungen an Graf Bernhard von Solms (Solmser Urkunden 1 Nr. 915, 1036).

Am 19. April 1361 erteilt Kaiser Karl IV. zunächst Agnes von Falkenstein die Ermächtigung, ihr Dorf Hungen zur Stadt mit den Rechten der Stadt Frankfurt umzubilden. Am Tag darauf erlaubt er Philipp d.Ä. von Falkenstein, seinen Ort Hungen zur ummauerten Stadt mit Gräben zu machen und ihn mit den Rechten der Stadt Frankfurt zu versehen (Löffler, Herren von Falkenstein, Bd. 2, S. 270, Nr. 1251 f.). Stadtherrschaft ab 1420 bei den Grafen von Solms, 1436 an die Braunfelser Linie, von der sich 1602-1678 eine besondere Linie Solms-Hungen abspaltet.

1384: Amtmann, 1440: Keller, 1452: Schultheiß

Ältestes Stadtsiegel: S(igillum) opidi Houngen 1368-95 (Ortswappenbuch Nr. 365). Den geringen Umfang städtischer Freiheit kennzeichnet das Fehlen einer eigenen Gerichtsbarkeit. 1410 ordnet Werner von Falkenstein die Verpflichtungen der Stadt, wonach die Bürger zur Stellung von Wachen und zu Frondiensten verpflichtet waren und eine Bede von 220 Gulden bezahlen mußten. 1356: 2 Schöffen, 1384: Schultheiß, Zentgraf und Bürgermeister, 1417: Bürgermeister, Schöffen, Rat und Bürger der Stadt Hungen

Gemeindeentwicklung:

Zur Entwicklung der im Zuge der hessischen Gebietsreform neu gebildeten Stadtgemeinde s. Hungen, Stadtgemeinde. Sitz der Gemeindeverwaltung ist Hungen.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • 782 schenkt König Karl des Großen Kloster Hersfeld Besitz in Hungen, den vorher Graf Heimerich vom König zu Lehen hatte. Nach dem Breviarium sancti Lulli umfaßte die Schenkung Karls des Großen in der Villikation Hungen (in villa que dicitur Hungen) 40 Hufen und 28 Mansen (vgl. Ziff. 2b).
  • 1327 bewilligt Kloster Hersfeld, daß Kuno von Falkenstein seine Frau Anna mit einer Korngülte zu Hungen bewittumt (Löffler, Herren von Falkenstein Bd. 2 Nr. 764). 1355 bestätigt Philipp d. Jg. von Falkenstein das Wittum seiner Schwester Agnes von F. zu Hungen (Löffler, Herren von Falkenstein Bd. 2 Nr. 1125).
  • 1383 bestätigt Philipp von Falkenstein Kloster Arnsburg den Besitz von 18 Hufen zu Hungen (Löffler, Herren von Falkenstein Bd. 2 Nr. 1571). 1384 bekundet Abt Berthold von Hersfeld, daß er dem Hersfelder Dekan Albrecht von Landeck alle Stiftsgefälle zu Hungen, Meßfelden, Langsdorf, Feldheim und Zelle für 212 Gulden verkauft habe. 1395 bekundet Albrecht von Landeck , die gen. Gültrechte dem Sintrum Keller zu Lich verkauft zu haben (Solmser Urkunden 1 Nr. 490, 565). - 1390 bestätigt und erneuert Hille, Tochter Konrad Schildes, ihre schon früher gemachte Schenkung von Gütern zu Hungen, Langsdorf und Meßfelden an Kloster Arnsburg (Urkundenbuch des Klosters Arnsburg 3 Nr. 1095). 1404 quittiert das Kloster Hersfeld Philipp von Falkenstein-Münzenberg das Kaufgeld von 3050 Gulden für den Kauf von Hungen, Laubach und (Ober-) Erlenbach (Solmser Urkunden 1 Nr. 659).

Zehntverhältnisse:

Kirche und Religion

Ortskirchen:

Patrozinien:

  • Maria

Pfarrzugehörigkeit:

Pfarrkirche, der um 1435 eingepfarrt waren: Graß, das 1311 noch über einen eigenen Pleban verfügte (Baur, Hessische Urkunden 1 (Starkenburg und Oberhessen) Nr. 440), sowie bis 1465 Langsdorf.

Patronat:

Patronat: 1286 Kloster Hersfeld, 1347 inkorporiert, 1404 an die Herren von Falkenstein verkauft, von diesen 1408 dem Marienstift Lich geschenkt, 1420 inkorporiert. Seit der Reformation hatte das Stift nur noch das Nominationsrecht, Solms-Lich das Präsentationsrecht; seit 1618: Solms-Braunfels.

Diakonische Einrichtung:

Gemeindepflege 1895 – 1941, Krankenhaus 1895 – 1944, Pfarrgehilfinnen-Station 1946 – 1947 (Angaben basieren auf Mitteilungen des Zentralarchivs der EKHNZA in Darmstadt vom 01.07.2021), Röschen, Beschreibung der evangelischen Pfarreien des Großherzogtum Hessen nennt für 1900 eine Gemeindeschwester und Aufbau einer Kleinkinderschule

Bekenntniswechsel:

Erster evangelischer Pfarrer: Johannes Wagner 1549

Reformierter Bekenntniswechsel: 1582

Kirchliche Mittelbehörden:

15. Jahrhundert: Sendbezirk im Dekanat Friedberg, Archidiakonat St. Mariengreden zu Mainz, Sendbezirk Hungen

Juden:

Juden in Hungen seit 1426 nachweisbar. 1666: 53, 1830: 53, 1905: 93, 1925: 73 Juden, vornehmlich Gewerbetreibende. Kultusgemeinde um 1700 gegründet, zu der im 18. Jahrhundert zunächst auch die Juden von Langsdorf gehörten. Friedhof um 1510/1563 genehmigt, der auch den Juden von Langsdorf, Inheiden531008030 und Utphe als Begräbnisplatz diente. Er liegt in der Flur "auf der Schütt". (alemannia-judaica)

Synagoge 1832 eingeweiht (Bitzenstraße 38), Vorgängerbau 17. Jahrhundert

Kultur

Schulen:

Schulmeister 1410.

Stadt- und Lateinschule seit dem 16. Jahrhundert.

1786-1797 erste deutsche Forstschule.

1877: Erweiterte Volksschule, ab 1897 "Höhere Bürgerschule", ab 1931 Realschule, 1938 Oberschule, seit 1957 Gymnasium.

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

Als Zubehör des Gerichts Hungen sind 1423 Villingen mit den Wüstung Zelle und Eppelrode zu erschließen. 1787 gehören zum Amt Hungen die Orte Bellersheim, Bettenhausen, Birklar, Hungen (Stadt), Langsdorf, Muschenheim, Nieder-Bessingen, Nonnenroth, Röthges und Villingen.

Sendort für die Kirchspiele Hungen, (Wüstung) Maßfelden, Nonnenroth. Im 15. Jahrhundert gehörten zum Sendbezirk von Hungen: Hungen Meßfelden, Nonnenroth, Villingen

Wirtschaft:

Neben Landwirtschaft und Viehzucht bestehen eine Vielzahl an kleineren Handwerksbetrieben seit dem Mittelalter; Anfang des 19. Jhdts. 115 Handwerks- und Gewerbetreibende, davon 13 Branntweinbrenner; seit dem 17. Jhdt. Abbau von Erz in einer Eisengrube, 1858-70 Braunkohleabbau, daneben Steinbrüche und Ziegeleien; um 1950 zwei Eisengruben, 2 Sägewerke, Ziegelei, Färberei, Schraubenfabrik

Markt:

Marktrecht 1361, 1469, 1475 und 1494 (durch Kaiser Maximilian)

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Hungen, Landkreis Gießen“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/10343> (Stand: 9.1.2023)