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Aufnahme von Ungarn-Flüchtlingen in Hessen, 26. November 1956

Auf dem Bahnhof der Gemeinde Langenselbold im Kreis Hanau treffen die ersten 83 von insgesamt rund 900 Flüchtlingen aus Ungarn ein, die vom Land Hessen nach dem Scheitern des Volksaufstandes in der unter sowjetischem Einfluss stehenden Volksrepublik aufgenommen werden sollen. Auf dem Bahnsteig des Bahnhofs haben sich neben Mitgliedern des ungarischen Hilfskomitees auch Vertreter der Kirchen und als Vertreter des hessischen Innenministeriums Regierungsrat Sippl eingefunden, um die Neuankömmlinge in Empfang zu nehmen. Anschließend bringen Omnibusse die Flüchtlinge in das Auffanglager Neuenhaßlau bei Gelnhausen, wo die Gäste mit der Aufschrift „Isten Hozott“ (ungar., „Herzlich Willkommen“) über dem Portal des Lagers und „ersten Adventstellern“ freundlich begrüßt werden.

Zur Unterbringung und Betreuung weiterer Ungarnflüchtlinge hat die hessische Landesregierung veranlasst, dass neben dem Auffanglager in Neuenhaßlau auch das Kinderdorf Wegscheide bei Bad Orb und zahlreiche Plätze in Hanau und im neuerrichteten Lager in Hochheim am Main und zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus ist eine Erstbetreuung im Notaufnahmelager in Gießen vorgesehen.

Gut einen Monat zuvor war am Abend des 23. Oktober 1956 eine zunächst friedliche Großdemonstration der Studenten der Budapester Universitäten, auf der zu demokratischen Reformen und zur Solidarität mit dem Arbeiteraufstand in Polen („Posener Arbeiteraufstand“, am 28. Juni 1956 von der polnischen Armee blutig niedergeschlagen) aufgerufen wurde, am Rundfunkgebäude der Stadt in einer Schießerei geendet. Die innerhalb kurzer Zeit eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Staatsmacht mündete tags darauf in einen landesweiten Aufstand und Generalstreik, sowie die Bildung von Arbeiter-, Revolutions- und Nationalräten. Am 25. Oktober wurde der Chef der Kommunistischen Partei, Ernő Gerő (1898–1980), ab- und der reformorientierte frühere Ministerpräsident Imre Nagy (1896–1958) erneut eingesetzt. Schließlich beendeten sowjetische Invasionstruppen zwischen dem 1. November und dem 4. November den Volksaufstand, die in einer Stärke von rund 100.000 Mann eine Besatzungsarmee in Ungarn bilden. Insgesamt verlassen daraufhin schätzungsweise 200.000 Menschen das Land und finden hauptsächlich in Österreich (das allein 70.000 ungarische Flüchtlinge aufnimmt), aber auch in Deutschland (total etwa 25.000), der Schweiz und anderen europäischen Ländern sowie in Übersee Zuflucht.
(KU)

Belege
Weiterführende Informationen
Empfohlene Zitierweise
„Aufnahme von Ungarn-Flüchtlingen in Hessen, 26. November 1956“, in: Zeitgeschichte in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/edb/id/1069> (Stand: 26.11.2022)
Ereignisse im Oktober 1956 | November 1956 | Dezember 1956
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