Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

16. Hessentag 1976 in Bensheim, 5.-13. Juni 1976

In der südhessischen Stadt Bensheim (Kreis Bergstrasse) findet vom 5. bis 13. Juni 1976 der 16. Hessentag statt. Im Vorjahr hatte die mittelhessische Kreisstadt Wetzlar den 15. Hessentag ausgerichtet. Eine besonders bemerkenswerte Veranstaltung des Festprogramms ist in diesem Jahr neben der Landesausstellung und dem obligatorischen Festumzug eine von den hessischen Staatsarchiven präsentierte Ausstellung zum 200-jährigen Jubiläum der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika unter dem Titel „Hessen und die amerikanische Revolution 1776“. Die Schau, die vom amtierenden US-Botschafter Martin J. Hillenbrand (1915–2005) eröffnet wird, informiert ausführlich über das Verhältnis der Hessen zur amerikanischen Revolution. Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (1720–1785) hatte sich seinerzeit mit der Unterzeichnung sogenannter Subsidienverträge dazu verpflichtet, Großbritannien etwa 12.000 seiner Untertanen als Soldaten zu überlassen.

Das an der Bergstraße gelegene Bensheim mit 33.000 Einwohnern hatte im Vorfeld des Festes die von der Landesregierung für den Hessentag zur Verfügung gestellten Mittel und eigene Gelder dazu verwandt, Straßen, Brücken, Sportstätten und Bürgerhäuser aufwendig zu sanieren oder neu zu errichten.¹ Auch privat investierten die Bürger, um das Stadtbild zu verschönern. Anreize hierzu lieferte ein Fassadenwettbewerb.

Die im Rahmen des Hessentags von Ministerpräsident Albert Osswald (1919–1996; SPD) am ersten Veranstaltungstag (Samstag) feierlich eröffnete Landesausstellung verzeichnet bis zum darauf folgenden Montag täglich über zwanzigtausend Besucher.² In einem der vielseitigsten Programme seit Bestehen des Hessentags locken 150 Veranstaltungen fast ebenso viele Besucher nach Bensheim wie im Vorjahr nach Wetzlar, wo mit 370.000 Gästen ein Spitzenwert und eine gewaltige Steigerung gegenüber den vorangegangenen Landesfesten verzeichnet worden war. Samstag der 12. Juni steht im Zeichen des Wettstreits von 50 Spielmanns-, Fanfaren-, Hörner- und Musikzügen um den „Hessen-Pokal“, der vom Ministerpräsidenten überreicht wird. Der vom Hessentags-Paar angeführte Festumzug, der traditionell am letzten Sonntag des Festes den Abschluss bildet, zählt auf dem 16. Hessentag 379 Zugnummern mit fast neuntausend Teilnehmern und erreicht mit fast vier Stunden Dauer eine rekordverdächtige Länge.

Neben allen anerkennenswerten Bemühungen, den Hessentag auch diesmal zu einem kulturellen Höhepunkt des Jahres zu machen, regt sich, wie bereits im Vorjahr, auch diesmal Widerstand gegen das Landesfest. Dabei geht es nicht allein um die bereits als symptomatisch zu bezeichnende Finanzierungsfrage. Auch der schwerpunktmäßig folkloristische Unterhaltungscharakter des Hessentages fordert angesichts des gesellschaftlichen Diskussionsbedarfs um Verwaltungsreformen und Bildungspolitik kritische Stimmen heraus. Ein Kommentar des Journalisten Walter Fröhder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung stellt mit Unbehagen fest, dass „die Fragen [...], die ganz Hessen in letzter Zeit aufgewühlt haben, [...] peinlich gemieden“ werden.³

Der 16. Hessentag in Bensheim zählt rund 345.000 Besucher. Der nächste Hessentag findet vom 18. bis 26. Juni 1977 in Dreieich statt.
(KU)

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1. Unter anderem konnte die Stadt rechtzeitig zum Hessentag ihr neues Bürgerhaus fertigstellen und die neue Kreuzung der Bundesstraßen 3 und 47 in Betrieb nehmen, vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.6.1976, S. 45. ↑
2. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.6.1976, S. 28. ↑
3. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.6.1976, S. 28. ↑