Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Wetteraukreis

Die Bearbeitung der Siedlungen des Wetteraukreises umfasst mit dem Gebiet der ehemaligen Landkreise → Büdingen und → Friedberg einen am 1.8.1972 neu gebildeten Verwaltungsbezirk. Im Rahmen zahlreicher Umgliederungsmaßnahmen waren zuvor von 1970-1972 die Gemeinde Gronau aus dem Landkreis Hanau und die Gemeinde Ober-Hörgern aus dem Landkreis Gießen hinzukommen. Die Gemeinde Ebersgöns wechselte erst am 1. Januar 1977 vom Landkreis Wetzlar in den Wetteraukreis über. Die Stadt Schotten wurde 1972 in den Vogelbergkreis ausgegliedert, weitere Gemeinden wechselten in die umliegenden Kreise bzw. in die kreisfreie Stadt Frankfurt. Der heutige Wetteraukreis besteht aus 14 Städten und 11 Gemeinden. Über die → Erweiterte Suche (Auswahlfeld Altkreis) lässt sich der Zustand des Jahres 1961 mit den sogenannten Altkreisen Büdingen und Friedberg rekonstruieren.

Wetteraukreis: Karte mit Gemeinde- und Gemarkungsgrenzen

Kartengrundlage: Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG)
Kartenbearbeitung: Melanie Müller-Bering, HLGL

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Der Landkreis trägt seinen Namen von der Kulturlandschaft Wetterau, umfasst jedoch nach Osten einen größeren Raum, der strukturelle Unterschiede aufweist. Während die geologischen und landschaftlichen Voraussetzungen im Westen an den Ausläufern des Taunus mit ertragreichen Böden in fast geschlossener Beckenlandschaft günstige Siedlungsbedingungen bieten, ist der Osten von waldreichen Ausläufern des Vogelsberges bzw. des Spessarts gekennzeichnet. Die unterschiedlichen Gegebenheiten haben sich nachhaltig auf die historische Entwicklung ausgewirkt. Drei Flüsse, Wetter, Nidda und Nidder, durchfließen das Kreisgebiet von Norden in Richtung Main.

Die fruchtbaren Böden sowie die Tatsache, dass das Gebiet aus strategischen Gründen als potentielle Einfallspforte von Norden in das Rhein-Main-Gebiet schützenswert war, ließen der Wetterau bereits in römischer Zeit große Aufmerksamkeit zuteil werden. Zahlreiche Kastelle bzw. Kleinkastelle, u.a. Kapersburg, Kaisergrube, Langenhain, Butzbach, Dicker Wald (Münzenberg), Echzell, Haselhecke, Staden, Ober-Florstadt und Altenstadt, markierten den Verlauf des Limes. Römische Militärplätze befanden sich in Bad Nauheim, Friedberg und Okarben. Nach dem Rückzug der Römer aus den rechtsrheinischen Gebieten seit der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts lassen sich zunächst alemannische Siedlungsspuren nachweisen. Im Frühmittelalter wurde das Gebiet dann zum einen von der fränkischen Landnahme, zum andern von der Missionierung durch das neubegründete Mainzer Erzbistum erfasst. Dabei spielte die Region aufgrund der steigenden Bedeutung Frankfurts und des Rhein-Main-Gebiets auch als Durchzugsgebiet zahlreicher Fernstraßen eine zentrale Rolle.

Mit dem verstärkten Einsetzen der schriftlichen Überlieferung um die Mitte des 8. Jahrhunderts wird die Wetterau als Königslandschaft erkennbar, aus der die Karolinger umfangreiche Vergabungen von Reichsgut an Kirchen und Klöster des Reiches vornehmen konnten. Daneben erhielten die Klöster Fulda, Lorsch, Hersfeld, Limburg an der Hardt und Seligenstadt aber auch bedeutende private Schenkungen, so dass sich eine komplexe Erfassung und Besitzaufteilung des Raumes bereits im Frühmittelalter erkennen lässt. Die intensive Einbindung der Wetterau und des Rhein-Main-Gebiets in die Strukturen des Reiches hat in staufischer Zeit vor allem in der Förderung der Reichsstädte und im Aufbau einer effektiven, vom König kontrollierten Reichsgutverwaltung ihren Niederschlag gefunden. Besonders deutlich lassen sich die Grundzüge der staufischen Territorialpolitik an der neu gegründeten Stadt und Reichsburg Friedberg erkennen, die zusammen mit der Burg Münzenberg lange Zeit eine beherrschende Rolle in der Wetterau einnehmen sollte. Im östlichen Kreisgebiet übernahmen noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts die Edelherren von Büdingen zentrale Reichsfunktionen, u.a. die Verwaltung des Reichsforstes und die des Landvogtes in der Wetterau.

Nach 1250 eröffnete der Rückzug der Zentralgewalt aus diesem Raum den ansässigen Grafen-, Edelherren- und Ministerialengeschlechtern neue Handlungsspielräume, die einzelne Häuser, wenn auch z.T. nur vorübergehend, zur Ausbildung einer Landesherrschaft zu nutzen verstanden. In der Summe führte dies zu der facettenreichen territorialen Gemengelage, die charakteristisch für die Wetterau im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit ist. Zu den bedeutenderen Adelshäusern zählten jeweils mit ihren Nebenlinien die Grafen und Herren von Eppstein, Falkenstein, Königstein, Lissberg, Münzenberg, Solms, Stolberg und Ziegenhain-Nidda. Die Herren, später Grafen von Isenburg hielten sich als Erben der Edelherren von Büdingen über verschiedene Linien bis zur Auflösung des (seit 1744 bestehenden) Fürstentums 1815.

Um sich gegen Ausdehnungsbestrebungen benachbarter Fürsten, insbesondere der Landgrafen von Hessen zu behaupten, schlossen sich die Grafen der Wetterau, des Westerwaldes und anderer Regionen im 15. Jahrhundert zum sogenannten Wetterauer Grafenverein, einem „Verbund hochadeliger, aber mindermächtiger Reichsstände“ (Georg Schmidt), zusammen. Mit dem Anfall des Erbes der Grafen von Ziegenhain-Nidda 1450 sowie des Katzenelnbogener Erbes 1479 fielen den Landgrafen allerdings ausbaufähige Gebietsteile im Raum zu, wohingegen den Kurfürsten von Mainz und den Grafen von Nassau keine nachhaltige herrschaftliche Verankerung in der Wetterau gelang.

Eine Sonderrolle nahmen bis zum Ende des Alten Reiches die Reichsburg Friedberg mit ihrem eigenen reichsunmittelbaren Territorium und die Freie Reichstadt Friedberg ein. Beide standen in einem wechselhaften, bisweilen spannungsvollen Verhältnis zueinander, das in der führenden Position des Burggrafen begründet war. Dieser war über viele Jahrzehnte hinweg der Führer der Wetterauer Ritterschaft und Ritterhauptmann des Kantons Mittelrhein, dem der gesamte rechtsrheinische Adel nördlich des Mains angehörte.

Die napoleonische Zeit und die Auflösung des Alten Reiches erbrachten für das spätere Kreisgebiet politische Veränderungen mit neuen politischen Zuschnitten. 1803 und 1806 fielen im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses und der Rheinischen Bundesakte zahlreiche vormals Kurmainzische und adlige Besitzungen (Grafschaft Solms-Rödelheim) an das Großherzogtum Hessen. 1815 kamen Teile des aufgelösten Fürstentums Isenburg hinzu, so dass von nun an alle Teile des heutigen Kreisgebietes zum Großherzogtum gehörten. Es bereitete der hessisch-darmstädtischen Landesregierung ganz offensichtlich Schwierigkeiten, dem von unterschiedlichen naturräumlichen Gegebenheiten sowie verschiedenen historischen und konfessionellen Entwicklungen geprägten Raum neue Verwaltungsstrukturen zu geben. Die Provinz Oberhessen des Großherzogtums Hessen wurde 1821/22 in aus Ämtern gebildete Landratsbezirke unterteilt, u.a. Büdingen, Nidda, Schotten, Friedberg (bis zur Umbenennung 1829 Butzbach) und Vilbel, aus deren Bestandteilen später der Wetteraukreis entstehen sollte.

Der Landkreis Büdingen entstand 1852 aus dem gleichnamigen Landgerichtsbezirk und Teilen des Landgerichtsbezirks Ortenberg. Aus dem 1874 aufgelösten Kreis Nidda fiel mit 34 Gemeinden der größte Teil hiervon dem Landkreis Büdingen zu, gleichzeitig wurden fünf Gemeinden aus dem aufgelösten Kreis Vilbel eingegliedert. 1938 kamen aus dem aufgelösten Kreis Schotten weitere 26 Gemeinden hinzu.

Der 1832 aus den Landratsbezirken Friedberg und Vilbel gebildete Landkreis Friedberg wurde 1848 vorübergehend aufgelöst und in den neu geschaffenen gleichnamigen Regierungsbezirk integriert. Bereits 1852 wurde der Kreis wieder errichtet und bestand nun aus den Landgerichtsbezirken Butzbach und Friedberg sowie aus Teilen des Landgerichtsbezirks Hungen. In den darauffolgenden Jahren erhielt der Landkreis Friedberg Gemeindezugewinne aus den Kreisen Nidda (1860), Hanau (1866), dem Amt Reichelsheim (1866) sowie vor allem aus dem 1874 aufgelösten Kreis Vilbel, aus dem 21 Gemeinden eingegliedert wurden.

Historisch betrachtet ist der Wetteraukreis ein künstliches Gebilde, das verwaltungstechnisch erst im Zuge der Gebietsreform 1972 entstanden ist. Der Kreis umfasst im Westen eine vergleichsweise geschlossene Kulturlandschaft, deren Besonderheit man nach der kompakten Erfassung in römischer Zeit in den kleinteiligen spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Territorialbildungen sehen kann, die sich bis zu den Verwaltungsreformen im 19. Jahrhundert bewahrt haben. Für den Osten des heutigen Kreisgebiets bildet die wechselvolle Entwicklung des späteren Fürstentums Isenburg-Büdingen eine Art einigende Klammer.

Die Darstellung basiert auf den gedruckt vorliegenden territorialgeschichtlichen und kirchentopographischen Arbeiten von Philippi, Territorialgeschichte Grafschaft Büdingen, Kropat, Reich, Adel und Kirche in der Wetterau, Schwind, Landvogtei und Kleinfeldt, Kirchenorganisation. Die Entwicklung der Herrschaften in der Wetterau und insbesondere des Wetterauer Grafenvereins ließ sich auf der Grundlage des 3. Bandes des Handbuches der hessischen Geschichte Ritter, Grafen und Fürsten - weltliche Herrschaften im hessischen Raum ca. 900 – 1806 nachzeichnen.

Für das Stichjahr 1787 wurde auf die Arbeit von Walter Wagner über Das Rhein-Main-Gebiet vor 150 Jahren zurückgegriffen, für die Zeit des Großherzogtums Frankfurt auf Winkopp, Versuch einer topographisch-statistischen Beschreibung des Großherzogthums Frankfurt. Die Angaben zu Orten des Großherzogtums Hessen im Jahr 1854 wurden dem Werk von Walther, Großherzogthum Hessen entnommen. Die weiteren statistischen Angaben zu den Einwohner- und Häuserzahlen sowie der Flächennutzung basieren, sofern nicht anders vermerkt, auf dem Gemeindelexikon für das Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau sowie der Hessischen Gemeindestatistik.

Großer Wert wurde auf die Erarbeitung der topographischen Ortsbeschreibungen gelegt, die, wo möglich, auf Autopsie beruhen. Die Erfassung von älteren Baudenkmälern sieht das Schema des Ortslexikons nicht vor. Hier genügt der Verweis auf das 2008 von Folkhard Cremer neu aufgelegte Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Hessen) von Georg Dehio sowie auf die bislang vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen herausgegebenen Bände Kulturdenkmäler in Hessen, Wetteraukreis 1, Kulturdenkmäler in Hessen, Wetteraukreis 2,1 und Kulturdenkmäler in Hessen, Wetteraukreis 2,2.