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KDR 100, TK25 1900 ff.
Urkataster+
Neustadt
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Kurfürstentum Hessen 1840-1861 – 62. Neustadt

Neustadt

Stadtteil · 240 m über NN
Gemeinde Neustadt (Hessen), Landkreis Marburg-Biedenkopf 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Stadt

Lagebezug:

13,5 km nordöstlich von Kirchhain

Lage und Verkehrslage:

Kleinstadt in einem Talkessel der sumpfigen Wiera-Auen. Stadtkern mit annähernd ovalem Umriß und regelhaftem Gassennetz. Gerade durchlaufende Hauptstraße (B 454), die ehemals die beiden Stadttore im Nordwesten und Südosten miteinander verband. An ihr der kleine Markt in Stadtmitte, wo die Hauptstraße rechtwincklig von einer Gasse gekreuzt wird. Am Markt, etwas nördlich von der Hauptstraße abgesetzt, Kirche. Am Süd-Rand ehemals Burg (Schloß) mit Junker-Hansen-Turm. Rings um die Altstadt moderne Wohnsiedlungen.

Die B 454 führt durch die Stadt (teilweise im Zuge des südlich Zweiges der alten Landstraße durch die Langen Hessen mit Verzweigungen nach Treysa bzw. Ziegenhain). Auf die B 454 treffen im Ortsbereich Straßen von Wahlen (Landesstraße L3071) und Arnshain (Kreisstraße K20) bzw. Willingshausen (Kreisstraße K18) und Wasenberg (Landesstraße L3263). Alte Amtsstraße von Rauschenberg nach Treysa bzw. Ziegenhain traf im Ortsbereich auf die Landstraße durch die Langen Hessen.

Bahnhof der Eisenbahnlinie Kassel – Frankfurt am Main ("Main-Weser-Bahn") seit 1849 (Inbetriebnahme 4.3.1850).

Ersterwähnung:

1272

Siedlungsentwicklung:

Die um 1270 durch die Gff. von Ziegenhain gegr. Burg und Stadt N. hatte keine Vorgängersiedlung. Planmäßig als Wasserfestung angelegt. Befestigung durch 2 Ringmauern, zwischen denen ein 40-48 m breiter Wallgraben lag, der von den Bachläufen der Wiera-Niederung gespeist wurde; dazu ein weiterer Wassergraben vor der äußeren ("kleinen") Mauer. Der Eingang zur Stadt wurde von der inneren ("großen") Mauer durch 2 Tortürme gedeckt; Alsfelder Tor im SO (1788 abgebrochen), Momberger Tor im NW (Anfang 19. Jahrhundert abgebrochen). Befestigung im 30jähr. Krieg zerstört. Die an der S-Spitze der Altstadt liegende Burg um 1470 abgebrochen. Neubau eines Schlosses mit vorgesetztem starken Festungsturm (Junker-Hansen-Turm; 1477 erb.); bis 1802 Sitz der von Dörnberg bzw. der mainzisch Amtmänner, dann Gerichtgebäude bis 1943; seit 1952 Rathaus. Altes Rathaus am Markt 1358 erb. 2 Vorstädte um 1845 genannt: Im Struthfeld, Vorm Momberger Tor. Moderne Wohn- und Industrieansiedlungen seit 1938 bzw. 1949. Karolingerzeitl. Keramikfunde ca. 1,3 km westlich N. (Flurnamen Wolfsdorf)

Wohnplätze: An der Struth, Stückertriesch, Bahnhäuser Nr. 1-4, Forsthaus Neustadt

Auf eine wüste Kirche weisen die Flurnamen: Ringelkirchhof, Ringelkirchhofsacker (bei der Kampemühle)

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • nova civitas 1272; burg und stadt 1294; Flecken 1553. - Schloß 1341

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Umlegung der Flur:

1910/1923

Älteste Gemarkungskarte:

Älteste Gemarkungskarte: 1807/10.

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3508177, 5635207
UTM: 32 U 508099 5633393
WGS84: 50.852175° N, 9.115062° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

534016030

Flächennutzungsstatistik:

  • 1838 (Kasseler Acker): 6616 stellbares Land, 3054 Wiesen, 1493 Wald. 1885 (Hektar): 2170, davon 900 Ackerl., 569 Wiesen, 454 Holz. 1928: Eingemeindung von Teilen des aufgelösten Gutsbezirks Staatsforst N. 1961 (Hektar): 2171, davon 489 Wald
  • 1885 (Hektar): 2170, davon 900 Acker (= 41.47 %), 569 Wiesen (= 26.22 %), 454 Holzungen (= 20.92 %)
  • 1961 (Hektar): 2171, davon 489 Wald (= 22.52 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1591: ein Drittel der Bevölkerung evangelisch, 1827: 1537 römisch-katholisch, 38 evangelische Einwohner 1861: 135 evangelisch-ref., 24 evangelisch-lutherisch, 1771 römisch-katholisch, 90 jüd. Einwohner 1961: 1647 evangelisch, 3213 römisch-katholisch Einwohner
  • 1670: 154 Haushalte
  • 1747: 1254 Einwohner
  • 1812: 1489
  • 1838 (Familien): 206 Ackerbau, 76 Gewerbe, 93 Tagelöhner 358 nutzungsberechtigte, 2 nicht nutzungsberechtigte Ortsbürger, 15 Beisitzer. 1961 (Erwerbspersonen): 260 Land- und Forstwirtschaft, 1328 Produzierendes Gewerbe, 270 Handel und Verkehr, 345 Dienstleistungen und Sonstiges
  • 1885: 2130, davon 220 evangelisch (= 10.33 %), 1749 katholisch (= 82.11 %), 1 andere Christen (= 0.05 %), 160 Juden (= 7.51 %)
  • 1961: 4979, davon 1647 evangelisch (= 33.08 %), 3213 katholisch (= 64.53 %)

Diagramme:

Neustadt: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • Bis 1294: Gericht der Gfsch. Ziegenhain; seitdem Amt Neustadt, 1341 auch Gericht des Schlosses in der Neustadt genannt; unter mainzisch Herrschaft war das Amt Neustadt dem Oberamt Amöneburg unterstellt
  • 1803: Amt Neustadt im kurhess. Fstm. Fritzlar
  • 1807-1813: Königreich Westphalen, Departement der Werra, Distrikt Marburg, Kanton Neustadt
  • 1821: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Kirchhain
  • 1848: Kurfürstentum Hessen, Bezirk Marburg
  • 1851: Kurfürstentum Hessen, Provinz Oberhessen, Kreis Kirchhain
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Kirchhain
  • 1932: Freistaat Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Marburg
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Kreis Marburg
  • 1974: Land Hessen, Regierungsbezirk Kassel, Landkreis Marburg-Biedenkopf

Altkreis:

Marburg

Gericht:

  • 1821: Justizamt Neustadt
  • 1867: Amtsgericht Neustadt
  • 1932: Amtsgericht Kirchhain
  • 1294 verkaufen die Grafen von Ziegenhain dem Erzstift Mainz Stadt und Burg N. mit gebotenen und ungebotenen Gericht; die 8 Burgmannen, denen N. bislang als Mannlehen verliehen war, werden mainzisch Lehnsleute. 1347-67 ist N. mit kurzen Unterbrechungen von den Landgrafenbesetzt. 1374-78 sind Amt und Stadt vom Erzstift Mainz an die von Falkenberg, 1378 an die mainzisch Burgmannen in N. verpfändet. 1477-1549/50 Pfandlehen der von Dörnberg, 1549 von Mainz wieder eingelöst; später landgräflich bis 1583. 1632-38 von Landgrafenbesetzt. 1648-1802: Amt und Stadt mainzisch -Schultheiß 1272, Schöffen 1293, Burgmaanen 1294, officiatus ac castrensis 1297; procurator 1324, cellerarius 1357. - Stadt- und Landgericht N. mit hoher und niederer Gerichtbarkeit. Der Rat der Stadt bildete mit 4 weiteren Schöffen aus den Landgmden. des Amtes das Gericht unter Vorsitz des landesherrl. Schultheißen. - Auf die Urteilsstätte weisen die Flurnamen: großer-, kleiner Galgenberg (ca.1,2 km ö. bzw. nordöstlich N.)

Herrschaft:

universitas burgensium in N. 1296 (Stadtsiegel), opidani 1297. - Stadtherrsch. südlich Ziff. 3a. - 1374 bestätigt der Erzbischof von Mainz der Stadt ihre hergebrachten Privilegien und Freiheiten. 1378 schwören die Bürger dem Erzbischof Gehorsam und Öffnung des Schlosses. Bestätigungen der Privilegien: 1391, 1420, 1440 (Mainz), 1477 (v. Dörnberg), 1575 (Mainz ). - Im 18. Jahrhundert bestand der Rat aus dem Bgmstr. und 7 Ratsschöffen, die auf Lebenszeit gewählt wurden und die sich durch Zuwahl unter Mitwirkung des landesherrl. Schultheißen ergänzten. In kurhess. Zeit 1 Bgmstr. und 3 Ratsschöffen. Vertreter der Gmde. waren die Vierer und 12 Sechzehner

Gemeindeentwicklung:

1.4.1952: Umgemeindung des ehem. DAG-Geländes (22 Einw.) nach Stadt Allendorf, St.

Zur Entwicklung der im Zuge der hessischen Gebietsreform neu gebildeten Stadtgemeinde s. Neustadt/Hessen, Stadtgemeinde. Sitz der Gemeindeverwaltung ist Neustadt.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • Güterbesitz des Kloster Haina -> (Wüstung) Hain. - 1553 besitzen die von Dörnberg in der N.er Gemarkung 10 Höfe mit zus. 600 Morgen Ackerland, 2 Mühlen und 3 kleinere Waldungen. 1560 erklären die von Dörnberg bei den Verhandlungen zwecks Wiedereinlösung der mainzisch Pfandschaft, daß in und um den Flecken N. die Burglehen der von Biegenbach, Nodung, von Wahlen und der Schleyer inzwischen erkauft worden seien. - 1680 befinden sich an adligen Häusern (Burgsitzen) in N.: 1 Haus der von Dörnberg; 2 Häuser der Schwertzel von Willingshausen, von denen 1604 die Familien Schenk ein Haus erwirbt; 1 Haus der von Linsingen, vormals von Lehrbach, seit dem 16. Jahrhundert im Besitz der von Nordeck zu Rabenau; 1 weiteres Haus der von Linsingen. - In den 40er Jahren des 19. Jahrhundert wird der dörnberg. Besitz in N. eingezogen und von der Stadt als Domäne weiter bewirtschaftet
Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • plebanus 1284 (Franz, Kloster Haina 1, , Nr. 731).
  • Wallfahrtskapelle an der wüst Dorfstelle von -> Forst 1894 erbaut

Patrozinien:

  • Johannes Baptista (der Täufer); Heilige Dreifaltigkeit (Trinitatis) [1606]

Pfarrzugehörigkeit:

Send- und Pfarrkirche; bis in jüngere Zeit nannte sich der Pfarrer nach Neustadt und Momberg. Ende 15./Anf. 16. Jahrhundert wurden Gleimenhain, Kreis Alsfeld und (Wüstung) Wonoltshausen von Neustadt aus versehen; seit der Ref. Pfarrei Momberg von Neustadt aus versehen.

1790: Momberg Filiale, seit 1899 Pfarrkuratie.

1854: Gründung eines evangelischen Vikariat in Neustadt

Patronat:

Vor 1294 im Besitz der Gff. von Ziegenhain als Stadtherren, dann an das Erzstift Mainz gefallen. 1360 wird die Pfarrei dem Stift in Amöneburg inkorporiert.

Klöster:

  • Begine 1314 genannt; Vincentinerinnen seit 1891

Beginen:

Am 29. Januar 1314 lebt Hedwig genannt Volkenendin als Begine in Neustadt.

Bekenntniswechsel:

Erster evangelischer Pfarrer: Johannes Etze 1532/33

1576 erbaute die katholische Restgemeinde eine Kapelle auf dem Laurentiusberg.

Katholischer Bekenntniswechsel: Bis 1586 protestantische Mehrheit in der Stadt. 1597 setzte das Erzstift Mainz die Bestellung des vom Amöneburger Johannesstift präsentierten katholischen Pfarrers gegen den Widerstand der Stadt durch. Seither katholische Pfarrei.

Kirchliche Mittelbehörden:

15. Jahrhundert: Sedes im Dekanat Amöneburg

Juden:

Provinzial-Rabbinat Marburg; anschlossen Momberg.

1822: 70; 1853: 94; 1861: 90; 1895: 134; 1905: 130; 1925: 101; 1932/33: 119; 1939: 40 Juden. Die jüdische Gemeinde bestand vermutlich bis in den Mai 1941.

1387 Aufnahme von Juden durch den Stadtherrn.

mindestens seit dem 18. Jahrhundert sind mehrere jüdische Familien in der Stadt wohnhaft.

Von 1759 bis 1834 rund 20 Familien.

Berufe: Viehhändler, Makler und Kaufleute

Synagoge 1887 errichtet, Marburger Straße 11; 1928 Renovierung der Synagoge; Gebäude 1938 verkauft.

Unterlagen zur jüdischen Elementarschule ab 1866, vermutlich existiert sie seit 1830. Aufgrund rückläufiger Schülerzahlen wird die Schule 1930 aufgehoben und zum 1.1.1934 offiziell aufgelöst.

Friedhof im Ort, nördlich vom Ort an der Straße nach Momberg. Vor der Anlegung 1828/30 wurde der Friedhof in Hatzbach genutzt. (alemannia-judaica)

Kultur

Schulen:

im 18. Jahrhundert Städtische Freischule, wird katholische Volksschule; 1854 Evangelische Volksschule; 1910 Volksschule mit sieben Stellen; ab 1926 Realschule; 1948 Vereinigung Volksschule mit Realschule

1950 Landwirtschaftliche Mädchenberufsschule

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Historische Ereignisse:

1556 größte Teil der Stadt im Zuge einer Belagerung abgebrannt. Schwere Schäden im Dreißigjährigen Krieg sowie im Siebenjährigen Krieg durch Zerstörung großer Teile der Innenstadt.

Wirtschaft

Mittelpunktfunktion:

Gericht- und Amtsvorort. Als Zubehör des Gericht sind unter ziegenhain. Herrschaft Ende 13. Jahrhundert zu erschließen: Emsdorf; Gleimenhain (bis 1284), Kreis Alsfeld; Momberg, (Stadt) Allendorf sowie (Wüstung) Elmsdorf, (Wüstung) Forst; Gerwigshain, Kreis Alsfeld (bis 1294); (Wüstung) Ottenrode, (Wüstung) Watzenrode, Kreis Alsfeld; (Wüstung) Wilbrachterode, Kreis Alsfeld; (Wüstung) Willersdorf, (Wüstung) Wonoltshausen. Seit 1294 gehörte zum Amt N. ferner (Wüstung) Dimendorf, (Wüstung) Herbach. Wohl erst nach 1450 erwirbt das Erzstift Mainz als Amtszubehör das Gericht Katzenberg mit (Wüstung) Hermannshain, Ohmes, Ruhlkirchen, Vockenrode (alle Kreis Alsfeld). 1464 versetzt das Erzstift das GerichtKatzenberg an den Deutsche Orden Marburg, 1477 an Hans von Dörnberg. 1555 und später gehören neben N. zum Amt: Allendorf, Emsdorf, Momberg; ferner Ohmes, Ruhlkirchen, Seibelsdorf, Vockenrode (alle Kreis Alsfeld). - 1807-1813: Kantonsort im Distrikt Marburg. - 1821-1943: Sitz eines Justizamtes bzw.Amtsgericht - Der Sendbezirk N. umfaßte im 15. Jahrhundert: (Wüstung) Etzgerode, (Wüstung) Forst, (Wüstung) Gerwigshain, Kreis Alsfeld, Gleimenhain, Kreis Alsfeld, (Wüstung) Kaltbach, Momberg, (Wüstung) Ottenrode, Speckswinkel, (Wüstung) Wonoltshausen

Wirtschaft:

Wirtschaftliche Blüte der Stadt unter der dörnbergischen Herrschaft; im 30jähr. Krieg völlig verarmt; später Ackerbürgerstädtchen im Realteilungsgebiet.

Nebenerwerb durch Waldarbeit, im Sägewerk und in der Ziegelei.

Starker Bevölkerungszuwachs mit Gründung des Munitionswerks (Stadt) Allendorf (1938). Industrieansiedlung seit 1949: Strumpffabrik mit 1180 Beschäftigten (1967); 2 Werkzeugfabriken, Strickereien, Schuhfabrik.

Markt:

Märkte: um 1845 und 1866: 7, davon der zweite und fünfte für Vieh (1866).

Münze:

Mainzische Münzstätte 1297 geplant, aber wohl nicht zur Ausführung gekommen.

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Neustadt, Landkreis Marburg-Biedenkopf“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/9247> (Stand: 28.11.2022)