Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Historisches Ortslexikon

Niederrad

Stadtteil
Gemarkung Frankfurt-Niederrad, Gemeinde Frankfurt am Main, Stadt Frankfurt am Main 
Siedlung | Statistik | Verfassung | Besitz | Kirche und Religion | Kultur | Wirtschaft | Nachweise | Zitierweise
Siedlung

Ortstyp:

Dorf

Lagebezug:

4 km südwestlich von Frankfurt am Main

Lage und Verkehrslage:

Siedlung am linken, südlichen Mainufer auf einer Bodenwelle, im Süden und Westen vom Stadtwald umgeben. Moderne Siedlungsentwicklung nach Südosten.

Zwei Bahnhöfe der Eisenbahnlinie Bischofsheim – Frankfurt am Main/Niederrad ("Rhein-Main-Bahn II";"Main-Rhein-Bahn II") (Inbetriebnahme der Strecke 16.1.1882, 3.1.1863, 18.8.1888): Frankfurt am Main/Sportfeld ab 1863 und Frankfurt am Main/Niederrad als Endbahnhof ab 1882.

Der Bahnhof Frankfurt am Main/Sportfeld war auch Endbahnhof der Eisenbahnlinie Frankfurt am Main/Sportfeld – (Darmstadt) – Worms ("Riedbahn") (Inbetriebnahme der Strecke 24.11.1879).

Ersterwähnung:

1151

Siedlungsentwicklung:

Mitte des 12. Jahrhunderts entstand Niederrad als Rodungssiedlung am Rand des Reichsforstes Dreieich.

Historische Namensformen:

Bezeichnung der Siedlung:

  • 1233: villula;
  • 1279: villa;

Siedlungsplätze innerhalb der Gemarkung:

Koordinaten:

Gauß-Krüger: 3474450, 5549957
UTM: 32 U 474385 5548177
WGS84: 50.085306° N, 8.641953° O OpenLayers

Statistik

Ortskennziffer:

412000170

Frühere Ortskennziffer:

412000817

Flächennutzungsstatistik:

  • 1845 (Hektar): 146,6, davon 135,1 kultiviertes Land (Garten, Acker- und Waldboden)
  • 1885 (Hektar): 312, davon 215 Acker (= 68.91 %), 35 Wiesen (= 11.22 %), 2 Holzungen (= 0.64 %)

Einwohnerstatistik:

  • 1543: 36 Hausgesessene
  • 1606: 44 Hausgesessene
  • 1726: 42 Gemeindsleute, 4 Witwen, 4 Beisassen
  • 1812: 98 Feuerstellen, 1208 Einwohner
  • 1834: 1401
  • 1840: 1604
  • 1846: 1690
  • 1852: 2024
  • 1858: 2167
  • 1864: 2371
  • 1871: 2751
  • 1875: 3523
  • 1885: 5181, davon 3381 evangelisch (= 65.26 %), 1819 katholisch (= 35.11 %), 30 andere Christen (= 0.58 %), 1 Juden (= 0.02 %)
  • 1895: 6306

Diagramme:

Niederrad: Einwohnerzahlen 1834-1967

Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: 1. Die Bevölkerung der Gemeinden 1834-1967.
Wiesbaden : Hessisches Statistisches Landesamt, 1968.

Verfassung

Verwaltungsbezirk:

  • 1569: Reichsstadt Frankfurt (3/4) und Deutscher Orden, Ballei Franken (1/4)
  • 1787: Reichsstadt Frankfurt (3/4) und Deutscher Orden, Ballei Franken (1/4)
  • 1810-1813: Großherzogtum Frankfurt, Departement Frankfurt, Landdistriktsmairie Frankfurt
  • 1815: Freie Stadt Frankfurt (bis 1842 im Kondominat (3:1) mit Österreich als Rechtsnachfolger des Deutschen Ordens)
  • 1867: Königreich Preußen, Provinz Hessen-Nassau, Regierungsbezirk Wiesbaden, Stadtkreis Frankfurt am Main
  • 1886: Landkreis Frankfurt a. M
  • 1900: Stadtkreis Frankfurt am Main
  • 1945: Groß-Hessen, Regierungsbezirk Wiesbaden, Kreis Frankfurt am Main
  • 1946: Land Hessen, Regierungsbezirk Wiesbaden, Kreis Frankfurt am Main
  • 1952: Land Hessen, Regierungsbezirk Wiesbaden, Kreisfreie Stadt Frankfurt am Main
  • 1968: Land Hessen, Regierungsbezirk Darmstadt, Kreis Frankfurt am Main

Altkreis:

Frankfurt am Main, Stadt

Gericht:

  • bis 1879: Landjustizamt Frankfurt
  • 1879: Amtsgericht Frankfurt am Main

Herrschaft:

Bei der Teilung der Falkensteiner Linien 1275 fiel Niederrad mit den Hörigen an Werner (Licher Linie). Offensichtlich behielten beide Linien Rechtsansprüche. 1418 gelangten die Falkensteiner Rechte an die Witwe des Grafen von Sayn und Dieter von Isenburg. 1478 gab Graf Otto von Solms-Münzenberg das Dorf gottfried von Cleen zu Mannlehen. 1530 gehört Niederrad dem Deutschen Orden sowie Königstein und Solms gemeinsam. 1540 erwarb der Deutsche Orden ein Viertel von Graf Bernhard von Solms. 1543 ist Niederrad dreiherrig: Stolberg-Königstein hat eine Hälfte, Graf Philipp von Solms und der Deutsche Orden jeweils ein Viertel inne. 1569 erwarb die Stadt Frankfurt die solmsichen drei Viertel gegen Verzicht auf die Ganerbschaft am Schloss Rödelheim.1668 verglichen sich die Stadt Frankfurt und der Komtur des Deutschen Ordens dahin, dass die Regierung unter ihnen abwechseln und die Stadt drei Jahre, danach der Orden ein Jahr regieruen sollte.

Gemeindeentwicklung:

Am 22.2.1867 Eingliederung in den Stadtkreis Frankfurt am Main, am 1.7.1900 endgültige Eingemeindung.

Besitz

Grundherrschaft und Grundbesitzer:

  • 1151 stattete Konrad von Hagen das Kloster Altenburg bei der Gründung u.a. mit sieben Hufen in Rode aus, wobei unklar ist, um welches es sich dabei handelt. 1225 verkauft Elisabeth, Witwe Konrads von Hagen, dem Deutschen Orden ihren Weinberg zu Rode für 20 Mark kölnischen Geldes. 1233 fügte König Heinrich (VII.) weitere Güter hinzu. 1210-1220 gelangte auch das Kloster Patershausen an Besitz in Niederrad. Die wohl aus Reichsbesitz stammenden Vogteirechte der Herren von Eppstein in Niederrad gingen offenbar noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts an die Herren von Münzenberg verloren.
  • Bei der Teilung der Falkensteiner Linien 1275 fiel Niederrad mit Hörigen an Werner, der es 1279 an Hartumut von Sachsenhausen verlehnt hatte, als dieser es 1279 an den Frankfurter Schultheißen Heinrich weiterveräußerte. 1315 übergaben zwei Johanniterkomture u.a. Güter zu Niederrad an Philipp von Falkenstein. 1356 besaß Heinrich von Nassau Pachteinkünfte aus Niederrad als Falkensteiner lehen. 1389 verkauften Rudolf, Wolf und Friedrich von Sachsenhausen ihre Gülte zu Niederrad, die sie als Falkensteiner Lehen innehatten.
  • Unter den Erben der Kronberger, den Grafen von Solms, setzte sich der Streit um Rödelheim fort, bis es letzteren 1569 gelang, die Stadt Frankfurt durch Abtretung von 3/4 des Ortes Niederrad aus Rödelheim zu verdrängen. Damit besaß die Stadt, die schon 1372 den Wald zwischen Frankfurt und Niederrad, der später als Teil des Stadtwaldes bezeichnet werden sollte, erworben hatte, auch den größten Teil des Ortes.

Zehntverhältnisse:

Das St. Bartholomäusstift in Frankfurt empfing hier ursprüngich großen und kleinen Zehnten. 1543 hat das Stift den Großen, der Pfarrer von Schwanheim den kleinen Zehnten.

Kirche und Religion

Ortskirchen:

  • 1608: Kirchweihfest für ein evangelisches Kirchlein
  • 1726: Barocke Saalkirche mit dreiseitigem Schluß, 1951/52 nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut
  • 1933: Weihe der katholischen Kirche

Pfarrzugehörigkeit:

Mutterkirche ist Schwanheim. 1854 bis 1857 war die Dompfarrei in Frankfurt zuständig. 1888 Erhebung der Missionspfarrei Niederrad zur selbständigen Pfarrei

Bekenntniswechsel:

Einführung der Reformation vermutlich Mitte des 16. Jahrhunderts.

Seit der Reformationszeit war zunächst der Gutleuthof auf der anderen Mainseite für die Niederräter das zuständige Gotteshaus. 1736 Bildung einer neuen Gesamtgemeinde aus Gutleuthof und Niederrad.

Kultur

Sprachgeschichte (Quellenfaksimiles):

Wirtschaft

Wirtschaft:

Am Rande des Dorfes Niederrad errichtete J. F. Müller von 1761 bis 1781 in mehreren Bauphasen im sogenannte Frauenhof die sogenannte Kattunfabrik für Baumwollwaren. Das Gebäude ist im Stil eines barocken Landschlosses erbaut und wird durch Eckrisalite und zentrale Tordurchfahrt akzentuiert. Ab 1841 war der Frauenhof zeitweise im Besitz des namensgebenden Katharinen- und Weißfrauenstifts.

Nachweise

Literatur:

Zitierweise
„Niederrad, Stadt Frankfurt am Main“, in: Historisches Ortslexikon <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/11734> (Stand: 16.10.2018)