Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Topografie des Nationalsozialismus in Hessen

Frankfurt am Main, Sammellager, Großmarkthalle

Frankfurt am Main, Gemeinde Frankfurt am Main, Stadt Frankfurt am Main
Sonnemannstraße 20 (davor: Rückertstraße 2-6) – In der NS-Zeit: Sonnemannstraße/Rücketrstraße
Klassifikation | Nutzungsgeschichte | Indizes | Nachweise | Abbildungen | Zitierweise
Klassifikation

Kategorie:

Verfolgung

Subkategorie:

Ghettoisierung 

Nutzungsgeschichte

Objektbeschreibung:

Der Keller der Frankfurter Großmarkthalle wurde als Sammellager für die jüdische Bevölkerung Frankfurts genutzt. Von dort aus wurden die Juden in Konzentrationslager deportiert. Die Großmarkthalle war aufgrund ihres Gleisanschlusses an den Ostbahnhof sowie ihrer Größe (sie war 220 Meter lang und 50 Meter breit), die die zeitweilige Unterbringung vieler Personen ermöglichte, ausgewählt worden.

Beschreibung:

Am 19. Oktober 1941 waren 1.200 Frankfurter Juden von der SA aus ihren Wohnungen in die Frankfurter Großmarkthalle verschleppt worden. Von hier aus wurden die Juden, die nach ihrer Ankunft in der Halle unter Aufsicht der SS standen, in das Ghetto nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert.

Vor ihrer Deportation erfaßte das Finanzamt Frankfurt die Vermögenswerte und die Wohnungen der Juden. Zudem zog das Finanzamt das Bargeld der Juden noch vor Ort ein.

Durch die Deportation, der auch jüdische Zwangsarbeiter zum Opfer fielen, konnten in der Folge einige Frankfurter Rüstungsbetriebe ihre Produktion nur eingeschränkt fortsetzen.

Für Anfang November 1941 war eine weitere Deportation von 1.042 Juden vorgesehen. Am 11. November 1941 wurde diese durchgeführt. Sie stand unter der Leitung der Kriminal- und Schutzpolizei. Wieder diente die Großmarkthalle als Sammellager. Wieder wurden die Juden nach Osten deportiert, diesmal in das Ghetto von Minsk.

Die dritte Deportation erfolgte nur wenige Tage später, am 22. November 1941. Das Auswahlkriterium bei dieser Deportation war wohl die Abhängigkeit von der Fürsorge. Hier sollten durch die Deportation Einsparungen getroffen werden. 992 Juden sollten von Frankfurt aus, nachdem sie zuvor wieder in die Großmarkthalle gebracht worden waren, nach Riga deportiert werden, aber der Zug wurde nach Kaunas umgeleitet. Ende Januar 1942 wurden von der Frankfurter Gestapo Pläne über neue Deportationen forciert. Diese wurden im Mai und Juni 1942 in vier großen Transporten durchgeführt. Der erste Transport mit ca. 1.000 Juden verließ am 8. Mai 1942 die Frankfurter Großmarkthalle in Richtung Polen nach Lublin und Izbica. Die folgende Deportation am 24. Mai hatte dasselbe Ziel. Bei dieser wurden ca. 950 Frankfurter und Wiesbadener Juden nach Polen gebracht.

Der Deportation vom 11. Juni fielen Juden aus zahlreichen süd- und mittelhessischen Kreisen zum Opfer. Die Landräte wurden angewiesen, die Verschleppung der Juden zur Großmarkthalle zu organisieren. Nach der Ankunft im Sammellager wurden die Juden von dort aus in Richtung Osten weiter deportiert. Von den Deportationen im Mai und Juni waren alte und gebrechliche Personen ausgenommen gewesen. Sie wurden von einem Altersheim aus deportiert.

Die Gesamtzahl der von hier aus deportierten Juden belief sich auf 10.000. Davon überlebten – nach heutiger Kenntnis – lediglich 179 den NS-Judenmord.

Nutzungsanfang (früheste Erwähnung):

19. Oktober 1941

Nutzungsende (späteste Erwähnung):

14. Februar 1945

Nutzung vor NS-Zeit:

Von 1926 bis 1928 wurde die Großmarkthalle in Frankfurt erbaut und diente als zentraler Umschlagplatz für Lebensmittel.

Nutzung nach NS-Zeit:

Bis in den Juni 2004 wurde das Gebäude als Großmarkthalle genutzt. Danach wurde das Gelände an die Europäische Zentralbank veräußert. Diese hat das Gebäude inzwischen in ihren Gesamtkomplex integriert.

Dem Gedenken an die Deportation und Ermordung der Juden ist die „Erinnerungsstätte an der Frankfurter Großmarkthalle“ gewidmet, die sich teilweise auf dem Gelände der Europäischen Zentralbank befindet.

Indizes

Orte:

Frankfurt am Main

Sachbegriffe:

Haftort · Verfolgung · Ghettoisierung

Nachweise

Literatur:

Weblinks:

Frankfurt am Main 1933-1945

Frankfurt

FAZ-Net FAZ-Net 3.05.2010)

Zitierweise
„Frankfurt am Main, Sammellager, Großmarkthalle“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/nstopo/id/278> (Stand: 17.8.2022)