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Hessische Biografie

Portrait

Philipp Wilhelm Wernher
(1802–1887)

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Wernher, Philipp Wilhelm [ID = 9114]

* 12.1.1802 Mainz, † 6.10.1887 Nierstein, evangelisch
Gutsbesitzer, Weinhändler, Direktor der Staatsschuldenkasse, Abgeordneter
Andere Namen | Wirken | Familie | Nachweise | Leben | Zitierweise
Wirken

Werdegang:

  • Domschule und kaiserliches Lyzeum Mainz sowie Lyzeum Mannheim
  • 1815 Gymnasium in Mainz
  • 1817 Gymnasium in Darmstadt
  • 1819-1923 Studium der Rechtswissenschaften und Evangelischen Theologie an den Universitäten Gießen, Göttingen und Heidelberg, wegen eines Augenleidens Abbruch des Studiums
  • 1824 Übernahme des Niersteiner Gutes seines Vaters
  • 1844-1850 und 1856-1872 Mitglied der Zweiten Kammer des Landtags des Großherzogtums Hessen, 1844-1849 für den Wahlbezik Rheinhessen 6 Oppenheim, 1849-1850 für den Wahlbezirk Starkenburg 13 Umstadt, 19.12.1856-1862 für den Wahlbezirk Rheinhessen 8 Pfeddersheim, 1862-1872 für den Wahlbezirk Rheinhessen 5 Oppenheim
  • 1847 Mitglied der Heppenheimer Versammlung
  • 1848 Mitglied der Heidelberger Versammlung
  • 1848 Mitglied des Frankfurter Vorparlaments
  • 18.5.1848-24.5.1849 Mitglied der Deutschen Nationalversammlung für den Wahlbezirk Großherzogtum Hessen-Darmstadt 7 (Alsfeld) (Württemberger Hof, Augsburger Hof)
  • 1850 Mitglied des Volkshauses des Deutschen Parlaments für das Großherzogtum Hessen (Wahlbezirk 6: Darmstadt)
  • 1848-1849 und 1866-1872 Zweiter Präsident der Zweiten Kammer des Landtags des Großherzogtums Hessen
  • 1867 Mitglied der Staatsschuldenkasse, später Direktor der Staatsschuldenkasse in Darmstadt
  • Präsident des Landwirtschaftlichen Vereins für die Provinz Rheinhessen
  • Mitglied der evangelischen Synode
  • 1872-1884 Mitglied der Ersten Kammer des Landtags des Großherzogtums Hessen, 18.12.1872 Ernennung, 20.12.1872 Eintritt, 16.8.1884 Annahme des Verzichts

Funktion:

  • Hessen, Großherzogtum, 10. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (Lib), 1844-1847
  • Hessen, Großherzogtum, 11. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (Lib), 1847-1849
  • Hessen, Großherzogtum, Landtag, 2. Kammer, 2. Präsident, 1848-1849
  • Hessen, Großherzogtum, 12. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (Lib), 1849-1850
  • Hessen, Großherzogtum, 15. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (Lib), 1856-1858
  • Hessen, Großherzogtum, 16. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (Lib), 1859-1862
  • Hessen, Großherzogtum, 17. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (LibKons), 1862-1865
  • Hessen, Großherzogtum, 18. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (LibKons), 1865-1866
  • Hessen, Großherzogtum, 19. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (LibKons), 1866-1868
  • Hessen, Großherzogtum, Landtag, 2. Kammer, 2. Präsident, 1866-1872
  • Hessen, Großherzogtum, 20. Landtag, 2. Kammer, Mitglied (LibKons), 1868-1872
  • Hessen, Großherzogtum, 21. Landtag, 1. Kammer, Mitglied, 1872-1875
  • Hessen, Großherzogtum, 22. Landtag, 1. Kammer, Mitglied, 1875-1878
  • Hessen, Großherzogtum, 23. Landtag, 1. Kammer, Mitglied, 1878-1881
  • Hessen, Großherzogtum, 24. Landtag, 1. Kammer, Mitglied, 1881-1884

Werke:

Familie

Vater:

Wernher, Johann Wilhelm, 1762–1827, Tribunalpräsident, Geheimer Staatsrat

Mutter:

Bruch, Julie, * Zweibrücken 15.4.1777, † Darmstadt 31.5.1822, Tochter des Johann Christian Bruch, Apotheker in Zweibrücken, und der Philippine Steinicke

Partner:

  • Carl, Caroline Auguste* Elisabeth, GND, * Hanau 3.6.1806, † Nierstein 28.6.1833, Heirat Hanau 1.10.1825, Tochter des Georg Wilhelm Carl, 1770–1826, Hofgerichtsadvokat und Bürgermeister von Hanau
  • Dilg, Katharina, GND, * Selzen 3.9.1810, † Nierstein 16.4.1865, Heirat Selzen 11.9.1835, Tochter des Heinrich Wilhelm Dilg, Kirchenrat, Pfarrer in Selzen

Verwandte:

  • Wernher, Johann Wilhelm* <Sohn>, 1826-1906, Kolonialwarenhändler, Abgeordneter
  • Reh, Julie, geb. Wernher <Tochter>, 1828-1904, verheiratet mit Theodor Reh, 1826-1884, Major
  • Wernher, Carl* Christian <Sohn>, 1830-1889, Apotheker in Oppenheim
  • Bernion, Wilhelmine Johanne (Caroline), geb. Wernher <Tochter>, 1836-1862, verheiratet Nierstein 30.6.1861 mit Valentin Bernion, 1829-1898, Müller, Landwirt in Germersheim
  • Wernher, Ernst <Sohn>, 1837-1909, Kaufmann, Ökonomierat, Bürgermeister, Abgeordneter
  • Wernher, Paul <Sohn>, 1839-1901, General der Kavallerie
  • Bernion, Elise, geb. Wernher <Tochter>, 1841, verheiratet Nierstein 11.9.1865 mit Valentin Bernion, 1829-1898, Müller, Landwirt in Germersheim
  • Wernher, Adolf <Sohn>, 1841, Eisenhändler und Politiker in Nordamerika
  • Wernher, Julius <Sohn>, 1845-1866, Landwirt und Müller in Nierstein
  • Vogt, Susanne Sophie*, geb. Wernher <Tochter>, 1847, verheiratet Nierstein 2.5.1872 mit August Vogt, 1837-1880, Dekan in Kaiserslautern
  • Vogt, Paul* Julius <Enkel>, * 1875, Pfarrer in König im Odenwald, Oberbreidenbach
  • Vogt, Ernst* August Heinrich Wilhelm <Enkel>, * 1877, † 1918, Prof. Dr. phil., Professor für mittelalterliche und neuere Geschichte an der Universität Gießen
  • Vogt, Clara <Enkelin>, * 1879, Lehrerin in Darmstadt
Nachweise

Quellen:

Literatur:

Bildquelle:

Hessische Abgeordnete 1820–1933, Darmstadt 2008, S. 955. - Original: Staatsarchiv Darmstadt.

Leben

Als Philipp Wilhelm Wernher 1802 in Mainz, der damaligen Hauptstadt des französischen Departements Mont Tonnerre, geboren wurde, gab es in der bisher rein katholischen Stadt noch keine evangelische Gemeinde. Deshalb wurde zu seiner Taufe ein Freund seines Vaters, Johann Philipp Gerhard Pauli aus Osthofen, nach Mainz geholt.

Seine Schulbildung erhielt Wernher im Wesentlichen in seiner Geburtsstadt, zunächst an der Domschule, dann am kaiserlichen Lyzeum. Die Umbrüche am Ende der napoleonischen Ära, welche die linksrheinischen Gebiete direkt betrafen, zeigen sich auch in der Biografie des jungen Philipp Wilhelm Wernher. Als die französischen Truppen nach der Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig im Herbst 1813 Mainz erreichten , zog sich die Familie auf den 1804 als Nationalgut erworbenen ehemaligen Haxthäuser Hof in Nierstein zurück. Philipp Wilhelm und sein jüngerer Bruder Julius Carl Wernher wurden jedoch zu ihrer Großmutter väterlicherseits nach Mannheim geschickt, um ihre Schulzeit auf dem dortigen Lyzeum fortzusetzen. Erst 1816 kehrten sie nach Mainz zurück, um 1817 mit den Eltern nach Darmstadt umzuziehen. Denn dort warteten auf seinen Vater neue Aufgaben, nachdem Rheinhessen beim Wiener Kongress dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt zugeschlagen worden war. Bis 1819 besuchte Philipp Wilhelm dann das dortige Gymnasium.

Er begann dann ein Studium der Rechtswissenschaften und der evangelischen Theologie an den Universitäten Gießen (1819/20), Göttingen (1820/21) und Heidelberg (1821/22). Wegen eines Augenleidens unterbrach er das Studium bis Herbst 1823, versuchte dann, es noch einmal in Gießen aufzunehmen. Doch seine Augen hinderten ihn am Weiterstudieren, sodass er 1824 aufgab und stattdessen den väterlichen Gutshof in Nierstein übernahm, den er fortan mustergültig führte. Allerdings beschäftigte er sich zeitlebens auch mit juristischen, theologischen und volkswirtschaftlichen Themen, war bekannt für sein gutes Gedächtnis für Erlebtes und Gelesenes und wurde auch schon in jungen Jahren wegen seines sittenstrengen und harten Urteils geachtet und gefürchtet. Später erhielt er den Beinamen „der alte Herr“, unter dem er nicht nur in der Familie bekannt war.

Nachdem die Entscheidung über die berufliche Zukunft gefallen war, heiratete Philipp Wilhelm Wernher 1825 die Schwester eines Studienfreundes, Auguste Carl aus Hanau. Sie war oft krank und starb – nachdem sie drei Kinder geboren hatte – bereits 1833 im Alter von nur 27 Jahren. Zwei Jahre später ging er mit Katharina Dilg aus Selzen eine zweite Ehe ein. Eine von zahlreichen Anekdoten, die es über Philipp Wilhelm Wernher gibt, rankt sich um diese zweiten Heirat: Wie immer habe er sich an diesem Tag frühmorgens in seine Weinberge begeben und hätte den Trauungstermin wohl vergessen, wenn ihm nicht jemand einen Koffer mit seinem „Staatsrock“ vorbeigebracht und ihn dadurch an das Ereignis erinnert hätte. Er sei dann mit seinem Pflugkarren nach Selzen gefahren, habe dort geheiratet und die junge Frau auf gleiche Weise mit nach Nierstein genommen. Aus dieser Ehe stammen weitere acht Kinder, die zwischen 1836 und 1849 geboren wurden. Katharina Wernher geb. Dilg starb im Alter von 54 Jahren am 16. April 1865.

Nachdem er zuvor schon einige Ämter bekleidet hatte (unter anderem war er Adjunkt in Nierstein), wurde er am 7. November 1844 für den Wahlkreis Oppenheim als Abgeordneter in die Zweite Kammer der Stände des Großherzogtums Hessen-Darmstadt gewählt, der er bis 1872 ununterbrochen angehören sollte, wenn auch für unterschiedliche Wahlkreise (1849/50 für den Wahlkreis Umstadt, 1856–1862 für den Wahlkreis Pfeddersheim, dann wieder für Oppenheim). Er gehörte lange dem Finanzausschuss an und war viele Jahre lang der landständige Direktor der Staatsschuldentilgungskasse. Daneben war er Präsident des landwirtschaftlichen Vereins für Rheinhessen und Mitglied der evangelischen Landessynode. Aufgrund seiner großen Verdienste wurde er am 18. Dezember 1872 von Großherzog Ludwig zum lebenslänglichen Mitglied der Ersten Kammer der Stände ernannt.

Überregional tätig wurde Wernher im Zusammenhang mit der Revolution von 1848/49. Gut befreundet mit Heinrich von Gagern, der auf dem Niersteiner Gut die Kenntnisse zum Bewirtschaften seines Guts in Monsheim erworben hatte, gehörte er bereits 1847 zu dem Kreis liberaler Politiker, die sich im Gasthaus „Zum halbem Mond“ in Heppenheim trafen, um Forderungen nach Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Gewerbefreiheit und die Einrichtung von Geschworenengerichten auszuformulieren. Er zählte auch zu den 51 Mitgliedern deutscher Landtage, die am 5. März 1848 in Heidelberg das Vorparlament nach Frankfurt einberiefen, dessen Mitglied er ebenfalls war. Auch in die Nationalversammlung wurde er nicht im Wahlkreis Oppenheim gewählt, sondern er vertrat den Wahlkreis 7 Alsfeld. Da es sich damals noch um Persönlichkeitswahlen handelte, war es möglich, dass einzelne Kandidaten sich in mehreren Wahlkreisen gleichzeitig bewerben konnten. Dass Wernher nicht nur im Wahlkreis Oppenheim reüssierte, zeigt, dass er eine in ganz Hessen-Darmstadt bekannte Persönlichkeit gewesen ist.

Als Abgeordneter der Paulskirche vertrat Wernher die liberale Mitte, zunächst zählte er zu der Gruppe, die sich im Württemberger Hof in Frankfurt versammelten, ab Herbst 1848 zu derjenigen, die sich im Augsburger Hof trafen. Er war Vorsitzender des Ausschusses für die „Entwerfung einer Proklamation an das deutsche Volk“ und arbeitete im Ausschuss für die „Durchführung der Reichsverfassung“ mit. Er trat in den Debatten auch immer wieder als Redner auf, wurde wegen seiner eckigen Gesten zwar als „Reichsmeilenzeiger“ etwas verspottet, aber durchaus gehört, zumal er bemüht war, seine Meinung sehr genau darzulegen. So lehnte er beispielsweise das allgemeine Wahlrecht ab und begründete das laut Heinrich Laube folgendermaßen: „Ich bin ein Bauer, […] ich ehre das Volk, ich liebe alle Klassen desselben, ich habe mein Leben zum größten Teile mit den untersten Klassen zugebracht und an deren Seite Hand angelegt. Ich habe, als ich hierher kam, die Schwielen noch mitgebracht von der Arbeit, und ich habe in dem Volke eine Masse häuslicher Tugenden kennengelernt – aber zwischen der häuslichen Tugend und der politischen Einsicht ist noch ein großer Unterschied. – Ich behaupte nach meiner Erfahrung, daß zur Beurteilung der Bedürfnisse eines großen Staates die untersten Klassen nicht geeignet sind.“ (Laube, S. 253) Deshalb wollte er ihnen nur auf der kommunalen Ebene ein Mitwirkungsrecht zugestehen. In der Frage des Staatsoberhauptes gehörte er zu den Abgeordneten, die dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. das Erbkaisertum antrugen, was dieser bekanntlich ablehnte. Danach hielt Wernher die weitere Arbeit des Parlaments für nutzlos und erklärte zusammen mit zahlreichen anderen Abgeordneten am 24. Mai 1849 seinen Austritt aus der Nationalversammlung. Doch versuchte er auch weiterhin, liberale Grundsätze in anderen politischen Gremien durchzusetzen, neben seiner Arbeit in der hessischen-darmstädtischen Ständekammer war er 1850 auch Mitglied im Erfurter Unionsparlament.

In seinen letzten Lebensjahren – so schreibt sein Enkel Carl Wernher, der ihn noch persönlich kannte, in der Chronik der Familie – zog sich der inzwischen hochbetagte Philipp Wilhelm Wernher immer mehr zurück und beschäftigte sich fast nur noch mit seinem großen Garten. Von Jugend an eher introvertiert und egozentrisch veranlagt, fiel es ihm generell schwer, gesellig zu sein. Er starb am 6. Oktober 1887 im Alter von 85 Jahren in seinem Haus in Nierstein an Altersschwäche.

Susanne Schlösser

Zitierweise
„Wernher, Philipp Wilhelm“, in: Hessische Biografie <https://www.lagis-hessen.de/pnd/117304239> (Stand: 28.11.2023)