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Währungsreform 1948 Buchsymbol · Währungsreformmuseum Buchsymbol

Währungsreform

  1. Überblick
  2. Durchführung als radikaler Währungsschnitt
  3. Vorbereitung unter Beteiligung deutscher Finanzexperten
  4. Geldausgabe und Neuordnung des Wirtschaftslebens
  5. Die Schattenseite des Währungsschnittes: Auftrieb der Verbraucherpreise und Anstieg der Arbeitslosigkeit

1. Überblick

Am 20. Juni 1948 trat in den Besatzungszonen der Westalliierten („Trizone“), und damit auch in Hessen, die Währungsreform zur Einführung der Deutschen Mark in Kraft. Die Deutsche Mark (DM oder D-Mark) war ab dem 21. Juni 1948 bis zur Einführung des Euro am 1. Januar 1999 (als Buchgeld) bzw. 1. Januar 2002 (als Bargeld) das gesetzliche Zahlungsmittel der Bundesrepublik einschließlich West-Berlins und nach der Währungsunion am 1. Juli 1990 auch in der Deutschen Demokratischen Republik. Sie ersetzte ab dem 21. Juni 1948 die bis dahin als gesetzliches Zahlungsmittel weitergeführte Reichsmark, deren Kaufkraft sich nach Kriegsende aufgrund der Ausweitung des Geldvolumens und den enormen Kriegszerstörungen drastisch verringerte. Die Durchführung der Währungsreform von 1948 und die Etablierung einer soliden Währungsbasis durch Einführung der D-Mark muss als Schlüsselfaktor der Sozialen Marktwirtschaft und Voraussetzung für das deutsche „Wirtschaftswunder“ der 50er- und 60er-Jahre betrachtet werden.

2. Durchführung als radikaler Währungsschnitt

Bis 1945 hatten die nationalsozialistischen Machthaber die in Umlauf befindliche Geldmenge zur Finanzierung der Kriegswirtschaft ständig erhöht. Sinn und Zweck dieser Maßnahme war die Deckung der Ausgaben durch Neuverschuldung statt durch Steuereinnahmen. Da zugleich die Preise durch einen Preisstopp auf einem unveränderten Niveau gehalten wurden, entstand ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen der in Umlauf befindlichen Geldmenge und der gegenüberstehenden Menge produzierter Güter. Deutsche Finanziers beschäftigte bereits vor dem Ende des „3. Reiches“ die Frage, wie der durch den hemmungslosen Einsatz der Notenpresse erzeugte Geldüberhang nach Kriegsende beseitigt werden konnte. Im Juli 1947 gründete der deutsche Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes („Wirtschaftsrat der Bizone“) die „Sonderstelle Geld und Kredit“, die unter dem Vorsitz des späteren Bundesministers für Wirtschaft und Bundeskanzlers Ludwig Erhard (1897-1977) parallel zu den Bemühungen alliierter Finanzexperten einen eigenen, deutschen Vorschlag zur Durchführung einer Währungsreform erarbeitete (23. Juli 1947). Die tatsächliche Durchführung der Währungsreform und die dahinterstehenden, erhebliche Tragweite besitzenden politischen Entscheidungen wurden allerdings 1947/48 trotz maßgeblicher Beteiligung deutscher Experten bei den der Währungsumstellung vorausgehenden Vorbereitungen von den alliierten Siegermächten verantwortet. Angesichts ergebnisloser Verhandlungen mit der Sowjetunion entschlossen sich die alliierten Westmächte zu einem einseitigen Währungsschnitt, die mit der ab dem 21. Juni durchgeführten Umstellung eine weitgehende Enteignung der deutschen Geldvermögen zur Folge hatte (faktisch zunächst im Verhältnis 100 Reichsmark : 6,50 DM). Erst im Nachhinein wurde unter deutscher Ägide ein (sehr begrenzter) Ausgleich für die gegenüber den Sachwerten bei der Umstellung einseitig benachteiligten Geldvermögen geschaffen („Lastenausgleich“). Sogen. „Altsparguthaben“, die vor dem 1. Januar 1940 eingerichtet worden waren, erhielten nachträglich 1957 eine Aufstockung und rechneten im Nachhinein im wesentlich günstigeren Verhältnis 100 : 20.

3. Vorbereitung unter Beteiligung deutscher Finanzexperten

Die „heiße Phase“ der Vorbereitungen zur Durchführung der Währungsreform begann am 21. April 1948 in Rothwesten, einem Ortsteil von Fuldatal im Landkreis Kassel (20. April 1948). Dort entstanden durch die Arbeit einer Gruppe von elf deutschen Finanzsachverständigen und in Zusammenarbeit mit den alliierten Besatzungsmächten bis zum 8. Juni 1948 drei Gesetze zur Neuordnung des Geldwesen, die auf der Grundlage des zwei Jahre zuvor beschlossenen amerikanisch-deutschen „Colm-Dodge-Goldsmith-Planes“ (Reduzierung der im Umlauf befindlichen Geldmenge im Verhältnis 10:1 Lastenausgleich) ausgearbeitet wurden. Im April/Mai 1946 hatten die drei amerikanischen Finanzexperten Gerhard Colm, Joseph Dodge und Raymond W. Goldsmith nach Beratungen mit deutschen Fachleuten und unter Berücksichtigung von etwa 30 deutschen Reformvorschlägen die erste Fassung eines Plans zur Durchführung einer deutschen Währungsreform vorgelegt („Plan for the Liquidation of the War Finance and the Financial Rehabilitation of Germany“ oder kurz: „CDG-Plan“, nach den Anfangsbuchstaben der Nachnamen der drei Amerikaner) der die Ausgangsbasis aller weiteren Beratungen im Alliierten Kontrollrat bildete und bei der tatsächlichen Reform am 20. Juni 1948 in den drei westlichen Besatzungszonen fast unverändert umgesetzt wurde. Ein zentraler Vorschlag von deutscher Seite, der von der „Sonderstelle Geld und Kredit“ des Bizonalen Wirtschaftrates in Bad Homburg v. d. Höhe ausgearbeitet worden war und sich weitgehend mit den im „CDG-Plan“ vorgesehenen Maßnahmen deckte (starker Geldmengenschnitt und Auszahlung einer „Kopfquote“ als Erstausstattung mit der neuen Währung), jedoch eine weniger drastische Abwertung der Bankkontenguthaben vorsah, konnte sich nicht durchsetzen.

4. Geldausgabe und Neuordnung des Wirtschaftslebens

In Hessen hatte das Radio Frankfurt der amerikanischen Besatzungsmacht den sogen. „Tag X“ als Ausgabedatum der neuen Währung erst zwei Tage zuvor, am 18. Juni, angekündigt, nachdem der Währungswechsel bereits 1947 organisatorisch mit der Gründung von Landeszentralbanken, einem Gesetzesentwurf zur Neuordnung der Geldwirtschaft und - unter strenger Geheimhaltung – mit dem Druck von ersten Banknoten in den USA vorbereitet worden war. Die Erstausgabe der Deutschen Mark erfolgte am 20. Juni an den Lebensmittelkartenstellen, vor denen sich lange Schlangen bildeten. In der Nacht zuvor wurden allein in Frankfurt am Main 19 Millionen gebündelte D-Mark-Scheine in 397 Wechselstellen transportiert. Nahezu viertausend Beamte und geschulte Kräfte sind tags darauf in der Mainmetropole mit der Verteilung des neuen Zahlungsmittels beschäftigt.
Die Einführung der neuen Währung zeigte unverzüglich für jedermann erkennbare Auswirkungen auf das Wirtschaftleben: die Schaufenster und Regale der Einzelhändler füllten sich schlagartig. Am 22. Juni klingt der Kommentar des „Wiesbadener Kuriers“ wie eine stichwortartige Ansage zur Initialzündung des späteren „Deutschen Wirtschaftswunders“: „Schon am Mittag tauchen längst vergessene Waren wieder auf …“.1

5. Die Schattenseite des Währungsschnittes: Auftrieb der Verbraucherpreise und Anstieg der Arbeitslosigkeit

Allerdings zeitigte die Währungsumstellung auch gravierende negative Folgen, die sich in einem Auftrieb der Verbraucherpreise und insbesondere in einem Anstieg der Arbeitslosigkeit äußerten.

Steigende Preise

Während sich über Nacht die Geschäfte mit Waren füllten, die es offiziell seit Jahren nicht mehr zu kaufen gab, und mit der Einführung der neuen, stabilen Währung die in den Vorjahren oft katastrophale Versorgungslage durch das Angebot zurückgehaltener Waren zunächst schlagartig, jedoch nur für die Dauer eines kurzen Zeitraums beseitigt wurde, verursachte der Währungsschnitt noch im Verlauf des Jahres 1948 erhebliche Preissteigerungen. Bereits im Oktober sah sich der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets (d. h. der US-amerikanischen und britischen Besatzungszone) gezwungen, der Entwicklung der Verbraucherpreise mit einem „Gesetz gegen Preistreiberei“ gegenüberzutreten.

Die drastische Verteuerung von großen Teilen des nur scheinbar in größerem Umfang wiedergewonnenen Warenangebots war dabei auf mehrere Ursachen zurückzuführen: Einerseits signalisierten die wie von Wunderhand gefüllten Schaufenster der Bevölkerung, dass es diese Waren nun tatsächlich wieder zu kaufen gab, und verursachten damit einen sprunghaften Anstieg der Nachfrage, der aber mittelfristig kein ausreichendes Angebot an Gütern gegenüberstand. Andererseits erhöhte sich ebenso die Nachfrage nach Investitionsgütern und Grundstoffen seitens der Industrie, deren Produktion nun stärker ins Laufen kam. Parallel zu den steigenden Preisen weitete sich die in Umlauf gebrachte Geldmenge durch die Auszahlungen der „Erstausstattung“ in D-Mark, die Währungsumstellung und v. a. Kreditschöpfung der Banken bis Jahresende erheblich aus. Die Kaufkraft der Verbraucher blieb dagegen deutlich hinter dem Preisauftrieb zurück. Erst mit Wirkung zum November 1948 hob der Wirtschaftsrat den bis dahin geltenden Lohnstopp auf, sodass der Freigabe der Preise nur mit Verspätung eine Freigabe der Lohnentwicklung folgte. Effektiv ersetzte die Preisfreigabe der Währungsreform im Sommer 1948 die vorher bestehende Rationierung durch Warenzuteilung durch eine „Rationierung durch den Preis“.2 Die in der Zeit vor der Währungsreform wirksamen Preisstoppverordnungen, die die Verbraucherpreise einer staatlich reglementierten Preisbindung unterwarfen, entfielen zwar nicht schlagartig zur Gänze, da lebensnotwendige Nahrungsmittel sowie Gas und Kohle auch über die prinzipielle Freigabe der Preise hinaus von der Preisbildung am Markt ausgeklammert blieben oder mit einer Höchstpreisgrenze versehen wurden. Trotzdem sorgte der Preisanstieg im Herbst 1948 dafür, dass ärmere Teile der Bevölkerung nicht in der Lage waren, ihre vorher zugeteilten Lebensmittelrationen käuflich zu erwerben.3

Steigende Arbeitslosigkeit

Die Unabsehbarkeit der sozioökonomischen Folgen der Währungsreform hatten Pessimisten in den Arbeitnehmervertretungen dazu veranlasst, für das Gesamtgebiet der westalliierten Besatzungszonen einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen zu prognostizieren. Tatsächlich wuchs die Zahl der Menschen ohne Beschäftigung nach der Durchführung der Währungsreform sprunghaft an, während ihre Zahl bis Juni 1948 in Hessen nur gering geblieben war: etwa 1,2 Millionen Arbeitern, Angestellten und Beamten in Lohn und Brot standen zu diesem Zeitpunkt knapp 42.000 Arbeitslose gegenüber.4

Der Anstieg der Arbeitslosigkeit trifft besonders die Flüchtlinge und Vertriebenen

Anteilsmäßig stark vom Anstieg der Arbeitslosigkeit waren die nach Hessen gelangten Flüchtlinge und Vertriebenen betroffen, von denen besonders viele bei wirtschaftlich schwachen Neugründungen eine Anstellung gefunden hatten, die nach Einführung einer stabilen und „harten“ Währung zusammenbrachen. Zudem war ein großer Teil der hessischen Neubürger gezwungen, zunächst eine Arbeit außerhalb des eigentlich erlernten Berufes anzunehmen. Der durch die Währungsumstellung verursachte Rationalisierungsdruck auf die Unternehmen zwang zahlreiche Betriebe, sich von Teilen der Belegschaft zu trennen. Dabei waren die oft als berufsfremd eingestellten Vertriebenen oftmals die ersten, von denen man sich verabschiedete. Bereits vor der Währungsreform lag der Anteil der Kriegsvertriebenen und Flüchtlinge an der Gesamtarbeitslosenzahl im Vergleich zu den hessischen „Altbürgern“ mit 18,7 % deutlich höher als es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entsprach. Seinen Höhepunkt erreichte der zu einem Gutteil durch die Währungsreform verursachte Anstieg der Arbeitslosenzahl in Hessen im Februar 1950 mit 178.436 registrierten Menschen ohne Beschäftigung, von denen 26,5 % Prozent aus dem Kreis der Vertriebenen stammten. Bezogen auf ihren Anteil an der Arbeitslosenzahl stieg dieser Wert im Verlauf der folgenden Monate bis zum Herbst 1950 weiter bis auf 29 %.5

Annex

Eine zeitgeschichtliche Dokumentation zur Währungsreform 1948 besteht heute in Form des am „Ursprungsort“ der Deutschen Mark, dem „Haus Posen“ auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände der Fritz-Erler-Kaserne in Fuldatal-Rothwesten beheimateten Museums Währungsreform, das Exponate und Bilder zum „Konklave“ der Finanzexperten in Rothwesten, aber auch Materialien zu den wirtschaftlichen und politischen Hintergründen der Umstellung und nicht zuletzt zum Alltagsleben im Deutschland der unmittelbaren Nachkriegszeit zeigt.

Kai Umbach


  1. Wiesbadener Kurier vom 22. Juni 1948.
  2. Zündorf, Irmgard: Der Preis der Marktwirtschaft : staatliche Preispolitik und Lebensstandard in Westdeutschland 1948 bis 1963 (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte 186), Stuttgart 2006 (zugl.: Potsdam, Univ., Diss., 2004), S. 61.
  3. Ebd., S. 62.
  4. Albrecht, Gerhard: Die wirtschaftliche Eingliederung der Heimatvertriebenen in Hessen [Untersuchungen zum deutschen Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem; hg. von Bernhard Pfister, Abt. 2 Einzeldarstellungen] (Schriften des Vereins für Socialpolitik N.F., Bd. 7,2), Berlin 1954, S. 76.
  5. Albrecht, Gerhard: Die wirtschaftliche Eingliederung der Heimatvertriebenen in Hessen [Untersuchungen zum deutschen Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem; hg. von Bernhard Pfister, Abt. 2 Einzeldarstellungen] (Schriften des Vereins für Socialpolitik N.F., Bd. 7,2), Berlin 1954, S. 76. Bezogen auf die Gesamtzahl der nach Hessen gelangten Vertriebenen lag der Anteil arbeitsloser hessischer Neubürger bereits zum Stichtag 1. Oktober 1948 bei 17,4 %. Damit lag Hessen in Hinblick auf die Beschäftigungssituation der nach Kriegsende aufgenommenen Menschen zu diesem Zeitpunkt allerdings noch hinter den beiden anderen Ländern der amerikanischen Besatzungszone. In Württemberg-Baden bezifferte sich der Anteil der Arbeitslosen unter den Vertriebenen im Oktober 1948 auf 19,2, in Bayern sogar auf 22,8 %. Vgl. Schraut, Sylvia: Make the Germans do it – Die Flüchtlingsaufnahme in der amerikanischen Besatzungszone, in: Sylvia Schraut, Thomas Grosser [u. a.] (Hg.): Die Flüchtlingsfrage in der deutschen Nachkriegsgesellschaft (Mannheimer historische Forschungen 11), Mannheim 1996, S. 119–140, hier: S. 132.
Sachbegriffe
Währungsreform 1948
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