Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe

Rücktritt Albert Osswalds als SPD-Landesvorsitzender, 19. April 1977

Der frühere hessische Ministerpräsident Albert Osswald (1919–1996; SPD) tritt nach Vorwürfen im Zusammenhang mit Bankdarlehen vom Landesvorsitz der SPD zurück.

Der 57-Jährige, von 1957 bis 1963 Oberbürgermeister der Stadt Gießen, erklärt, er sei bereit, auf den Landesvorsitz seiner Partei zu verzichten, ohne aber gleichzeitig auch sein Mandat als direkt gewählter Landtagsabgeordneter zurückzugeben. Er sei vielmehr daran interessiert darauf zu warten, dass die laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen Klarheit darüber bringen, dass ihm die vorgebrachten Rechtsverletzungen nicht vorzuwerfen seien. Erst dann wolle er, jedoch noch vor dem Ende der Legislaturperiode, aus dem Landtag ausscheiden.

Vorteilsnahme als Verwaltungsratsvorsitzender der Helaba

Osswald wird bezichtigt, für sich und seine Büroartikelfirma in Wetzlar als ehemaliger Verwaltungsratsvorsitzender der Hessischen Landesbank (Helaba) Darlehen in Millionenhöhe zu ungewöhnlich vorteilhaften Konditionen von der Abteilung Landesbausparkasse der Staatsbank beschafft zu haben. Die Zusammenhänge waren zuerst vom Hessischen Rundfunk aufgedeckt worden und betreffen die Zeit, in der der SPD-Politiker den Vorsitz des Helaba-Verwaltungsrates innehatte. In den Jahren 1971 und 1972 soll Osswald und die Büroartikel-Firma Osswald GmbH in Wetzlar von der Hessischen Landesbank mehrere Bauspardarlehen in Höhe von rund einer Million DM erhalten haben, ohne eigene Gelder angespart oder in der erforderlichen Höhe angesparte Bauverträge erworben zu haben. Diese Darlehen sollen dem 1969 als Nachfolger Georg August Zinns (1901–1976; SPD) zum Ministerpräsidenten des Landes Hessen gewählten Politiker zu einem außergewöhnlich günstigen, „geschäftsunüblichen“ Zinssatz in Höhe von fünf Prozent gewährt worden sein.

Rücktritt als Ministerpräsident im Vorjahr

In Hinblick auf seine Zeit als Vorsitzender des Verwaltungsrates der Helaba war Osswald bereits im Vorjahr mitverantwortlich für spekulative Risikogeschäfte gemacht worden, die der Bank in den frühen 1970er Jahren hohe Verluste eingebracht hatten. Albert Osswald war daraufhin am 3. Oktober 1976 von seinem Amt als Ministerpräsident zurückgetreten.
(KU)