Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen

Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg

↑ Wilhelm Fischmann, Kriegserlebnisse eines Kasselaners, 1915

Abschnitt 25: Ausbau von Gräben und Unterständen

[263-264]
Der 14. und 15. Mai [1915] findet mich nachts wieder beim Hindernisbau. Meine Leute werden schon mehr wie schneidig. Die hauen mit ihren durch Filz abgedämpften Hämmern auf die Pfähle, daß es kracht. Eine Granate schicken sie ihnen ins Hindernis, aber auch die stört sie nicht lange, und nach ungefähr einer Stunde dringt auch von drüben das Klopfen herüber, die Franzosen benutzen die Gelegenheit. Unangenehm waren uns hier die vielen toten Franzosen, die schon monatelang in unserm Hindernis lagen. Wir sind jedesmal froh, wenn wir drüber weg gebaut haben.
Vom 16. bis 20. Mai hatte ich Materialtransporte für den Bau unserer Hindernisse zu führen. Das war für mich einmal eine Erholungszeit. Hierbei hatte ich auch einmal Gelegenheit, die Riesenarbeit zu sehen, die im Grabenabschnitt H., den ich seit einigen Wochen nicht mehr gesehen hatte, geleistet worden ist.
Wir laufen hinter den Feuerstellungen in einem ungefähr 4 m tiefen und völlig sicheren Laufgraben her. Vorn über uns stehen unsere Posten, ihre schwarzen Umrisse heben sich am dunklen Nachthimmel verschwommen ab. Wir gehen leise vorwärts, alle 5 m kommt die Rundung einer starken Schulterwehr, die mit Faschinen und Balken fest gestützt ist. Aus den mit Kerzen erleuchteten Unterständen dringt dichter Rauch hervor, die kochen, braten oder backen sich ihr Abendbrot auf ihrem eisernen Feldofen. Und was für ein Unterschied besteht erst zwischen den jetzigen bombensicheren Unterständen und denen von früher.
Wir haben zwei Sorten gebaut, eingedeckte und minierte. Die eingedeckten Unterstände sind geräumige Zimmer. Alle Wände sind mit Brettern aus unserm Sägewerk glatt verschalt, an der einen Wand stehen 2 Holzbetten für 4 Mann übereinander, und an der andern Seite steht der rohe Tisch, um den Bänke stehen. Unsere Leute wissen sich's schon gemütlich und behaglich zu machen, der eine liefert einen Teppich, Postkarten aus der Heimat bedecken die Wände, andere haben Bilder und Spiegel angeschafft, und für den noch fehlenden gemütlichen Zigarrenqualm sorgt jetzt reichlich der Staat.
[S. 264] Aber noch netter sind unsere minierten Unterstände. Ein Gang, 1,80 m hoch und 1 m breit, völlig mit glatten Brettern ausgeschalt, führt in den oft 8 m langen 2 m hohen und breiten ebenfalls ausgekleideten, minierten Wohn- und Schlafraum. 16 Mann finden hier 7 bis 8 m unter der Erde eine ebenso granatensichere als auch gemütliche und saubere Unterkunft.
Alle Berufe sind ja hier draußen bei unsern Truppen vertreten, die das Heim noch verbessern und verschönern, alle Dilettantenkünste müssen herhalten. Der Gärtner sorgt für Blumenanlagen im Schützengraben, der Maler muß die witzigen Türschilder aufmalen. Zeit zu solchen Arbeiten ist ja immer vorhanden.
Hinter der Front kann man sich nur schwer einen Begriff von der ungeheueren Arbeit machen, die Tag und Nacht hier vorn geleistet wird. Die Schützengräben des Stellungskrieges sind fast uneinnehmbare Festungen geworden, jede hundert Meter wären nur unter ungeheueren Opfern zu nehmen. Nacht für Nacht wandern hunderte von Balken, Minenbrettern, Bohlen usw. in die Stellung. Ich benötige allein für meinen kleinen Hindernistrupp täglich 300 Holzpfähle, 8 Rollen Stacheldraht und 100 glatte sog. Drahtwalzen, die uns Infanterie vortragen muß. Deutsche Gründlichkeit und Arbeitsamkeit sinnt auch andauernd auf Verbesserungen: seit 3 Tagen werden die vielen Kilometer langen Laufgräben zu den Stellungen mit Holzrosten belegt, auf denen es sich ausgezeichnet gehen läßt.
Unser Pionierpark mit seinen 2 Lokomobilen und seinem Sägewerk ist denn auch von früh 7 Uhr bis in die Nacht im Betrieb. Und dabei liefert er nur für ein einziges Regiment Baumaterial! Bohlen, Balken und Bretter kommen dazu noch fertig aus der Heimat und werden hier nur zugeschnitten.


Personen: Fischmann, Wilhelm
Sachbegriffe: Bauarbeiten · Franzosen · Leichen · Laufgräben · Schützengräben · Feldöfen · Zigarren · Feldpostkarten · Stacheldraht · Infanterie
Empfohlene Zitierweise: „Wilhelm Fischmann, Kriegserlebnisse eines Kasselaners, 1915, Abschnitt 25: Ausbau von Gräben und Unterständen“, in: Hessische Quellen zum Ersten Weltkrieg <https://www.lagis-hessen.de/de/purl/resolve/subject/qhg/id/164-25> (aufgerufen am 28.03.2024)