Die auf der Karte zusammengenommenen Namen haben gemeinsam, daß sie sich auf die Bearbeitung von Werkstoffen in flürlichen Anlagen beziehen, wobei die Hauptmasse der Namen an die Weiterverarbeitung des Flachses (→ Karte 27) erinnert. Der Flachs wurde nach der Ernte und nach dem Entfernen der Samenkapseln unter Wasser getaucht oder auf feuchten Wiesen ausgebreitet, bis die weichen Bestandteile weggefault waren. Dann wurde er ,gedörrt‘, d.h. meist in Erdgruben unter Hitzeeinwirkung getrocknet, bis er reif zum ,Brechen‘ war, d. h. weiter zu Faserbündeln verarbeitet werden konnte. Die Anlage, in der der Flachs zum Faulen gebracht wurde, in der er ,geroßt‘ wurde, war die (Flachs)- Roße, mhd. rœʒe st.f. ,Hanf-, Flachsröste‘ (Lexer 2, 517), einer Substantivierung zum Verb ahd. rozzên ,verwesen‘ (Schützeichel 155), mhd. rœʒen, rôʒen, roʒʒen ,welk, bleich, faul werden; faulen machen‘ (Lexer 2, 518). Dieses Wort war mit einer Reihe dialektaler Varianten, von denen in FlN /ro(:)se, ru(:)se/ und umgelautetes /rö(:)se, re(:)se/, niederdt. unverschoben /rote/, die häufigsten sind, bis ins 19. Jh. in Hessen allgemein gebräuchlich (Vilmar 330f.; SHessWb 4, 1465, SHessWb 4, 1467; HNassWb 2, 900; vgl. Stroh 33f.)‚ ist heute aber durchweg durch Röste bzw. das Verb rösten ersetzt (HNassWb ebd.; WaldWb 86), wobei offensichlich die Vorstellung des ,Röstens‘ zu einer volksetymologischen Umdeutung führte (vgl. Kluge/Mitzka 609; DWB 14 [VIII], 1283; wenngleich Vilmar 33l und V. Pfister 238 die „Halbgebildeten und vollends die ,Gebildeten‘“ für diese Sprachveränderung verantwortlich machen). Erleichtert wurde das durch die Abfolge von Faulen und Dörren, aber auch durch das Roßen bzw. Rösten, d. h. das Brennen des Kalks in Kalkroßen, -rösten (DWB 11 [V], 67), die besonders in Nordhessen häufiger in FlN belegt sind. Auch in bezug auf das ,Dörren‘ vermischen sich in den FlN zwei Vorstellungen. Die Dörre, Substantivierung zu ahd. t(h)erren‚ derren ,verdorren lassen‘ (Schützeichel 29), mhd. derren ,dörren, austrocknen‘ (Lexer l, 420), bezeichnet allgemein Anlagen, in denen etwas getrocknet wird (DWB 2 [II], 1301; vgl. Kluge/Mitzka 149), besonders (Dörr-)Obst, aber auch der Flachs. In hessischen FlN bezieht sich Dörre, Dürre als Simplex oder GT wohl meist auf solche Obst- Trockenanlagen (Crecelius 315; SHessWb 1, 1903; kaum auf ‚dürres, trockenes Land‘: Dittmaier 52). Der mehrfach belegte Kombinationstyp Brechdürre (vgl. SHessWb 1, 1087) verweist aber auf den Bezug zur Flachstrocknung. Während bei Kombinationstypen wie Dörrwiese eine Sachentscheidung unmöglich ist, weisen Namen wie Dörr-grube, -kaute‚ -loch‚ -graben? mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Flachsdörrung hin (vgl. Stroh 5).
Gleiches gilt für die mit Brech- gebildeten Namen wie Brechgrube, -kaute‚ -loch‚ -hohl sowie Brechhütte, -haus u. ä. Hier wurde der Flachs ‚gebrecht‘, wobei das auch im Hessischen schwach gebildete Partizip Perfekt (Crecelius 200; SHessWb 1, 1089) darauf hinweist, daß den Namen ahd. brâhhen sw.v. (Karg-Gasterstädt/Frings 1, 1308) mhd. brӕchen, md. brêchen ,prägen‘ (Lexer l, 338) als Faktitiv zu brechen zugrundeliegt (vgl. Dittmaier 38, 40), so daß die eigentliche Bedeutung ‚brechen machen, gebrochene Arbeit hervorbringen‘ (Kluge/Mitzka 562) ist. Auch das Werkzeug zum Brechen des Flachses heißt die Breche (Crecelius 200; vgl. WaldWb 33).
Die Namen, die sich auf Roßen und Dörren beziehen, sind nur teilweise sicher zu identifizieren. Unproblematisch ist hier nur Röste u.ä.
l. Bei Roße, Röße u.ä. liegt sehr starke Vermengung mit Roß (Rosse), Rasen, Russe ,Backstein‘ u. ä. vor (während hess. Roße ,Bienenwabe‘ (vgl. Vilmar 330) HNassWb 2, 898 wohl kaum namengebend war). Vor allem als BT ist Roße nicht hinreichend identifizierbar. Deshalb wurde nur Roße als GT oder Simplex aufgenommen, da hier das fem. Genus und meistens auch der Kombinationstyp die Zugehörigkeit sichern.
2. Bei den Nebenformen Rost(e) u.ä. zu Röste wurden nur die mit fem. Genus aufgenommen, um Vermengung mit Rost ‚Gitter, Rost‘ auszuschließen.
3. Bei Brech- und Dörre-Namen wurden nur Kombinationstypen gewählt, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf Trocknungsanlagen hinweisen; bei Brech- wurde deshalb das Simplex ausgeklammert (s.o. 1).
4. Harres-Belege (<har-roesze) sind aus → Karte 27 übernommen und in der Variante /res(e)/ enthalten.
Aus: Hessischer Flurnamenatlas, Karte 28