Wingert, ahd. wîngart st.m., wîngarto sw.m. (Schützeichel 236), mhd. wîn-gart st.m., wîn-garte sw.m. (Lexer 1, 903) ‚Weingarten, Weinberg‘ ist „unser ältester Ausdruck für das Grundstück, auf dem Reben gebaut werden“ (Kluge/Mitzka 861). Ähnlich wie Bangert (→ Karte 21) < mhd. boumgarte, entsteht die sprachliche Form Wingert durch Kürzung des Vokals, Teilassimilierung von /n-g/ > /ŋ-g/ und weitergehende Velarisierung zu /ŋ/‚ wobei das im Nebenton stehende -gart(e) zu -gert abgeschwächt wurde, teilweise unter Ausfall des /r/, manchmal aber mit erhaltenem Endungs-/e/, besonders in der gesenkten Form /veŋe(r)d(e)/. Als Wort ist Wingert in den südlichen und mittleren Landesteilen Hessens gebräuchlich (v. Pfister 337, KehreinWb 442).
Weingarten bleibt im nördlichen und östlichen Hessen monophthongisch, teils mit Vokalkürzung (/vi:n-, vin/-, teils zusätzlich mit /-n/-Ausfall (/vi(:)/-)). Entsprechendes gilt für die mündlichen Formen von Weinberg.
Der FlN Wingert/Weingarten bezieht sich als ,Weingarten‘ auf einen (ursprünglich gehegten) Garten, der als privates Eigentum dem Gartenrecht unterlag (Bader 3, 83-91). Die Schließung (,Bannung‘) der Wingerte vor der Weinlese stellt noch heute ein Relikt dieser rechtlichen Sonderstellung dar. Weinberg ist erst spätmhd. als wîn-bërc st.m. ,Weinberg‘ (Lexer 3, 898) belegt und wohl als Ellipse aus mhd. wîngartbërc entstanden (Lexer 3, 902; DWB 28 [XIV, I, 1], 867, 922). Das Wort ist in Hessen ebenfalls gebräuchlich. Wo Wingert gebraucht wird, ist es heute mit diesem gleichbedeutend.
Sprachgeschichtlich ist Weinberg das jüngere Wort; es ist seit dem 13./14. Jh. zuerst im Ostmitteldt. produktiv geworden und hat, von dort ausgehend, das ältere Wingert, nicht zuletzt aufgrund des Sprachgebrauchs Luthers, zurückgedrängt (Götze 1924, 280-285; DWB 28 [XIV, I, 1] 867ff. und 30 [XIV, II], 337; für die Pfalz vgl. E. Christmann 1965, 190f.). Daraus ergibt sich für die hessischen Weinberg-FlN das Problem, ob sie nur junge, katasteramtlich-künstliche, gar spöttische Namengebungen (Stroh 42f.; zustimmend Dittmaier 338) oder fälschliche Umdeutungen aus ehemaligen Winnbergen (< ahd. winne, wunnja, wunna ,Grasplatz, Weideplatz, Wiese‘) (Dittmaier 347) darstellen, wofür Schröder 152 und - mit Einschränkungen - Arnold 539ff. plädieren (vgl. Bach 2 § 371), oder sich tatsächlich auf (ehemaligen) Weinbau beziehen. Eng verbunden damit ist die Frage, was die heutige Verbreitung der Wingert/Weinberg-Namen in Hessen über die frühere Verbreitung des Weinbaus in Hessen aussagt.
Während die Identifizierung der Wingert-Namen unproblematisch ist, ist die etymologische Abteilung von Weinberg als ,Weinberg‘ oder ,Weideberg‘ von den rezenten Namenformen her unentscheidbar. Dies gilt verstärkt für die ost- und nordhessischen Gebiete mit unterbliebener Diphthongierung (zur Grenze vgl. Wiesinger K. 8), wo neben vielen Winbergen auch viele (mundartliche und amtliche) Weinberge stehen.
Im ganzen Raum finden sich Wein-Namen, die vom Kombinationstyp ziemlich zuverlässig auf winne ‚Weide‘ schließen lassen, z. B.: „Weinsesse“ (4726a4 Motzenrode WMK); „Weinsoder“ (5714b4 Strinz-Trinitatis HTK); „Weinplatz“ (4621b2 Ehlen KSK); „Winplatz“ (5415c2 Allendorf/Wetzlar LDK); „Weintriesch“ (54l4a5 Wilsenroth LIW, aber: „Weingarten Triescher“: 5317b3 Krofdorf-Gleiberg GIE); „Weinborn“ (5022c3 Wallenstein SEK, 5116c1 Quotshausen MBK, 5116c4 Niederdieten MBK, 5424b1 Dietershausen FUL, 5617d4 Maibach WET, 5721d1 Breitenborn a.W. MKK, aber auch „Wingertsborn“: 5516a1 Rohnstadt LIW); „Wein-“/„Windelle“ (4825a2 Rechtebach WMK, 5022b1 Schwarzenborn SEK, 5022b2 Grebenhagen SEK, 5022c3 Wallenstein SEK, aber auch: „Winbergsdelle“: 4926a4 Ulfen WMK).
Eine Scheidung nach anderen sprachlichen Kriterien als dem Kombinationstyp ist ausgeschlossen.
Es wurden entsprechend alle Wingert- und Weinberg-Namen aufgenommen, soweit der Kombinationstyp das zuließ.
Aus: Hessischer Flurnamenatlas, Karte 23